OCR
NS-Regimes erfolgreicher und geförderter Regisseur, benützte sogar einzelne Effekte, die an das Epische Theater Brechts erinnerten, und steigerte mit diesen Novitäten die Wirkung seiner auf Mystik und Dämonie angelegten Inszenierungen alter Dramen. Zugleich proklamierte er, der unter dem NS-Regime Stücke nationalsozialistischer Autoren inszeniert hatte und nach 1945 für kurze Zeit als Regisseur von Exildramen wirkte, das Zeitstück - und wurde zum Regisseur von Hochwälder-Stücken am Burgtheater. Das Verhältnis war keineswegs ungetrübt, und Hochwälder beschwerte sich beim Leiter der Bundestheaterverwaltung, Ernst Marboe, darüber, dass ihm Adolf Rott, der 1954 zum Burgtheaterdirektor avanciert war, betriebliche Schwierigkeiten bereite.’ Zuschreibungen und Umarmungen Ehemalige Nationalsozialisten suchten nach 1945 auch im Theaterbereich die Nähe zu zurückgekehrten Exilanten, sofern diese Erfolg hatten oder mit ihnen ein gemeinsamer Erfolg zu erzeugen war. Bei Hochwälder ließ sich nebenher die klassische Form rühmen und doch vage von Aktualität sprechen. Friedrich Schreyvogl, der die epischen Formelemente in den „amerikanischen Stücken“ von Tennessee Williams oder Thornton Wilder verurteilte, bei denen etwa ein „Erzähler“ auftrat, lobte die „klassische Theaterform“ von Hochwälders Schauspiel „Der öffentliche Ankläger“.!° Auch Heinz Kindermann, als führender nationalsozialistischer Theaterwissenschaftler nach 1945 zunächst von seinem Lehrstuhl ferngehalten, rühmte in seiner Theaterkritik über den „Öffentlichen Ankläger“ Hochwälder dafür, dass er „als einer der wenigen unter den Jüngeren vorzüglich um das dramaturgische Handwerk“! wisse. Den chemaligen Apologeten des NS-Regimes schien hier ein österreichischer ‚Klassiker‘ entstanden zu sein, der neu war, aber die Grenzen des von seinesgleichen Erlaubten oder Zugestandenen nicht tiberschritt. Es versteht sich von selbst, dass bei diesen Kritikern, aber auch sonst in der Nachkriegspublizistik vom Exil Fritz Hochwälders nicht die Rede war. Hochwälder galt in solchen Beiträgen vielmehr cher als ein Schriftsteller vom Schlage eines Max Mell, nur zeitgenössischer und spannender. Dazu trug das Missverständnis bei, dass er in der Nachkriegszeit für einen katholischen Autor gehalten wurde, da sein 1941/42 im Schweizer Exil entstandenes und dort uraufgeführtes Schauspiel „Das heilige Experiment“ vom Jesuitenstaat im Paraguay des 18. Jahrhunderts handelt. Diese falsche Etikettierung des Autors im Zuge der Burgtheater-Inszenierung von 1947 beförderte allerdings die Geltung Hochwälders in einer weitgehend katholisch deklarierten Gesellschaft und spaltete ihn zudem vordergründig vom Jüdischen, das er selbst nie verleugnete, ab.'” Das Bild vom katholischen Dramatiker konnte sich in der Folge weiter verfestigen, da moralische Themen üblicherweise bereits vorab als christlich verstanden wurden. Fritz Hochwälder hatte Fürsprecher aus allen Lagern, die ihn als Handwerker des Iheaters lobten und zugleich etwas herablassend betrachteten, da er ihnen nicht als richtiger Dichter galt. Dass er sich der Sozialdemokratie zugehörig fühlte, war kaum bekannt, cher sah man ihn als Vertreter einer allgemeinen ethischen Weltsicht, die keine Verankerung in den realen Konstellationen hatte. Darüber hinaus besaß Hochwälder den Vorteil, dass er nur manchmal da war, er hatte eben seinen Wohnsitz in der Schweiz — das Exil blieb bestehen und war doch weitgehend unkenntlich. Wie anders war aber die reale Situation Fritz Hochwälders, dessen Eltern von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet worden 34 ZWISCHENWELT waren — und dem niemals aus dem Gesichtskreis geriet, was die Verbrechen des Nationalsozialismus bedeuteten. Er hat sich in Essays oder Vorträgen immer wieder über das NS-Regime geäußert, ebenso über die Erfahrungen des Exils."” Wie anders auch war das Verhältnis zwischen Hochwälder und seinen Freunden, die wie er ins Exil getrieben worden waren: zum Lyriker Ernst Waldinger, zum Erzähler und Novellisten Oskar Jellinek, zum Publizisten Francois Bondy, zur Schauspielerin Maria Becker oder zu seinem Schriftstellerkollegen Franz Theodor Csokor. Das lässt sich aus den im Nachlass erhaltenen Briefen und Reden erkennen, in denen existentielle und politische Probleme zur Sprache kommen konnten.'* Ernst Waldinger und Fritz Hochwälder schrieben einander etwa über das Weiterwirken von nationalsozialistischer Gesinnung und Antisemitismus in Österreich.'” Und Franz Theodor Csokor, der stets für Hochwälder eingetreten war, ging — in der Zürcher „Weltwoche“ — auf dessen Flucht 1938, die schwierige Situation im Schweizer Exil sowie die Freundschaft mit dem ebenfalls geHlüchteten Dramatiker Georg Kaiser ein. Csokor hielt 1949 auch fest, dass alle Stücke Hochwälders thematisch der „Blutspur dieser Zeit“ folgten, „selbst in den Trachten vergangener Jahrhunderte“.'° Bekannt war das gute Verhältnis zu Hans Weigel, der in der Rolle eines Hauptinterpreten auftrat und über den „geborenen Dramatiker“ Hochwälder schrieb.” Während Weigel noch die gemeinsame „Emigrationszeit“'? erwähnte, wurde sonst allgemein der Anschein erweckt, Hochwälders Geburt als Dramatiker hätte nach 1945 stattgefunden. Als lebensgeschichtliche Reminiszenz wurde allenfalls gerne erwähnt, dass Hochwälder gelernter Tapezierer war, wodurch sich eine Brücke zum Handwerklichen des Theaterautors herstellen ließ. Die Scheinwerfer waren sonst kaum auf die Erfahrungen seiner frühen Jahre gerichtet, zu denen die Mitgliedschaft in der Sozialistischen Arbeiter-Jugend, sein Engagement in der Gewerkschaft, die Kurse an der Volkshochschule Ottakring, die Zugehörigkeit zur literarisch-politischen „Gruppe der Jungen“, die Bekanntschaft mit Theodor Kramer — dessen Gedichte er bewunderte und zu dessen finanzieller Unterstützung nach dem Februar 1934 er mit anderen beitrug” —, sowie die dramatischen Arbeiten der 1930er Jahre und dann des Exils gehörten.” Dramatische Moral Zahlreiche Exildramen gehörten formal zur „aristotelischen Dramatik“ — wie Brecht diese bekanntlich in Abgrenzung zu seinem „Epischen Theater“ genannt hatte. Hochwälder war nur von besonderer Stringenz, stand aber den Möglichkeiten des Dramas zugleich skeptisch gegenüber. Er, den man als einen Realisten bezeichnen könnte, der die Konkretion des Abstrakten versuchte, begründete seine Zweifel mit dem zeitgenössischen Menschentyp. 1961 brachte er in seinem Vortrag mit dem Titel „Vom Versagen des Dramas in unserer Zeit“ die Erkenntnis von der Untauglichkeit des modernen Menschen für die dramatische Form mit den Verbrechen des Nationalsozialismus in Verbindung, nannte die Konzentrationslager Auschwitz und Theresienstadt und zeichnete das Porträt eines NS-Verbrechers: Ein Offizier, der in Auschwitz Menschenfrachten auftrags- und ordnungsgemäß zum Tode beförderte, rief jedesmal, wenn sich die Tür der Gaskammer hinter den Opfern schloß und das Zyklon B fällig war, seinen Untergebenen zu: ‚Na, gib ihnen schon zu fressen!“ Begegneten wir dem Mann wieder, wir wären erstaunt, einen kultivierten Herrn von tadellosen Manieren vorzufinden, mit durchaus normalen