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einer Bahnverbindung hindert mich, nach Wien zu kommen. [...] In Wien erwartet man mich, viel Aufbauarbeit ist zu leisten und ich sitze untätig hier. Kannst Du Dir meine Stimmung vorstellen?“ Aichhorn war über Vorgänge in Wien informiert worden, die ihn beunruhigten, weil sie seinen Zukunftsabsichten absolut nicht entsprachen. Wilhelm Solms!" berichtete darüber folgendermaßen: „Aichhorn war noch in Frankenfels/NÖ, andere Mitglieder des Kreises um ihn waren noch fern von Wien oder in Wien in Kriegsgefangenschaft. Die allgemeine politische Zukunft war unklar, es bestand die Möglichkeit, dass Wien im Bereich des Ostens bleiben würde. In den ersten informellen Besprechungen [...] wurde überlegt, ob es möglich sei, die enge Zusammenarbeit mit den Freunden aufrechtzuerhalten, die nicht zu den Psychoanalytikern zählten“ (Solms 1976, S. 1182). Es bestand also die Absicht, die Wiener Zweigstelle des ehemaligen ,, Deutschen Reichsinstituts“ in ein „Österreichisches Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie“ umzuwandeln, das die Rechtsnachfolge des Reichsinstituts antreten sollte. In einem im Nachlass Aichhorns aufbewahrten Schreiben „An das Staatsamt für Volksaufklärung, für Unterricht und Erziehung und fiir Kultusangelegenheiten“, das damals von Ernst Fischer’ geleitet wurde, betreffs der Umwandlung der Wiener Zweigstelle des ehemaligen Reichsinstituts für Psychologische Forschung und Psychotherapie in ein ‚Österreichisches Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie“ vom 5. Juni 1945 heißt es, dass bereits im April 1945 eine provisorische kommissarische Leitung für das Institut bestellt worden sei. Als Adresse des Instituts wird Wien I., Wollzeile 9 angegeben. Im Mai hätten nun die Mitglieder des Instituts einen provisorischen Vorstand gewählt, der beauftragt worden sei, die Wiener Zweigstelle des ehemaligen Reichsinstituts in ein „Österreichisches Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie“ umzuwandeln. Das Institut stelle sich die Aufgabe, die Tradition der Wiener psychotherapeutischen Schulen wiederaufzunehmen und wolle daher die theoretischen Erkenntnisse der Tiefenpsychologie pflegen und sie praktisch nutzbar machen. Auch solle so bald wie möglich die Verbindung mit der internationalen allgemeinen ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie wiederhergestellt werden. Das Schreiben schließt mit dem Absatz: „Wir bitten um baldige Erledigung unseres Ansuchens und erlauben uns, mit folgendem Hinweis zu schließen: Österreich ist das Geburtsland der modernen Tiefenpsychologie. Als die Bücher von Freud und Adler während der ersten Tage des dritten Reiches in Berlin verbrannt wurden, erhob sich in der Kulturwelt ein Ruf der Entrüstung. Es gehört daher wohl zu Österreichs Ehrenpflicht, sich auch auf dem Gebiet dieser Wissenschaft wieder die Stellung zu sichern, die seiner großen Tradition würdig ist.“'? In diesem Institut sollte also, wie unter dem Nationalsozialistischen Regime, weiterhin die Zusammenarbeit der verschiedenen psychotherapeutischen Schulen erhalten bleiben. Um Aichhorn die Rückkehr nach Wien zu ermöglichen, wandte sich Theodor Scharmann" am 5. Juni 1945 an Bruno Pittermann:" „Herr Aichhorn hat nach der Zerstörung seiner Wohnung in Wien durch einen Bodenangriff und auf unseren dringenden Wunsch, seinen Wohnsitz vor etwa einem Jahr auf das Land verlegt, da uns alles darauf ankam, ihn lebendig über die kritische Zeit zu bringen. Das war umso notwendiger, als er ein zwar geistig und seelisch noch voll aufder Höhe befindlicher, aber körperlich schon etwas gebrechlicher und herzkranker Mann ist. Er wohnt dzt. in Frankenfels an der Mariazellerbahn (N.O.). Herr Aichhorn hat nun den brennenden Wunsch, so schnell wie möglich nach Wien zurückzukehren, um im befreiten Österreich endlich wieder frei wirken und die Tradition der psychologischen Schule Wiens wieder aufnehmen zu können. Dass die Mariazellerbahn aber [...] noch für längere Zeit zerstört ist, müßte er über 12 km zu Fuß bewältigen, was bei seinem Leiden unmöglich ist. Ich frage Sie nun an, ob Sie hier einen Rat wissen, etwa in dem Sinne, daß anläßlich einer Dienstfahrt einer unserer Herren nach Niederösterreich, dieser Herrn Aichhorn [...] mitnehmen könnte. “!° Auf diesem Weg dürfte es Aichhorn schließlich möglich geworden sein, nach Wien zurückzukehren. Als Aichhorn nach Wien zurückgekommen war, erhielt er ein mit 20. 6. datiertes Schreiben Ferdinand Birnbaums’’, in dem es hieß: „Was unser Zugreifen in den Apriltagen betrifft, so hoffe ich, dass Du der Sache zustimmen kannst. [...] Dein Eintreffen wird ja nun Ordnung in die Sache bringen, da Du gewiss auch über Personen verfügst, die da mithelfen können. Im übrigen habe ich Dein Eintreffen hier schon sehr, sehr herbeigesehnt, weil Du ja über die von Dir Analysierten eine Autorität auszuüben imstande bist.“ '? Aichhorn antwortete ihm: „Auf Deinen lieben Brief, der mich außerordentlich erfreute, antworte ich erst heute, da ich immer wieder auf ein Zusammentreffen in kürzester Zeit hoffte. In einer Besprechung sind die schwebenden Angelegenheiten doch anders zu erledigen als im brieflichen Verkehr. Nun hindert Dich Deine Erkrankung doch länger am Ausgehen und ich kann - so gerne ich es tate — Dich nicht besuchen, da für meinen körperlichen Zustand die Entfernung zu groß ist. Es gibt so viel zu überlegen, zu klären, endgültige Entschlüsse müssen rasch gefasst werden, da die Zeit drängt und ich weiß nicht, ob ich mich brieflich werde völlig verständlich machen können. Es gibt aber keine andere Möglichkeit. Über die Ereignisse der letzten Zeit und Dein Eintreten für unsere Sache informierten mich Dr. Scharmann, Dr. Spanudis,'? Dr. Solms und Dr. Bolterauer.”° Von Dr. Bolterauer hörte ich auch, daß Du beabsichtigst das Österreichische Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie zu einer Dachorganisation für die verschiedenen in Wien vorhandenen und sich bildenden Schulen auszugestalten. Und, daß Du eine Organisation ins Leben rufen willst, die Adlersches Gedankengut pflegen wird.” Die Dachorganisation ist gegenwärtig für mich ein sekundäres Problem, mir liegt am Herzen: die alte Wiener Psychoanalytische Vereinigung wieder aufleben zu lassen und raschesten Anschluß an die Internationale Psychoanalytische Vereinigung zu finden. Darüber und Deine Stellungsnahme dazu, hätte ich gerne mit Dir gesprochen, um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen. Wir haben uns über die sachliche Arbeit persönlich herzlich zusammengefunden und das soll auch in Zukunft so bleiben. In Verfolgung dieser Absicht, der Zeitnot Rechnung tragend, habe ich bereits mit Professor Dr. Pötzl?? gesprochen und seine Ansicht eingeholt. Er ist bereit, gemeinsam mit mir, als Beauftragte eines Prop. Komitees die notwendigen Schritte zu unternehmen, damit wir ehestens im Sinne der Analytischen Vereinigung arbeiten können, da eine Vereinsgründung gegenwärtig nicht möglich ist.“” Es mag sein, dass Aichhorn damit der Absicht Otto Pötzls, selbst einen Psychoanalyseverein zu gründen, zuvorkommen wollte. Aichhorns Freund, der ungarische Psychoanalytiker Lajos Levy,” berichtete Anna Freud im September 1948: „Ich habe von Aichhorn gehört, dass erst Pétzl, dann der ignorante Kauders” danach strebten.“”° September 2015 45