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Lega Nord lügt nicht, wenn sie behauptet, dass Einwanderer aus Nicht-EU-Ländern den Arbeitsmarkt zerstören, weil sie es akzeptieren, zu besonders niedrigen Löhnen zu arbeiten. Einige Agrarunternehmen im Veneto „importieren“ also einfach illegal indische Arbeitskräfte, Menschen, die bis zu zwanzig Stunden ohne Unterbrechung für vier Euro die Stunde arbeiten und — wie Tiere in Schlafsäle ohne einfachste hygienische Einrichtungen eingepfercht — auf engstem Raum übernachten müssen. In Sizilien werden illegal eingereiste rumänische Mädchen, darunter auch minderjährige, die für zwanzig Euro am Tag auf dem Feld arbeiten, von ihren italienischen Arbeitgebern erpresst und sexuell missbraucht: ein Missbrauch, den sie ertragen müssen, wenn sie nicht abgeschoben werden wollen. Um ihre Kinder zu ernähren, sind Menschen, welche die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer überlebt haben, bereit, in zwielichtigen chinesischen Fabriken unter katastrophalen Bedingungen zu arbeiten. Es gibt Fotos und Videos, die Journalisten von diesen „produktiven Unternehmen“ gemacht haben, es gibt Interviews mit den dort ausgebeuteten Arbeiterinnen und Arbeitern, die der Öffentlichkeit zugänglich sind. Doch die Polizei greift selten ein, um die Zustände, die in diesen Betrieben herrschen, zu beenden. Man muss sich fragen, warum. Die Lega Nord hat recht: Das alles zerstört den Arbeitsmarkt. Aber wer trägt dafür die Verantwortung? Stellt euch vor, ihr kommt heim und euer Zuhause ist besetzt Ich hatte gedacht, dass so etwas nur in Ländern der Dritten Welt vorkommt, doch es geschieht bereits in Italien: Gebäude, die wegen des Konkurses eines Bauträgers nie fertiggestellt wurden, werden von Obdachlosen — von Italienern als auch von Ausländern — zur Gänze besetzt und als Unterkünfte benutzt. Es handelt sich um Rohbauten ohne Licht, ohne Sanitäranlagen, ohne Heizung. Noch viel schlimmer ist es jedoch, wenn es sich um ein fertiges Haus handelt und die Wohnungen schon längst einen Mieter oder Eigentümer haben. So werden zum Beispiel Wohnungen von Senioren, die gerade im Krankenhaus sind, in deren Abwesenheit besetzt. Eingetretene Türen, geknackte Schlösser, korrupte Nachbarn, die Zweitschlüssel besitzen: Bei der Rückkehr aus dem Spital stellt der Rentner fest, dass sein Zuhause schon von jemandem anderen bewohnt wird. Ein Obdachloser folgt auf den anderen. Wenn es ums Überleben geht, gibt es kein Mitleid. Es geht um Macht, und es gilt das Recht des Stärkeren. Ein alter Mensch ist unrentabel und hat damit ausgedient. Er ist zu beseitigen, um für Jüngere Platz zu machen. Ich glaube, dass die Unruhen in Tor Sapienza, einem Stadtteil von Rom, der Beginn eines richtigen Bürgerkriegs sind, den die Armen untereinander austragen. Warum beschließt die Gemeinde Rom in einem Viertel, das an sich schon zu den ärmeren der Stadt gehört, ein Aufnahmezentrum für Migranten sowie ein Sozialzentrum einzurichten und zwei Siedlungen für Roma zu bauen? Im November 2014 war der Stadtteil Tor Sapienza zwei Nächte lang Schauplatz von Zusammenstößen zwischen Italienern und Ausländern. Dabei griffen die Bewohner des Viertels auch das erwähnte Aufnahmezentrum für Einwanderer an. Die versuchte Vergewaltigung eines italienischen Mädchens durch einen „Nicht-EU-Bürger“ war wohl das, was das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. 8 _ ZWISCHENWELT In seiner ersten Reaktion darauf meinte der Bürgermeister von Rom Ignazio Marino: „Wir werden uns fragen, ob eine andere und gerechtere Verteilung von Gästen der Aufnahmezentren innerhalb der Stadt möglich ist“, erklärte der Bürgermeister und verwies außerdem auf eine Reihe von geplanten „Sofortmafnahmen“: „Beleuchtung der Strafen, eine gründliche Entsorgung des Mülls, den Verfall stoppen, Bäume fallen. Wir werden außerdem einen Grund der Gemeinde dafür verwenden, um eine neue Bibliothek zu errichten, die allen zur Verfügung steht.“ (Corriere della Sera, Online Redaktion, Rom, 12. November 2014) Nach so viel leerem Gerede ist man bestürzt und hofft, dass der Bürgermeister sich, was die Bäume betrifft, schlichtweg sprachlich etwas unpräzise ausgedrückt hat. Er wird wohl „beschneiden“, „pflegen“ und nicht „fällen“ gemeint haben. Oder doch? Bedenkt man, dass die Mehrheit der Einwanderer halbe Analphabeten in ihren eigenen Muttersprachen und Analphabeten in allen europäischen Sprachen sind, fragt man sich, ob der Vorschlag des Bürgermeisters, eine Bibliothek zu bauen, ein Scherz war. Der Bürgermeister von Rom gehört der linksliberalen Demokratischen Partei an. Matteo Salvini von der Zega Nord kommentiert dieselben Ereignisse folgendermaßen: „Jegliche Gewalt muss immer verurteilt werden“, schickt er voraus, „aber die unkontrollierte Einwanderung und der Rassismus gegenüber den Italienern, die im Gegensatz zu den Migranten keine bezahlten Herbergen haben, drohen falsche Reaktionen hervorzurufen.“ (Corriere della Sera, Online Redaktion, Rom, 12. November 2014) Ja, ihr habt richtig gelesen: „Rassismus gegenüber den Italienern“! Die Integration ist unmöglich, die Explosion der Intoleranz unvermeidbar In einem Land wie Italien mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 46% ist es utopisch zu glauben, dass ein Migrant aus einem der Aufnahmezentren, der die Sprache nicht beherrscht, keinen Beruf erlernt und keine Arbeitserlaubnis hat, irgendeine Anstellung finden könnte. Folge dieser Tatsache sind Drogenhandel, mit dem sich manche Zuwanderer ihren Lebensunterhalt verdienen, Diebstähle sowie Vandalismus und Gewalt unter Einfluss von Alkohol. Dies alles führt zu urbanem und sozialem Verfall der Stadtviertel, in denen Migranten leben. Ein ähnliches Problem haben Roma. Angehörige dieser Bevölkerungsgruppe werden diskriminiert und ausgegrenzt, doch ist für einige von ihnen gerade das ein Grund, auf ihr Anderssein und die eigene Identität als Roma stolz zu sein. Manche behaupten zudem, dass ihre Arbeitslosigkeit „charakteristisch für Nomaden“ sei. Es ist demnach nicht leicht, sie gegen die Angriffe der Lega zu verteidigen. In der Stadt Borgaro, Provinz Turin, ist es jedoch der Bürgermeister der Demokratischen Partei — der größten MitteLinks-Partei des Landes! —, der eine Teilung der Autobuslinie 69 vorschlägt: eine Buslinie ausschließlich für Italiener und eine nur für Roma - auf derselben Strecke, aber natürlich mit getrennten Haltestellen. Glaubt der „demokratische“ Bürgermeister, das Problem der „Taschendieb-Roma“ mit Hilfe einer Apartheid gegen die ganze Volksgruppe lösen zu können? Doch zurück zur Lega Nord. Diese trachtet auch in Regionen, die traditionellerweise links sind — wie der Emilia Romagna und