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der Toskana — nach Zugewinnen. Deshalb beschloss der schon erwähnte Lega Nord-Politiker Matteo Salvini, sich nach Bologna zu begeben, um eine von Roma und Sinti bewohnte Siedlung zu besuchen, in der einige Tage zuvor eine Lega-Stadträtin von einem Sinti geohrfeigt worden war. Salvini fährt mit dem Auto dorthin und wird von Vertretern der Sozialzentren buchstäblich überfallen. Seine Stellungnahme lässt aufhorchen: „Das Auto mit Steinen beworfen, Fußeritte, Faustschläge. Bespuckt wurde ich auch. Wenn das das demokratische und gastfreundliche Bologna ist, müssen wir es befreienf‘, schreibt der Parteichef der Lega Nord. (Affaritaliani, online-Tageszeitung, 8. November 2014) „Bologna befreien“? Dies gehört einem Sprachschatz an, der auf eine berüchtigte Weise berühmt geworden ist. „Liberiamo Roma!“ („Befreien wir Rom!“) war das Motto Mussolinis und der italienischen Faschisten während ihres „Marsches auf Rom“ im Oktober 1922. Und Matteo Salvini weiß das schr genau! Die Lega Nord versteht sich inzwischen als „parteiübergreifend“. Nach dem Ende des Zeitalters der Ideologien geht sie seltsame Bündnisse ein. War die Lega ursprünglich „sezessionistisch“, so wird sie heute in zunehmendem Maße nationalistisch, um in der Front National von Marine Le Pen in Frankreich und der StracheFPÖ in Österreich neue Verbündete zu finden. Deren Meinung ist, dass unter dem Diktat der EU die nationalen Grundlagen der jeweiligen Länder zerstört werden, sei es auf wirtschaftlicher oder auf sozialer Ebene, und dass die Verarmung und der Verfall dramatisch fortschreiten. Wir können nicht abstreiten, dass gerade das heute wirklich passiert. Hier allerdings liegt die Gefährlichkeit der Lega Nord: ihr manipulativer Missbrauch von Fakten, die Art und Weise, wie sie stets die Wahrheit zu ihren Zwecken nutzt. Die italienische Linke schürt die Kämpfe zwischen den Armsten der Armen Die Vorletzten gegen die Letzten. Die Linke sollte egalitäre Standpunkte vertreten. Dies ist ein unantastbares Grundprinzip, dem sie sich verpflichtet fühlt. Ihre Aufmerksamkeit gilt den sozialen Verhältnissen. Sie muss gegen Privilegien kämpfen und die Arbeitnehmer verteidigen... Wäre es nicht, wie es jaschon einmal vorgeschlagen wurde, im Sinne der Linken, eine zusätzliche Steuer von 10% des Gewinns, den das Vermögen der reichsten Familien, die 46% des privaten Nettovermögens des Landes beisitzen (2010 waren es 45,7%), abwirft, einzuführen? Wäre es nicht ebenfalls im Sinne der Linken, die Gehälter der Abgeordneten (die höchsten in Europa!) zu kürzen? Warum sollte man die so genannten „goldenen Pensionen“ nicht besteuern? Es ist unglaublich, doch in Italien belaufen sich die zehn höchsten Pensionen auf 40.000 bis 90.000 Euro im Monat! Stattdessen scheint die Politik von Ministerpräsident Renzi das Ziel zu verfolgen, die Armen noch weiter verarmen zu lassen. Wir sind Zeugen davon, wie die untere Mittelschicht ausgepresst wird und wie ihr die Lebensgrundlagen entzogen werden, und zwar durch Senkung von Pensionen, durch Verlängerung der Arbeitszeit sowie Kürzung von Löhnen, durch Steuererhöhungen auf die wichtigsten Verbrauchsgüter oder auf den Erwerb der ersten Wohnung (was unter Berlusconi noch steuerfrei war). Doch das alles reicht noch nicht. Renzi streckt seine Hände auch nach der Zukunft der Menschen aus: nach den Ersparnissen der Familien, dem „kleinen Schatz“ auf den Bankkonten, und sogar nach den Pensionskassen und den zukünftigen Abfindungen von Arbeitnehmern. So fehlt neben der historischen Erinnerung ganz offensichtlich auch eine Perspektive für die Zukunft. Was wir erleben, ist die Politik des absoluten „hic et nunc“, welche dem Konsumdenken untergeordnet ist: Nur wenn man jetzt gleich so viel wie möglich ausgibt, kann sich die Wirtschaft erholen. Dass der größte Teil der italienischen Bevölkerung demzufolge in Zukunft unter der Armutsgrenze leben wird, scheint keine große Wichtigkeit zu haben. Ministerpräsident Matteo Renzi ist dabei, die Demokratische Partei systematisch zu zerstören, indem er sie zu einer auf einen „Führer“ ausgerichteten nationalen Partei umformt. Der Philosoph und ehemalige Bürgermeister von Venedig Massimo Cacciari bezeichnet so etwas als „Analphabetismus der Politik“. Eine nationale Partei zu errichten, ist der Versuch, ideologische Gegensätze zur Gänze zu beseitigen. Es ist das Streben nach einem parteiübergreifenden Konsens, was auf die Schaffung einer einzigen Partei hinausläuft. Meiner Ansicht nach ist die von Renzi geplante Abschaffung des Senats (der zweiten Kammer des italienischen Parlaments neben der Abgeordnetenkammer) ebenfalls Teil dieses „autokratischen“ Programms, und ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass die politische Karriere von Benito Mussolini in der Sozialistischen Partei begonnen hatte. Scheint das ein absurder Vergleich zu sein? Michele Ainis, einer unserer besten Verfassungsrechder, schreibt: „Renzi hat alle Rekorde gebrochen, bei den Notgesetzen wie auch bei den Vertrauensvoten, indem er das Parlament entmachtet hat. Wenn sich die [politische] Praxis von der Rechtsstaatlichkeit entfernt, hat das etwas Unpädagogisches. Und es gibt Grund zur Sorge, weil die Missachtung von Regeln die Bibel von Diktaturen ist, nicht jene der Demokratie.“ Renzi regiert in vielen Fällen mit Hilfe von Notgesetzen (,legislatura d’urgenza“), um sein Programm durchzubringen. Es mag überraschen, aber während Salvini einen Großteil der Wähler, die cher links von der Mitte stehen, an sich zu ziehen vermag, so tut es Renzi mit jenen, die früher cher rechte Parteien gewählt haben. Während Renzi mit Industriellen, Lobbyisten oder Konzernchefs verhandelt, hat er den Dialog mit den Gewerkschaften abgebrochen. Das Resultat von alledem ist Krieg: Junge gegen Alte, Pensionisten gegen Arbeitslose, Angestellte mit fixem Arbeitsvertrag gegen befristet Angestellte. Wenn man das soziale Netz aufreißt, verschwindet jegliche Solidarität. In einer derart gespaltenen Gesellschaft ist ein gemeinschaftlicher Kampf großer Teile der Bevölkerung, ein „Kampf der Massen“, gegen die Institutionen unmöglich. Der 1924 geborene Politiker, Journalist und Gewerkschaftsführer Emanuele Macaluso hat selbst Geschichte geschrieben, und er erinnert sich daran. 1944 unterzeichnete er einen Appell für die Einheit der Gewerkschaft. Heute schreibt er Folgendes: „Die Gewerkschaft hat in Italien immer das Interesse der Allgemeinheit vertreten und nicht nur jenes ihrer Mitglieder: vom Kampf gegen die Mafıa bis zu jenem gegen den Terrorismus. Renzi möchte alles zunichte machen. Er will Gewerkschaften haben, die sich nur um bestimmte Interessen kümmern. Doch wenn die Gewerkschaft keinen Qualitätssprung macht, ist es vorbei. Und das wäre ein dramatisches Ende, denn, wie die letzte Demonstration zeigt, ist sie die Dezember 2015 9