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Gabriele Matzner-Holzer

Laudatio für Hazel Rosenstrauch

Gehalten bei der Verleihung des Theodor Kramer Preises für Schreiben
im Widerstand und Exil, Niederhollabrunn, 12. September 2015

Es ist nicht einfach, Hazel Rosenstrauch zu loben. Nicht, dass
es nicht genügend Lobenswertes an ihrem Wirken und Werken
gäbe. Aber eben dieses verrät, dass man auf der Hut sein muss.
Hazel Rosenstrauch hat ein sehr feines und geiibtes Sensorium
fiir Falsches, Unechtes, Modisches und dergleichen, wie es oft bei
Laudationen zum Einsatz kommt. Vielleicht hat die Preis verlei¬
hende Theodor Kramer Gesellschaft sich deshalb auf die Kunst
der Diplomatie besonnen und mich mit dieser Aufgabe betraut.

Ich werde mich bemühen, den vermuteten Erwartungen zu ent¬
sprechen. Wobei ich mich subjektiv auf meine vielen Erfahrungen
mit Hazel Rosenstrauch und die mir vertrauten Schriften stütze,
die mir durchwegs immer neue Perspektiven, selbst, ja gerade, auf
scheinbar Vertrautes, eröffnet haben. Am Ende wird hoffentlich
klar sein, warum die Gesellschaft heuer ihren Preis für Schreiben
im Widerstand und Exil an Hazel Rosenstrauch verleiht.

Doch zunächst, wie es sich gehört, ein kurzer Parcours durch
den CV der Preisträgerin. Hazel Rosenstrauch wurde im Londoner
Exil ihrer jüdischen und kommunistischen Eltern geboren. Die
Familie kehrte kurz nach dem Krieg ins damals bedrückende Wien
zurück, wo Hazel in Floridsdorf nach eigenem Bekunden ein
Lausbubenleben mit durchmischtem Schulerfolg führte. 18-jährig
entfloh sie über den Ozean, nach New York und Kanada, und
begann, sich und die Welt in ihren Widersprüchen zu erkunden

m

sowie ein prekäres selbständiges Leben, beispielsweise als Bank¬
angestellte in Toronto, zu führen. Es zog sie dann zurück nach
Europa und in geisteswissenschaftliche Bahnen, insbesondere zu
Geschichte, Germanistik, Philosophie und Soziologie. Und nach
turbulenten Studienjahren im Berlin der 68er promovierte sie
1983 im biederen Tübingen über den Buchhändler und Verleger
Phillipp Erasmus Reich.

Seither arbeitete und arbeitet sie als Publizistin, Journalistin,
Essayistin, Ausstellungskuratorin, Lehrbeauftragte, Diskutantin
und Vortragende im Berliner und Wiener Wissenschaftsbetrieb,
und zuletzt als Leiterin der „Gegenworte. Hefte für den Disput
über Wissen“ in Berlin, wo sie, nach 33 Umzügen, lebt und
regelmäßig Clownskurse besucht.

Und natürlich hat sie zahlreiche Aufsätze und Bücher publiziert,
zu einer breiten Palette von Themen. Davon nennen möchte ich
beispielsweise: „Aus Nachbarn wurden Juden“ (1988), „Die Grazie
der Intellektuellen“ (1995), „Karl August Varnhagen und die
Kunst des geselligen Lebens“ (2003), „Wahlverwandt und eben¬
bürtig. Caroline und Wilhelm von Humboldt“ (2009), „Juden,
Narren, Deutsche“ (2010), „Karl Huß, der empfindsame Henker“
(2012) und zuletzt 2014 „Congress mit Damen. Europa zu Gast
in Wien 1814/1815“.

Für ihr Werk wurde sie 2012 mit dem österreichischen Staats¬
preis für Kulturpublizistik ausgezeichnet.

Hazel Rosenstrauch beschäftigt sich beharrlich mit Auf- und
Umbrüchen, wie sie sie aus ihrem eigenen abwechslungsreichen
privaten und beruflich-akademischen Leben und dem Studium

Dezember 2015 19