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gebe ihm diesen für seinen Rücken. Der Polster ist rund, mit
Gobelin-Überzug, er wurde im letzten schönen Sommer 1937
am Semmering von meiner Mutter bestickt.

Ami war wie kein anderer, machte mehr Hausaufgaben, als ich
ihm gab. Und er trug die französischen unregelmäßigen Verben
immer mit sich in der Brusttasche seiner Uniform.

Eines Tages bemerkt er eine etwas zerschlissene Ausgabe des
„Petit Prince“ in meiner Bibliothek. Er nimmt sie und ein Aus¬
schnitt der „New York Times“ anno 1973 fällt heraus. „Diesen
Artikel schrieb die junge amerikanische Lehrerin, die Antoine de
Saint-Exupery Englisch beigebracht hat“, sag ich. „Und weißt du,
die rote Rose des Petit Prince unter der Glasglocke ist Consuelo,
seine südamerikanische Frau, die er stürmisch geliebt hat...“

Als Ami sechs Monate später nach Paris ging, machte ich eine
Kopie der „New York Times“ für mich. Er bekam das Original
und er schenkte mir einen kleinen Aschenbecher aus grünem
Eilat-Stein. Und als er zu den Pessach-Ferien auf Urlaub nach
Tel Aviv kam, fielen wir uns in die Arme...

Ich sah Ami Jahre später nur ein einziges Mal wieder, kurz bevor
er starb. Im Musikladen neben dem Fredric Mann Auditorium,
unserer Konzerthalle, die von demselben Architekten erbaut ist
wie das Lincoln Center in New York. Im Auditorium ist Zubin
Mehta unser heißgeliebter, permanenter Dirigent, der sein Hand¬
werk in Wien erlernt hat. Erinnert ihn Tel Aviv vielleicht an seine
indische Heimat? Er begrüßt sein Tel Aviver Publikum jedenfalls
immer in tadellosem Hebräisch.

„Amilein, du liebst klassische Musik? Warum hast du mir das
nie gesagt?“

„Paris hat das gemacht. Ich ging dort oft in die Oper, in Konzerte.
Jetzt will ich mir eine Plattensammlung anlegen. Was meinst du?“

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„Fang an mit Mozart. Sinfonia concertante. Von Beethoven
nimm dir das G-Dur Klavierkonzert, das vierte. Und nimm auch
einen Brahms. Die Vierte Symphonie ist die schönste.“ Ich bli¬
cke in sein Gesicht. Das El-Greco-Profil ist eingeschrumpft. Die
Rembrandt-Augen haben ihren Glanz verloren. Sein Händedruck
ist heiß, seine Finger zittern leicht... Drei Monate später starb
er an Pankreaskrebs.

Tieftraurig fuhr ich ans Tote Meer. Dort in der judäischen
Wüste, vierhundert Meter unter dem Meeresspiegel, dem tiefsten
Punkt der Erde, würde ich vielleicht wieder meine Lebensgeister
erwecken können. In dieser großen Stille, in der sich das Drama
meines Volkes abspielte, hörte ich ein Rauschen, ein Murmeln,
ein Plätschern von Wasser auf Stein. Ich drehte mich um: Eine
winzige Quelle sang und lachte hinein ins große Schweigen an
der Küste des Salzmeeres. Ich beugte mich über das Süßwasser¬
bächlein, klar wie Glas. „Gott hat mich in die Wüste geschickt,
Gerda, und nannte mich ‚En Gedi‘, das Auge des Böckleins...“
„Und, was willst du mir sagen?“, fragte ich im Sand kniend. „So
wie es mich, eine winzige Quelle in der Wüste, gibt, so birgt auch
jedes Altern einen Quell ewiger Jugend! Du wirst wieder leben,
Gerda, wieder lieben!“ Und plätscherte davon.

Gerda Spiegler wurde 1925 in Wien geboren und lebt in Tel Aviv,
wohin sie 1939 mit einem Kindertransport flüchten konnte. Sie
studierte in NYC an der „New School for Social Research“. Sie war
ab 1977 Sprachlehrerin bei den „Israel Defense Forces“ (IDF). Sie
veröffentlichte Gedichte und Erzählungen in der „Jerusalem Post‘,
„Maariw‘, in „Israel Nachrichten“ und in MNEMOSYNE- ZEIT:
Schrift für jüdische Kultur. Es erschien zuletzt in ZW Nr. 1/2015,
S.41-44, die Erzählung „Gibt es ein Zurück nach Wien...
verzauberte, verlorene Heimat?“

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