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Alexander Emanuely ... durch die Stadt geirrt Theodor Kramer in Frankreich Theodor Kramer ist in Frankreich, im Gegensatz zu anderen ésterreichischen Autoren wie Rilke, Zweig, Handke, nicht wirklich bekannt. Doch haben französische GermanistInnen und AutorInnen schon lange vor 2008, als einige seiner von Thibaut Chaix-Bryan übersetzten Gedichte in der von Félix Kreissler gegründeten Zeitschrift „Austriaca“ erschienen sind', versucht sein lyrisches Werk in Frankreich bekannt zu machen. Es gab auf vielen Ebenen enge Beziehungen zwischen den AutorInnen in Österreich und Frankreich, auch im Umfeld Theodor Kramers. So haben z.B. Else Feldmann oder Rudolf Jeremias Kreutz um 1926 eine Wiener Sektion der Clarte-Gruppe - ein Zusammenschluss linker, pazifistischer Intellektueller in Paris rund um Henri Barbusse — gegründet. Doch nicht in der von Walter Benjamin gelobten Zeitschrift „Clarte“ ist das erste Mal in französischer Übersetzung ein Gedicht Theodor Kramers erschienen und nicht in Frankreich, sondern höchstwahrscheinlich 1931 im Brüsseler „Le journal des po£tes“, dessen Chefredakteur der bekannte französische Dichter und Künstler Pierre-Louis Flouquet war. Neben Lyrik von Hölderlin, Ludwig Strauss, Georg Von der Vring, Paula Ludwig, Oskar Loerke, Gerda von Below war von Theodor Kramer „Auf den gewaltsamen Tod eines alten Trafikanten“” (zum ersten Mal 1929 in „Die Woche“ in Berlin gedruckt) erschienen. Viele der Gedichte in der belgischen Literaturzeitschrift waren von Yvan Goll übersetzt worden, jenes von Theodor Kramer vom belgischen Dichter Henry Fagne. Das Erscheinen der Brüsseler Zeitschrift ist in Frankreich aufmerksam verfolgt worden. Eine ausführliche Rezension derselben erschien in der auflagenstarken und vom Verlagshaus Larousse herausgegebenen Monatsschrift „Les Nouvelles littéraires, artistiques et scientifiques“, in der „Ih&odore“ Kramer auch erwähnt und mit den Dichtern Andre Salmon und Francis Carco verglichen wird.” Die beiden waren in Frankreich zu diesem Zeitpunkt sehr beliebt, so wie in Österreich auch bald Theodor Kramer dank dem regelmäßigen Erscheinen seiner Gedichte u.a. in der „Arbeiter-Zeitung“ Beachtung fand. Vier Jahre später wird Theodor Kramer gleich noch einmal in einer schr renommierten, viel gelesenen Pariser Zeitschrift erwähnt und vorgestellt werden, nämlich in der „Revue des cours et conférences“ (Revue der Lehrveranstaltungen und Vorlesungen) welche vom bekannten Romanistikprofessor an der Sorbonne Fortunat Strowski herausgegeben wurde. In der Publikation wurden vor allem, wie der Titel schon zum Ausdruck bringt, Beiträge von den Lehrkräften diverser Universitäten und der Grandes Ecoles veröffentlicht. Der Germanist und Professor an der Universtät Bordeaux Robert Pitrou publizierte hier vier seiner 1935 gehaltenen Vorlesungen über „Lyriques autrichiens d’aujourd’hui“ (Zeitgenössische österreichische Lyriker). Die erste Vorlesung fand am 15. Jänner statt und war über Hugo v. Hofmannsthal, die zweite über Anton Wildgans, Richard Schaukal, Stefan Zweig, gehalten am 28. Februar, die dritte über Erika Mitterer, Paula Grogger und Heinrich Suso Waldeck, gehalten am 30. März. Es wurden somit ganz unterschiedliche DichterInnen vorgestellt, von den VertreterInnen der Moderne, wie Erika Mitterer, bis hin zu solchen wie Paula Grogger, die bald in Blut und Boden versinken sollte. Die Vorlesung vom 30. April war zwei jungen Dichtern gewidmet, nämlich Theodor Kramer und Guido Zernato [sic] und dem für Robert Pitrou vielleicht erfolgreichsten von allen, Franz Werfel.* Der Germanist aus Bordeaux war voll des Lobes für Theodor Kramer, den Dichter der armen Leute und Ausgestoßenen, den er wiederum mit dem Pariser Volksdichter, Chansonnier und Anarchisten Jehan Rictus oder mit dem belgischen weltbekannten Großstadtdichter Emile Verhaeren verglich. Neben seiner spannenden Analyse der Dichtung des Newcomers "Iheodor Kramer schrieb er über den Gedichtband „Die Gaunerzinke“, über den Winter im Burgenland, das Lössland und das Marchfeld, welches seiner Meinung nach den Franzosen doch bekannt sein müsse, gewann doch dort Napoleon so viele seiner Schlachten. Eine ebenso interessante Einschätzung Pitrous lautet: Wäre Iheodor Kramer Maler geworden, hätte er keinen Pinsel verwendet, sondern ein Malmesser. Le Parthénon Dass Theodor Kramer in den eben erwahnten Publikationen rezipiert wurde, ist durchaus nachvollziehbar, handelte es sich doch um solche von KollegInnen und GermanistInnen. Eine der seltenen Übersetzungen eines Gedichtes Theodor Kramers ins Französische wurde aber auch in einer alle zwei Monate erscheinenden, „unabhängigen“ Pariser Literatur- und Kulturzeitschrift, die von einer Baronne herausgegeben wurde, publiziert. Dabei handelt es sich um „Le Parthenon“ und um die Ausgabe vom 20. März 1937. Das Gedicht, das erstmals am 9. April 1932 in Stefan Großmanns Berliner Zeitschrift „Tage-Buch“ erscheint, trägt den Titel „Der letzte Schwarze“. Vier Jahre später wird es erneut im umfangreichen Theodor Kramer-Gedichtband „Mit der Ziehharmonika“, in Ernst Karl Winters Gsur-Verlag erschienen, abgedruckt.? In „Le Parthenon“ wurde es unter „Le dernier noir“ veröffentlicht, was in Frankreich kaum jemand versteht, weshalb als alternativer Titel noch gewissenhaft „La derni£re tasse de cafe“® hinzugefügt wurde. Neben dem Gedicht Theodor Kramers findet man in der Literaturzeitschrift weitere Lyriker, die einen Österreich-Bezug hatten, bzw. Österreicher waren. So wurden zwei Gedichte von Alfred Neumann abgedruckt: „Le vieux noyer“ (Der alte Nussbaum) und „Dans la föret“ (Im Wald). Alfred Neumann war zu diesem Zeitpunkt in Frankreich als Drehbuchautor bekannt, der mit Regisseuren wie Ernst Lubitsch, Marcel [’Herbier, Maurice Tourneur zusammenarbeitete. In „Le Parthenon“ wird er vor allem als Übersetzer von Baudelaire und Verlaine vorgestellt. Alfred Neumann hatte 1933 Deutschland verlassen müssen und lebte im italienischen Exil. Er war zwar kein Österreicher, doch waren Mitte der 1930er-Jahre einige seiner Gedichtbände, z.B. seine gesamte „Rätsel-Dichtung“, im Wiener Saturn Verlag erschienen, Mai 2016 25