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strikte Order hatten, Kommunisten oder mit ihnen sympathisie¬
rende Asylsuchende nicht ins Land zu lassen; beinah jeder Antrag
wurde in den USA diesbezüglich „behördlich“ genau geprüft —
auch hinsichtlich der amerikanischen Bürgen.”

Bei Maria Leitner ließ sich allerdings trotz „geschönter“ bürger¬
licher Kurzbiografie zweifelsfrei eine linke Gesinnung nachweisen.
Nach diesen „Richtlinien“ für die Erteilung einer Einreiseerlaubnis
war auferdem Theodore Dreiser — obwohl weltbekannt, aber
sozialkritisch linke und zunehmend kommunistische Ansichten
vertretend — leider als Fiirsprecher und Biirge auch wenig geeignet.
Maria Leitner hatte sicher noch weitere Freunde in den USA. Diese
waren jedoch entweder ebenfalls politisch suspekte Emigranten
oder für die Übernahme einer Bürgschaft nicht finanzkräftig genug.

Auch FC. Weiskopf”, der bereits in die USA entkommene
Schriftstellerkollege, konnte nicht weiterhelfen, als Anna Seghers
am 14. September 1941 von ihrem neuen Exilort Mexiko-Stadt
brieflich fragte: „Leitner war doch auf der Danger-Liste, warum
helfen die nicht?“ Diese stand tatsächlich auf der legendären
Liste mit 150 Namen besonders Verfolgter und wurde auch ent¬
sprechend der zur Verfügung stehenden bescheidenen Mittel
und Möglichkeiten als „Flüchtling aus dem Saarland“ vom ERC
bereits seit Oktober/November 1940 betreut. Doch es gelang
Varian Fry und dessen engem Mitarbeiter Daniel Benedite an¬
gesichts der erwähnten undurchsichtigen politischen Strategie
US-amerikanischer Behörden nicht, ihr ein Visum zu verschaffen.

Ein privat geführter Briefwechsel zwischen Varian Fry und Da¬
niel Benedite belegt die Erschütterung der Menschen, die Maria
Leitner vergeblich zu helfen versuchten. Frys Stellvertreter Daniel
Benedite antwortete später auf meine Nachfrage, dass er sich zwar
nicht an alle der vielen Hilfesuchenden erinnern könne, wusste
jedoch sofort aus einer seiner damaligen Notizen zu berichten:

„Als eine unserer ältesten Schutzbefohlenen, Maria Leitner, eines
Tages (wahrscheinlich im letzen Quartal 1941) erfuhr, dass ihr
amerikanisches Visum abgelehnt worden war, bekam sie einen
Tobsuchtsanfall, fing an zu schreien und sich auf dem Boden
herumzuwälzen. Paul (Arzt und Mitglied unseres Stabes) sah sich
— widerstrebend — gezwungen, Krankenwärter einer Irrenanstalt
zur Hilfe herbeizurufen ...“**

Paul Schirmer, ein jüdischer Arzt und selbst bedroht, während
er in Marseille hilfsbedürftige Emigranten medizinisch versorgte,
wusste sicher genau, wem er die Verzweifelte übergab.

Maria Leitner wurde nicht an Deutschland ausgeliefert.” Sie
verstarb — gerade 50-jährig- am 14. März 1942 völlig entkräftet
in Marseille.”

Die nach jahrelanger Suche wiederentdeckten Zeugnisse ihres
journalistisch-literarischen Schaffens’® offenbaren jedoch nicht
nur Details ihres Lebensweges, sondern sind noch immer gut
lesbare präzise Zeitbilder. In unserer Zeit neuer gesellschaftlicher
Verwerfungen sind diese Vermächtnis und Mahnung einer mutigen
Frau zur Wachsamkeit.

Anmerkungen

1 Pariser Brief über das literarische Leben der deutschen Emigranten. In:
Elisabeth, ein Hitlermädchen. Erzählende Prosa, Reportagen und Berichte.
Berlin und Weimar: Aufbau 1985. S. 242-247.

2 Siehe den Auswahlband Maria Leitner: Mädchen mit drei Namen. Hg.
von Helga und Wilfried Schwarz. Berlin: AvivA 2013.

3 Brief befindet sich bei der Autorin.

68 _ZWISCHENWELT

4 Josef Luitpold Stern (1866 — 1960), österreichischer Schriftsteller und
Volksbildner. Direktor der Arbeiterhochschule Wien, hatte große Verdienste
in der Arbeiterbildung, musste 1934 emigrieren, ging über Brünn (Brno)
und Paris in die USA. Rückkehr 1948.

5 Klaus-Michael Mallmann, Gerhard Paul: Das zerplitterte Nein — Saarländer
gegen Hitler. Bonn 1989. S. 243-251.

6 Brief befindet sich bei der Autorin

71. Jg. Heft 2, August 1936

8 Angela Huß-Michel: Literarische und politische Zeitschriften des Exils
1933-1945. Stuttgart: Sammlung Metzler 1987.

9 Albrecht Betz: Exil und Engagement. Deutsche Schriftsteller im Frankreich
der dreißiger Jahre. München 1986, S. 305.

10 Maria Leitner: Mädchen mit drei Namen. Berlin 2013, S. 98-103.

11 Der Roman „Elisabeth, ein Hitlermädchen“ erschien in der Pariser Ta¬
geszeitung in Fortsetzungen vom 22. April bis 21. Juni 1937; auf dieser
Fassung basiert die Veröffentlichung von 1985 im Aufbau Verlag Berlin.
Das vom Archiv des Verlages Emil Oprecht, Zürich, angezeigte gleichna¬
mige Typoskript Maria Leitners konnte noch nicht berücksichtigt werden.
12 Brief von Anna Seghers an Prinz zu Löwenstein von der „American
Guild for Cultural Freedom“, New York. 20. August 1938, Exilarchiv der
Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt/M.

13 Deutsche Nationalbibliothek, Exilarchiv. Bestand der American Guild
for Cultural Freedom.

14 Ebenda.

15 Ebenda.

16 Aus Bundesarchiv-Akte NY 4065/41 Blatt 95.

17 Elisabeth Weichmann: Zuflucht — Jahre des Exils. Hamburg 1983. Lisa
Fittko: Mein Weg über die Pyrenäen. München 1985.

18 Anna Seghers: Brief vom 8. November 1978 an die Autorin.

19 Luise Kraushaar: Brief vom 1. Februar 1985 an die Autorin.

20 Theodore Dreiser (1871 — 1945). Amerikanischer linker Schriftsteller.
Autor von „Die Amerikanische Tragödie“, Berlin 1930.

21 Maria Leitner an Theodore Dreiser. Brief vom 11. Dezember 1940.

22 Brief von Maria Améry vom 21. Dezember 1982 an die Autorin.

23 Eigentlich „Wehr dich, Akato!“ in AIZ, 1932/33. Später von ihr als
Surinam-Roman bezeichnet.

24 Gemeint sind die französischen Internierungslager.

25 Andererseits widersprüchliche Angaben, aber nach neuesten Erkenntnissen
glaubhaft. (H.W. Schwarz).

26 Letzter Brief von Maria Leitner vom 20. Mai 1941, englisch, übersetzt
von Dagmar Müller.

27 Siehe Auswahlband „Mädchen mit drei Namen“, Berlin 2013.

28 „Ilustrirte“ — historische Schreibweise.

29 Maria Leitner: Tibetanische Märchen. Übersetzt und mit Nachwort.
Hg. von Maria Leitner. Berlin 1923.

30 Hubertus Prinz zu Löwenstein: Brief vom 31. Juli 1941 an Alfred Kan¬
torowicz. Briefin der Deutschen Nationalbibliothek, Deutsches Exilarchiv
1933-1945, Frankfurt/M.

31 Nothilfskomitee mit dem Sitz in New York. In Marseille befand sich
die Außenstelle CAS (Centre Americain Secours, Zentrum amerikanischer
Hilfe). Leiter waren Varian Fry und Daniel Bénédite. Auflösung Herbst 1942.
32 Alexander Stephan: Im Visier des FBI — Deutsche Exilschriftsteller in
den Akten amerikanischer Geheimdienste. Berlin 1998.

33 E.(ranz) C.(arl) Weiskopf (1900 - 1955), Schriftsteller, Lyriker, Übersetzer.
Chefredakteur der AIZ in Prag. Autor von: Unter fremden Himmeln. Ein
Abriss der deutschen Literatur im Exil 1933-1947. Berlin 1948. Darin:
Maria Leitner, S. 142 und 282. Biographische Angaben später korrigiert.
34 Anna Seghers: Brief vom 14. September 1941 an EC. Weiskopf. In: A.
Seghers: Briefe 1924-1952. Berlin 2008, S. 120-123.

35 Daniel Benedite: Briefwechsel mit der Autorin 1989/1990.

36 Julia Killet gelang es 2010 in Marseille Maria Leitners Todesumstände
ausfindig zu machen. Vgl. Julia Killet, Helga W. Schwarz: Maria Leitner
oder: Im Sturm der Zeit. Berlin 2013.

37 Amtliche Bestätigung des Todes von Maria Leitner durch die zuständige
französische Behörde in Marseille in Kopie vorliegend.

38 Vgl. die Auswahlbände „Mädchen mit drei Namen“ (2013) und „Elisabeth
ein Hitlermädchen“ (2014) bei AvivA, Berlin.