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Erika Mitterer Der Vertriebene 1938 Ich stehe vor einem Haus; es wohnen fremde Menschen darin. Sie gaben mir Zuflucht. Die Bläue des Himmels erinnert an Heimat wie die Blumen mit all ihren leuchtenden Namen, andern als jenen im Land, das uns ausstieß, zufällig angeworfenen Namen. Ein Bauer betrachtet die Furchen des Ackers. Ein Bauer, wie ich zu Hause gar oft einen stehn sah, im prüfenden Blick Vertrauen und Vorsicht, Gefühle des Mannes. Mir aber, was frommt mir? Mißtrauen und Blindmut, der Abenteurer freche Gelüste, Blicke auf Frauen zu werfen wie auf Tomaten, die an umzäunten Stauden reifen... Sag es mir Mond, der dort hinterm Waldsaum hervorschwebt: Warum lebe ich noch? Zerbrochen war mir das Werk meiner Hände, im Seewind zerflatterten alle Gedanken. Mein Knabe lernt höflich sein unter Händlern und mein Weib scheuert irgendwo schmutzige Böden. Ich bin allein wie das Kalb einer erschossenen Hinde, wie ein krankes Tier, das vom Rudel verstoßen, nichts besseres weiß, als die Wunden zu lecken. Ich sinne und sinne: Was hab ich getan? Unser sind Viele. Das kann keinen trösten. So ziehn wir, Schemen Verfolgter, von Türe zu Türe, bettelnd wie Pilger vergangener Zeiten. Doch nicht steht am Ende des Weges die Gottheit, der wir den Staub von den Füßen zu küssen kamen von weither — ach, und vertrieben hat uns kein Gott aus den lieblichen Tälern, hat uns kein Gott von den schimmernden Bergen und aus den fröhlichen Städten der Heimat... Mann mit dem Pflug, du verstehst nicht die Rede, wende den Blick der redlichen Prüfung wieder der schwarzen, fruchtbaren Erde zu, daß sie Kinder und Enkel ernähre — säe den Samen und laß mich enteilen.... Erstveröffentlicht in Erika Mitterer: Zwölf Gedichte. 1933-1945. Wien: Ilse Luckmann 1946, 5. 10-11. Joseph Kalmers begeisterte Besprechung des schmalen Bandes im Londoner „Zeitspiegel“ (No. 33, 17.8.1946, S. 11) nimmt fast eine ganze Druckseite ein. Mitterer habe, schreibt Kalmer, mit ihren ZWÖLF GEDICHTEN den Beweis erbracht, „daß die innere Emigration der Zu-Hause-Gebliebenen etwas Positives geleistet hat“. Noch ausführlicher als Kalmer geht Ernst Waldinger in seiner Besprechung in der New Yorker „Austro American Tribune“ (November 1946, S. 4) auf das Buch ein. „Dies“, schreibt er, „ist das erste österreichische Versbuch seit der Befreiung des Landes, das zu unseren Herzen spricht; es ist das erste mit jenem unvergleichlichen Seelenklima, das unsere besten menschlichen Eigenschaften mitformte.“ Und weiter unten: „Erika Mitterers Sympathie mit den Vertriebenen begann, wie aus dem Datum hervorgeht, mit dem Augenblick, da die Vertreibung anfing, und ist nicht eine Konjunkturangelegenheit, wie sie uns heute gleich widerlich und empörend entgegentritt.“ Erika Mitterer (1906 - 2001) hat mit ihrem Roman „Der Fürst der Welt“ (Hamburg 1940, mehrfach wiederaufgelegt), wohl den bedeutendsten Beitrag zur Literatur der „Inneren Emigration“ in Österreich geleistet. Er durfte, nachdem seine „antinazistische Tendenz“ durch eine Rezension der norwegischen Übersetzung publik wurde, nicht mehr weiter verbreitet werden. (Ironie am Rande: Im „Lexikon der österreichischen Exilliteratur“, Wien 2000, besserte eine eifrige Lektorin, gelernte Germanistin, ohne Rückfrage bei den Autoren „antinazistisch“ auf „antisemitisch“ aus, was leider erst ruchbar wurde, als das Lexikon nach kürzester Zeit nicht mehr lieferbar war.) Wir danken Martin G. Petrowsky (Erika Mitterer Gesellschaft) für die freundliche Abdruckgenehmigung. Harald Maria Höfinger Gedichte sparwut staatstragend heißen sie uns den gürtel enger schnallen die herrn hingegen gefallen sich in maßgeschneidertem ohne leibriemen dumpfer trieb es wäre ihm ein leichtes gewesen über den laufkäfer hinwegzusteigen allein die lust erzwang sein tun bedenkenlos also zertrat der riese das insekt Mai 2016 83