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REZENSIONEN Der Titel des gerade erschienenen Lexikons erinnert an die optimistische Parole während jener opferreichen Kämpfe, deren Beginn sich in diesem Jahr zum 80. Male jährt. Aus vielen Ländern waren damals Frauen und Männer dem revolutionären Spanien zu Hilfe geeilt. Den etwa 1.400 aus Österreich Gebürtigen haben schon vor Jahren Hans Landauer und Frich Hackl mit dem beim Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft herausgegebenen „Lexikon der österreichischen Spanienkämpfer 1936-1939“ ein Denkmal gesetzt. Nun folgte auf Initiative der Freunde der Spanischen Republik unter maßgeblicher Federführung von Werner Abel und Enrico Hilbert ein ähnliches Kompendium zum Gedenken an über 5.000 deutsche Freiwillige, von denen etwa 2/3 je Faktenlage in mehr oder weniger umfangreichen Beiträgen namentlich gewürdigt werden. Wo es die Quellenlage zuließ, werden umfassende Biografien einschließlich politischer und beruflicher Entwicklung und politischem Engagement vor und nach ihrer Einsatzzeit und die Einheiten und Frontabschnitte, Dienstgrade und Funktionen sowie Parteimitgliedschaften in Spanien genannt — bemüht neutral, ohne ideologische Wertungen. Und die weiblichen Freiwilligen, die nicht nur als Begleiterinnen ihrer Männer nach Spanien kamen, sondern zumeist hinter den Fronten unverzichtbare Hilfe in Sanitäts- und Versorgungsdiensten leisteten, werden gleichwertig und separat genannt. So beispielsweise Anna Siemsen: Neben ihren biografischen Daten zum Lebens- und Berufsweg als Pädagogin und Politikerin sind Angaben zu ihren bisher wenig bekannten Hilfsaktionen, die sie als antifaschistische Emigrantin in der Schweiz organisierte und zweimal nach Spanien begleitete, zu finden, u.a. mit dem Hinweis auf ihr „Spanisches Bilderbuch“. Die in den letzten Jahren zunehmende Of nung von Parteiarchiven und die mögliche Einsichtnahme in Kominternakten — und nicht zuletzt der Wegfall des Eisernen Vorhangs — ermöglichten detailreiche Darstellungen. Andererseits erbrachten auch intensive Recherchen mehrfach oft nur wenige Angaben ‚wie für „Ressel, Eduard — Sudetendeutscher — kam im September 1936 nach Spanien zur 2. Internationalen Artillerie-Abteilung Skoda der Internationalen Batterie Klement Gottwald, wurde nach dem Riickzug in Frankreich interniert“ (S. 409). Wohin ging er, gelang die Flucht sogar ins Exil, kehrte er zuriick nach dem Weltkrieg und wohin? Für diesen und eine Vielzahl von Kämpfern beispielsweise mit dem Namen Schmidt oder Meier/Maier/Mayer erhoffen sich die Herausgeber weitere Hinweise nach der Veröffentlichung ihres kurz BioLex genannten wichtigen Nachschlagewerkes. Dieses ist m.E. eine echte Bereicherung für weiterlaufende historische Forschungen und geeignet, im Vergleich mit den Daten ähnlicher Lexika - beispielsweise mit dem o.g. Österreichs und den erhofften privaten Hinweisen aus Familien- und Freundeskreisen, zur Rekonstruktion von Menschenschicksalen beizutragen. Die Kompliziertheit der Thematik und die Problematik bei der Erarbeitung eines solchen Werkes angesichts der zurückliegenden politisch-ideologischen Auseinandersetzungen auf internationaler Ebene wird einleitend betont sachlich skizziert. Die historische Situation erläutert auch Reiner Tross in seinem ebenso für Nichtakademiker verständlichen Beitrag „Historisches Stichwort: Spanischer Bürgerkrieg 1936-1939“. Die bisher vorliegende Materialfülle ergab zwar mit 567 Seiten im Großformat ein äußerst wichtiges, aber auch schr gewichtiges Buch an der Grenze der Handbarkeit. Aber Herausgeber und Verlag planen bereits ein Supplement. Die Arbeit an diesem ergänzenden Band Il ist fast abgeschlossen, die Veröffentlichung für 2016 vorgesehen. Helga W. Schwarz Werner Abel, Enrico Hilbert: „Sie werden nicht durchkommen“. Deutsche an der Seite der Spanischen Republik und der sozialen Revolution. Unter Mitarbeit von Harald Wittstock, Friedrich Villis und Dieter Nelles. Band I. Lich/Hessen: Edition AV 2015. 567 S. € 45,Was ist das für ein Buch? Eins, das uns das Refugee Protest Camp Vienna in einem historischen Zusammenhang erklärt, also ein historisches. Eins, das uns die heutzutage mögliche politische Position entlang der Linien von fraternité, égalité und liberté nahebringen will, also eine leider fast vergessene Sorte politischer Pamphlete. Eins, das die politische Theorie mit der politischen Praxis einer Bewegung zusammendenkt, also ein Experiment. Eins, das uns die inneren Widersprüche und Differenzen innerhalb eines stattfindenden politischen Kampfes vermittelt, also ein Buch der Strategie. Eins, das sich auch mit den sonst im Verborgenen bleibenden Seiten eines AllianzProzesses auseinandersetzt — mit Freundschaften, Liebesbeziehungen, Streit — und auch damit, wie in so einer Situation mit Hilfe oder einfach mit Reziprozität umgegangen wird; also eine politikwissenschaftliche Analyse von bisher wenig beleuchteten Seiten eines politischen Kampfes. Alle diese Deutungen und Einblicke treffen auf den 239 Seiten umfassenden Band zu. Und wohl noch einige mehr. 88 _ ZWISCHENWELT Die Autorin ist Monika Mokre, Politikwissenschaftlerin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, die sich beim 2013 gestarteten signifikantesten Refugee Protest in Österreich von Anfang an als Supporterin involviert hat. Die Stationen dieses Protestes waren: Marsch von Traiskirchen nach Wien, Errichtung eines Camps im Sigmund-Freud-Park, die Besetzung der Votiv-Kirche, die Unterbringung der Aktivisten in dem von der Caritas Wien verwalteten Servitenkloster, die kurzfristige Besetzung der Aula der Akademie der Bildenden Künste und die Unterbringung eines Kerns der Aktivisten in einem Privathaus. Ob die Bewegung zu Ende ist oder sich in andere Kämpfe übersetzt hat, ist eine der Fragen des Buches, eine andere, ob und inwiefern die feministische Forderung „Das Private ist politisch“ sich darin geäußert hat. Mokres Position als Supporterin nimmt sowohl Bezug auf ihre Erfahrungen als unmittelbar Beteiligte — als teilweise euphorisches, teilweise enttäuschtes Individuum -, als auch als Teil eines Kollektivs von hauptsächlich weiblichen SupporterInnen, das sich der Solidarität als zentralem Prinzip des politischen Kampfes verschrieben hat, das aber gleichzeitig auch diverse Differenzen aufweist. In dem fließend zu lesenden Text werden die Konflikte nicht verschwiegen, diese aber auch nicht einseitig gedeutet. Es geht eben nicht darum, jemandem eins auszuwischen, sondern auch den Widersprüchen Platz einzuräumen, möglicherweise auch deren Notwendigkeit innerhalb der heute vorherrschenden zivilgesellschaftlichen Landschaft zu verdeutlichen. Das Subjekt, das im Zentrum der Bewegung steht: die Refugees. Diese Männer erscheinen im Buch, das sich jenseits von Mainstreamdiskursen über die Flüchtlinge positioniert, einerseits als Kämpfer für ihre Rechte und gleichzeitig als Bannerträger eines Diskurses und Begehrens, das über ihre unmittelbaren persönlichen Interessen hinausgeht — in Richtung Gleichheit für alle; aber auch als Angehörige verschiedener Ethnien, verschiedener Klassen, als Inhaber eines