und Arme, Torsi und Büsten anonymer Stereotypen mit oder
ohne Verhängung. Die Gesichter der Puppen in den Schaufens¬
tern verfügen über angedeutete Sinnesorgane, Nasen, Lippen,
Augäpfel, die nicht riechen und nach nichts riechen, blind und
stumm sind. Die Büsten aus Plastik mit errigierten Warzen, die
in den Kaschmirpulli bohren. Die Zehen, das Sprunggelenk,
der Unterschenkel, das Knie, das Bein stecken bis zum Schritt
in Spitze. Jeder Körper hat seine Funktion und dieser hier hat
die Aufgabe, die Latte hochzulegen. Die Puppe betreibt eine
Art Angebot, um eine Ästhetik durchzusetzen, die als Ware den
Tausch mit dem Fleisch ersetzt.
Der Asphalt glänzt im Regen und die Füße stecken in Schu¬
hen mit laut klingendem Absatz. Rosa bekleidete Serviererinnen
räumen die Kaffeetassen von der Iheke.
Die Buchhandlung hat auf. Kochbücher für fleischlose Gerichte.
Lebensberater und Romane für den Aufenthalt auf dem Lande.
Der Körper ist ein Riesenorgan für seinen Eigensinn. Auf dem
Regal vor dem Auge stehen lauter Theaterstücke.
So gerät man in den Existenzraum einer Theaterfigur. Die Rolle
heißt Nora, die eine Männerhand geschaffen hat. Sie beschrieb die
Enttäuschung über ein Frauenleben aus dem Norden. Daneben
steht ein Roman über das Frauenleben aus der französischen Pro¬
vinz. Der Körper packt sich wie einen Koffer und trägt sich weg.
Der Körper liest das Stück und den Roman. Er schlichtet die
Unterschenkel in den Türkensitz. Das Lesen dieser Rollen führt
in eine Selbstabtreibung. Eine Frau, eine Frau, eine Frau. Lieber
allein und im frostigen Freien, als von dieser Minotaurus-Norm
verschlungen zu werden.
Was soll man entgegensetzen, dem Freier die Feier des Lebens?
Männerfantasien sind Frau geworden. Der Körper geht durch
die Straße ins nächste Geschäft und kauft für den Abend Brot und
Wein. Er rechnet sich aus, wieviel es Selbstbehauptung kostet, um
die Rolle des Körpers niederzuschreiben, und aus Fleisch Wort
zu machen. Ohne Fleisch und Blut läuft eben gar nichts. Solange
die Geschlechtlichkeit existiert, scheiden sich die Geister in mit
oder ohne Kondome.
Der Körper wird in die Rolle einer Domina gedacht. Genauge¬
nommen ist das der ’Irick. Denn eine Domina wird nicht gefickt.
Sie macht den Freiern nur die Türe auf, und inszeniert ihr bestes
Stück. Das Programm steht auf der Website. Die Gedichte, las¬
sen den Körper und seine Seele zuammendenken, ohne ihn zu
zerstören. Inden Mund wird defäktiert und trotzdem bleibt alles
inszeniert. Das ist der Ausdruck für Geld.
Nutten stricken Pullover. In welchem Stück ist der Körper jetzt
denn? Er packt seine Nadeln und das Knäuel Wolle und schafft
sich hinter die Scheibe. Er hebt die Beine und winkelt die Knie.
Von draußen kann das der Mann schen. Er sicht ein entspanntes
Geschlecht, das Pause macht. Das Knäuel liegt davor und so sicht
das lesende Auge nichts von der wirklichen Geschichte. Die Nutte
strickt nach dem Muster der obszönen Werke an einem Pulli.
Lieber ist sie allein und im Freien, als ihre Kinder verschlingen zu
lassen. Dann schon lieber selber. Der Pulli ist für das Kind. Sollte
es aus seinem Labyrinth nicht hinausfinden, kann es den Pulli
auftrennen und an seinem Faden aus dem Wahnsinn hinausfin¬
den. So glaubt die Nutte an ein Entkommen durch dieses Opfer.
Jedenfalls kann der Körper hinter der Scheibe sitzen und stricken,
solange bis er die Wolle verbraucht hat. Je mehr Pulli, umso weniger
Knäuel. Dann kommt der Freier zur Masche. Die Obszönitäten
entwickeln sich parallel zur Selbstbehauptung der Frau. Dabei lügt
der Körper nicht. Er zerhackt sich, schlägt das Gedicht entzwei,
fragmentiert sich in Stücke und betrachtet die Schwungbeine des
Sessels aus der Barcelonagruppe in der Auslage eines schr teuren
Möbelgeschäftes.
Diese Möbel sind zu besitzen, kann man sie sich leisten. Dem
Freier geht es kaum anders. Mit dem Unterschied, dass sein Leben
nicht auf das Haben eines Schwungbeines hinausläuft, sondern
auf den Gebrauch ein paar gut durchbluteter Zonen, die für den
wärmenden und aus der Irre führenden Pulli geopfert werden.
Das Grauen, das Geheul, die Horde. Die Nutten stricken und
warten auf Solidaritätsidentität, Menschennachweis und Ansehen.
Der Körper landet im Bad und kommt vor dem Waschbecken
zu stehen. Die Hand legt sich auf den Knauf des Kaltwassers.
Die Finger stechen in den Strahl und leiten die Fluten über den
Handrücken. Formen Schalen aus den Handschaufeln, und führen
das geschöpfte Wasser zum Mund.
Da klingelt das Handy. Wo erwische ich dich gerade? Im Bad
und Du?
Einerseits ist der Einzelne auf die Gesellschaft angewiesen, ande¬
reseits muß er sich gegen sie behaupten.
Man könnte auch sagen, die Körper sind gut, doch die Menschen
schlecht. Daher muss man den Körper vor den Menschen schützen.
Ist das hübsch? Darf man diese Frage stellen? Selbstverständlich!
Jeder der eines Menschen ansichtig wird, stellt sich diese Frage, ob
das und das, oder das am Körper hübsch ist, oder gar gut. Dazu
gehört das Gehirn und sein Kalkül. Es lässt, wenn es klug ist, die
Frage offen oder beantwortet sie nur für sich, um so wie andere
Grenzen, nun seine Ziele zu setzen.
Heute steht der Körper in der Schlange vor der Kassa. Die Gegen¬
wart bietet ihm ein Ambiente der Normalität, solange die Sprache
im Supermarkt angesiedelt ist und Frischfleisch gekauft werden
kann, das aus dem Kühlhaus und nicht aus dem Laufhaus oder
von einem Unschuldslamm stammt. Das Kühlhaus kann auch
die Form eines Puppenheimes haben oder die Ehe als Surrogat
der Prostitution. Der Körper bezahlt auch die Frischlandeier,
das Hendelinnenfilet und seinen Diskurs um das Binnen-I. Im
Hamsterrad des Laufhauses werden derweilen die Innereien ge¬
stoßen, in manchen Fällen ausartend, bis der Arzt kommt. Bis
der Geist foltert.
Zum Beispiel den Ehemann und den Liebhaber. Das Puppen¬
heim ist teuer und der Kredit ist ein Killer, und niemand strickt
aus roter Wolle das Rezept, um aus den Schulden zu kommen.
Der Faden kann jederzeit reißen, weiterführen und leiten, sich
verknoten und sich in Schlingen um den Hals legen, man kann
aber auch auf ihm dahinbalancieren. Der Ariadnefaden ist aus
Adern gesponnen. So ein Pulli stellt eine Machtressource fürs
würdige Leben dar.
Der Blick fällt auf Kleider, die dem Körper passen. Doch sind sie
unpassend teuer für ihn. Wieder werden die Füße in die Striimp¬
fe steigen und das Nylon wird die Säulen hochgerollt und am
Strumpfgürtel festgeknipst. Der Körper schreckt zurück vor dem
eigenen Orakel. Er wohnt im Bühnenbild und auf dem Land.
Das Puppenheim ist nicht überwunden, es hat es nie gegeben
und der Körper steht selbstermächtigt als Fremdkörper auf der
Straße. Wohin in diesen Lebensumständen?