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Rudolf Jeremias Kreutz Gedichte Vaters Land und Vaterland Heide, Darauf das Blau des Himmels liegt... Ein Bröcklein Freude, Sacht eingeschmiegt Irgendeiner verlorenen Mauer Inmitten von totem Häusergewirr; Blitzendes, summendes Bienengeschwirr, Ein arbeitverbogener Bauer, Der mein Vater ist und im Gebet Vor seinen Stöcken im Wiesengold steht... MeinBerg, mein Tal, zwei Augen licht, Meiner Mutter verrunzelt Gesicht... Eine kosende, wehrende, strafende Hand: Solch Liebes, Vertrautes ist Vaters Land. Gewalt, Fremd, leer und kalt, mit Adlern, Wappen, Sternen, Leblos von einem starren Ring umkrallt: Fabriken, Werften, Schranken und Kasernen. Gleichgültig steh‘, Mit Millionen andern drein verwoben, Ich in der Ordnung, die mich Bürger heißt Und tastend späht nach meinem Wohl und Weh, Nach meinem Unten und nach meinem Oben, Indes sie ihre Weisheit preist. Sie schenkt mir Zwang, wo immer ich mich breite, Es zischt die Enge und es dröhnt die Weite Gesetze aus. Und Wappen kriechen, fahle, dumme Sterne Ins heimlichste von meinem stillen Haus... Und plötzlich zwingt mich fremde Ferne, Die mich so wenig schiert wie Odins Raben, Daß ich gesträubten Adlern nachmarschiere, Die mehrere Köpfe oder keine haben. Jetzt darf ich sterben, muss mit Wollust sterben Und hab’ die Pflicht, in sinnlosem Verderben Hurra zu schrein, Hurra... mit Herz und Hand, Hurra!!! Und da s heißt Vaterland. Den Gefallenen Ihr, die ihr schlafen gingt im Ungefähr... Ein Kreuz, ein Steinehauf bezeichnet wo und wer. Ihr, die ihr starbt — ein aufgedunsnes Wort Riß polternd euch aus Heim und Arbeit fort; Da lieft ihr heiß und willig in das Nichts, 20 ZWISCHENWELT Verwirrten, blinden, staunenden Gesichts. Weit hinten wo, von Angst und Gier umtollt, Brüllte die Phrase, und es rann das Gold. Ihr aber starbt. — Der Gräber schlichte Zier, Ein Kreuz, ein Steinehauf... sie fragen stumm: wofür ? Wiener Straßensänger Der Bursch will sanglich hoch hinaus "Trotz windverharschter Kehle, Das Mädel schaut verschüchtert aus, Und es verhaucht im Straßenbraus Sopranisch seine Seele. Dann starren beide fensterwärts: Kein Groschen regt sich und kein Herz. Weiter! Die Kleine müht sich solo jetzt Um eine holde Weise, Ihr Röcklein flattert halb zerfetzt, Und der Pullover klafft verwetzt Von strapaziöser Reise. «Dort, wo die alten Häuser stehn, dort, wo die...» Ach, es klingt nicht schön. Weiter! Ein stiller Hof umschirmt das Paar Mit trauten Klopfbalkonen. Die Stimmen schrillen sonderbar... «Hörst, nimm di zsamm!» «Warum?» «No - klar, Indem hier Gönner wohnen.» Die Selcherin vom Mezzanin wirft mild erbost zwei Nickel hin. Halt! O süße Kunst, o bittre Pein: Sie bücken sich und heben Mit fahlem Lächeln gierig ein Die Krüppeltaxe für ein Sein, Das Tod nicht schenkt, noch Leben, Der liebe Gott im Himmel weit Bedenkt’s gewiß voll Traurigkeit. Weiter...? Das Gedicht «Vaters Land und Vaterland» ist Kreutz’ Roman «Die einsame Flamme» (Berlin: Verlag Egon Fleischel & Co 1920) entnommen, die anderen Gedichte sind aus Kreutz’ Lyrikband «Ernte im Sturm» (Wiener Verlag 1946).