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ltzig Manger Übersetzt von Anna Esther Steinbaum nach dem Original in: Itzig Manger: Lid un Balade. New York 1952 Vagabunden Sie schlafen in den Gärten und sind heilig. Mit jener Heiligkeit von sternenlosen Nächten. Der Wind kann sie zuweilen hören im Schlafe reden. Dann weiß er: Heilig. Sie bewahren ihre Heimat in den Träumen und lieben sie mit jener großen Liebe, die in Sandalen geht durch Herbstnächte trübe und die Lehmhütten mit Gold umsäumt. Sie sind per du mit Wolken und Regen und sind vertraut wie alte Freunde mit allen geraden und krummen Wegen. Wenn sie traurig werden, singen sie die Lieder und die schönen herbstlichen Balladen von Itzig Manger, oh getreue Kameraden! Auf dem Bahnhof in Kolomea Auf dem Bahnhof in Kolomea unter vielen Leuten stehen zwei Schatten tief gebeugt, meine Großeltern beide. Verstreutes Nachklang zur Bundespräsidentenwahl. — Auf dem Friedhof des Tiroler Dorfes Gnadenwald findet sich ein Denkmal für die in den beiden Weltkriegen Gefallenen, auf dem nicht von Helden die Rede ist. Über einer wuchtigen Statue der Maria, die das Jesuskind im Arm wiegt, steht geschrieben: „Maria, Königin des Friedens, bitt für uns.“ Andere bedürfen anscheinend keiner Fürbitte, sie haben ein unmittelbares Verhältnis zur Gottheit und erwarten selbstbewußt ihren Beistand. Oder sie wollen einfach zum Ausdruck bringen, daß sie im Unterschied zu den bösen Agnostikern und Atheisten „Gottgläubige“ sind. Wenn der Kandidat Norbert Hofer „So wahr mir Gott helfe“ plakatieren ließ, rief er damit wohl jenen „Gott“ an, der als Dienststellenleiter des Amtes Vorsehung über allen anderen Dienststellen thront. „Gottgläubigkeit“ 22 _ ZWISCHENWELT Sagt der Großvater: „Scheindel, hör’ zu,“ und seine Augen brennen, „unser Enkel kommt heute zu Gast, wie wollen wir ihn erkennen? Als unsre Tochter an seiner Wiege saß, sind wir beide schon gelegen unterm Rasen, unterm Wind an der andern Seite des Weges.“ Großmutter lächelt, in ihrer Hand zittert ein Sträußchen Blumen. Brummt der Großvater: „Bist du eine Kuh? Wozu hast du das mitgenommen?“ Sagt darauf die alte Frau: „Itzig, mein Herz, du sollst wissen, Es ist Mode in heutiger Zeit mit Blumen den Gast zu begrüßen.“ Sie schweigen, eine Lokomotive kreischt. „Kommt er? Wird er kommen?“ und in Großmutters dürren Händen zittert das Sträußchen Blumen. „Unser Enkel, sagen die Leur‘, der ist ein Meister im Reimen. In seinen Liedern hört man seiner Mutter Seele weinen.“ Großmutter hat sich abgewandt, von ihrem Schmerz überkommen. Sie weint, und es zittern leise mit in ihren Händen die Blumen. war schon seinerzeit erwünscht — als strammes Bekenntnis zur schicksalhaften Unterworfenheit, zur ontologischen Abhängigkeit des Individuums. Kein konkreter Gott mit einer langen, rätselhaften Geschichte sollte das sein, sondern ein rundumerneuerter, höchstens noch ein arisiert neutestamentlicher. Manche spekulierten, an die Stelle des Alten Testamentes die germanische Mythologie zu setzen mit dem Lichtgott Siegfried statt der Juden Moses mit seinen lästigen Geboten oder Johannes des Täufers. Mit dem Christentum unvereinbar, aber gewiß ein Bekenntnis zur „deutschen Kultur“. Beobachten wir diese Angelegenheit in der Gegenwart weiter. In dem erwähnten Dorf Gnadenwald hat übrigens eine Mehrheit für Alexander Van der Bellen gestimmt.