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Alexander Emanuely Am 7. Oktober 2016 starb Felix de Mendelssohn, nur knapp eine Woche bevor ZW mit einigen seiner Gedichte erschienen ist, in Wien. Und nur einige Wochen, nachdem wir uns im Cafe Rathaus zum letzten Mal getroffen hatten, um bei Melange und Cremeschnitte über Iheodor Kramer, Klabund, Hugo Mondberg und den Bibliotheksgroschen zu plaudern. Es lag Felix de Mendelssohn viel an der Publikation seiner Gedichte. Nicht, dass er nicht schon viel publiziert hätte — seine psychoanalytischen Schriften prägen seit Jahrzehnten die Lektüre all jener, die sich mit diesem 'Ihema beschäftigen wollen —, doch Lyrik war noch nicht erschienen, jedenfalls nicht unter seinem bürgerlichen Namen. Dabei schrieb er seit vielen Jahrzehnten Gedichte. Nur sind sie in bester Manier eines Fernando Pessoa unter einem Heteronym publiziert worden. Felix de Mendelssohns Alter ego hieß Hugo Mondberg. Dieser war mehr als nur Signatur. Er war ein „lateinamerikanischer Dichter, allerdings weder hiesig noch auf Durchreise“, wie es in „Erinnerungen an Hugo Mondberg“ heißt. Felix de Mendelssohn hatte mir seine kurze Erzählung, verfasst 2010, im Cafe Rathaus übergeben, damit ich wisse, dass es ihn als Poeten schon längst gab, dass die Gedichte für ZW nicht Anfängerübung seien, sondern Ergebnis langer, entspannt konzentrierter Arbeit an Sprache und Traum. Seit dem Jahr 2000 kamen vier Hefte in kleiner Auflage heraus in einem — wohl beflügeltem Wunschdenken entstiegenen — Verlag namens ,,Pegasus Press Vienna“. Diese Hefte bilden das Werk von Hugo Mondberg. Drei der Hefte beinhalten „nachrichten aus evchthon‘“, eine „Art Sci-Fi Epos der Wiener Lokalliteratur und zugleich eine lyrische Disquisition über das Moralphilosophische“, entstanden zwischen 1994 und 2005. In den „Erinnerungen an Hugo Mondberg“, welche als Begleitwort zu den „nachrichten“ gedacht waren, heißt es: Das vorliegende Manuskript, die Nachrichten aus Evchthon, entdeckte ich in einem Rucksack mit schmutziger Unterwäsche, den er bei mir vergessen hatte. Wieso, frage ich mich, hatte er über zwölf Jahre lang daran gearbeitet? Vielleicht wollte er auf diese Weise die zeitlichen Veränderungen seines phantastischen Szenarios getreu widerspiegeln? Verstreutes Vormarsch der Rinder. - Fine der letzten Bastionen logischen Denkens, die österreichische Speisekarte, steht vor dem Fall. An die Stelle des Schweinsbratens rückt der Schweinebraten, und auch der Rinderbraten macht sich Dudenkonform breit. Als bedürfte es nicht eines geschlachteten Schweines, um einen Braten zu fabrizieren, sondern gleich mehrerer Schweine. 58 _ ZWISCHENWELT Vermutlich hatte er auch daneben zuviele andere Beschäftigungen. Er erzählte mir einmal, er würde an einem pornographisch-philosophischen Krimi schreiben, in dem er seine Erlebnisse beim Stamm der Dogon im südlichen Malı einzuarbeiten hoffte. Das vierte Heft hat den Titel „oasen und chimäre. 27 sonette“, entstanden um 1993. Aus diesem hat Felix de Mendelssohn auch zitiert, z.B. um seinen Fachaufsatz „Gruppenpsychoanalyse und psychoanalytische Therapie im Gruppensetting — ein ‚kleiner‘ Unterschied?“ einzuleiten. Da heißt es: die gruppe ist wer wir sind— es ist nicht ersichtlich wozu Felix de Mendelssohn fällt auch ein Urteil über den Dichter Hugo Mondberg, welches lautet: Ob seine Dichtungen etwas taugen, will ich hier gar nicht in Erwägung ziehen. Es ist als Mensch und Freund, dass ich ihn schätzen gelernt habe. Zugegebenermafsen hat er es mir dabei nicht leicht gemacht — 20.000 Schilling von mir ausgeborgt und nie zurückgegeben, mit meiner damaligen Ehefrau geschlafen, meiner geliebten Katze Fanny eine starke Dosis Meskalin verabreicht (wüster, tragischer Ausgang) und meine Kawasaki 125 zu Schrott gefahren. Die beiden scheinen es jedenfalls sehr lustig miteinander gehabt zu haben. Wenn man diese Zeilen, die eigentlich eine Selbstbeschreibung sind, liest, verfällt man leicht der psychoanalytischen Theorie, dass Hugo Mondberg wahrscheinlich Felix de Mendelssohns „Es“ gewesen sein muss. Vielleicht stellt für diesen die Literatur, das Erzählen, das Dichten die Ausdrucksform des „Es“, mitunter eine, freudianisch formuliert, „gefährliche Triebregung“ dar. Dies könnte natürlich einigen Aufschluss über Felix de Mendelssohns Eltern liefern, die SchriftstellerInnen Hilde Spiel und Peter de Mendelssohn. In diesem Zusammenhang wohl ebenfalls aufschlussreich ist die Beschreibung von Hugo Mondbergs Eltern: Der Vater Eduard sei ein Dirigent aus Wien, der 1938 nach Rosario, Argentinien, flüchten konnte, wo er Buchhalter in einer Konservenfabrik wurde, und seine Mutter eine Indio-Frau. Beide konnten kaum Spanisch, weshalb der Vater Quechua lernte. Doch führen diese Überlegungen Doch entbehrt Rinderbraten nicht ganz der Logik - kann man sich doch die Allgemeinheit des Rinds leichter mit einer Vielzahl von Rindern vorstellen. Und es irritiert das Feingefühl in geringerem Maße, wenn man sich beim Fleischverzehr nicht ein besonderes Schwein, sondern bloß Schweine überhaupt vorstellen muß. Mein den Zeitläuften gemäßer Vorschlag lautet also: weit weg und aus dem Cafe Rathaus hinaus... Dorthin hinaus, wo vielleicht Hugo Mondberg, der überall zu scheitern scheint, nun lebt, Felix de Mendelssohn zufolge entweder in einer einsamen Hütte in Irland, das Werk des Dichters Mathghamhain Ö hlfearnäin übersetzend, oder in Kopenhagen, mit einer ’Iranssexuellen liiert. Wie dem auch sei, diese Biografien erklären mir zumindest, wieso Felix de Mendelssohn immer ein schönes graues, bunt verziertes TweedSakko anhatte, als wäre er nicht Professor an der Sigmund Freud-Privatuniversität gewesen, sondern am King’s College in Cambridge, und einen Gaucho-Hut trug, der wohl wirklich in Rosario gefertigt worden ist. Ein abenteuerlicher und ungewöhnlicher Auftritt war jener von Felix de Mendelssohn. Und weil das alles weiterhin nach phantastischen Szenarios klingt, kann und will ich es noch immer nicht wahrhaben, dass Felix de Mendelssohn nicht mehr ins Cafe Rathaus kommen wird. Außer das Lustprinzip nimmt Rache am Realitätsprinzip — gern glaube ich an seinen bzw. Hugo Mondbergs „Traum“, einem Gedicht aus „oasen und chimären“, wo es, dass uns der Stachel des Todes genommen werde, heißt: bin ich nicht der regisseur? sind das alles meine leute meine gäste die ich brauche um mein projekt mit mir zu verwirklichen? Statt Landsfrau soll es von nun an Länderfrau, statt Mordskerl Mordekerl heißen. Geringer Trost: Im Zeichen der Regionalität setzt sich der aus dem Französischen übersetzte Erdapfel (pomme de terre) gegen die aus dem Lateinischen und Italienischen kommenden Kartoffel mehr und mehr durch.