wünschen übrig läßt“”?. Spannend war, dass sie programmatische
Ausstellungen veranstalteten wie Das Bild im Raum (1929), Wie
sieht die Frau? anlässlich des in Wien tagenden Internationalen
Frauenkongresses 1930 oder Die Schöne Wand (1933), in denen
die vielen Kunsthandwerkerinnen in die Rolle von Innenarchitek¬
tinnen oder Designerinnen schlüpften oder überhaupt die Raum¬
gestaltung einer Architektin, nämlich Liane Zimbler, überließen.”
Neben diesen Künstlerinnenvereinen waren es auch berufsbezo¬
gene Frauenvereinigungen, wie der 1929 gegründete „Soroptimist
Klub“ oder die 1931 konstituierte „Internationale Vereinigung
berufstätiger Frauen“, in denen führende Repräsentantinnen aus
den diversen Berufsgruppen vertreten waren; dies sollte, betreffend
die Emigration vieler der darin organisierten jüdischen Frau¬
en, überlebenswichtig werden.‘ Den Soroptimistinnen standen
als Präsidentin die Ärztin Wilhelmine Löwenstein-Brill und als
Vizepräsidentin die Anwältin Marianne Beth sowie die Kinder¬
psychologin Charlotte Bühler vor, unter den Kulturschaffenden
jüdischer Herkunft waren Alice Schalek, Rose Silberer, Liane
Zimbler, Sascha Kronburg-Roden, die auch das Logo entwarf,
und die Ausdruckstänzerin Gertrude Bodenwieser vertreten. Für
die „Internationale Vereinigung berufstätiger Frauen“, die 1931
einen großen Kongress in Wien abhielt, organisierten die Archi¬
tektinnen Liane Zimbler, Kitty Speyer sowie die Kunsthistorikerin
Else Hofmann zeitgleich eine vielbeachtete Ausstellung in der
Secession unter dem Titel Die schaffende Österreicherin, Werk und
Bild. Diese um 1930 entstandenen Vereinigungen stehen für das
genannte Selbstverständnis der berufstätigen, meist intellektuellen
Frauen, die ihre Position im Berufsleben sowie ihre Rechte in der
Gesellschaft einforderten.
1938 wurden alle Vereine gleichgeschaltet, die „Wiener Frauen¬
kunst“ wurde aufgelöst und alle nun „arischen“ Künstlerinnen in
den „Kunstverband Wiener Frauen“ (1941 umbenannt in „Ver¬
einigung bildender Künstlerinnen der Reichsgaue der Ostmark“)
eingegliedert, der unter der kommissarischen Leitung der Malerin
Sophie Noske-Sander stand. Unter ihrer Ägide veranstalteten die
Künstlerinnen fortan propagandistische Ausstellungen. Interessant
ist das Argument, das der Stillhaltekommissar am 21. April 1938
für die Auflösung des „Soroptimist Klubs“ vorbrachte: „Da die
Mitglieder nur Frauen sind, darf sicher angenommen werden,
dass es sich in diesem Falle um eine homosexuelle Angelegenheit
handelt.“ Ein dereinst freier Zusammenschluss von intellek¬
tuellen, engagierten, mehrheitlich jüdischen Frauen wurde mit
dem Clich des Widernatürlichen belegt, diffamiert. Weil er dem
NS-Frauenbild widersprach, vergriff man sich am Geschlecht.
1939 wurde der Verein aufgelöst.
Die massive Verfolgung und Vertreibung von Künstlerinnen
jüdischer Herkunft, die Auflösung aller frauenspezifischer Vereins¬
und Ausbildungsstrukturen erzeugte einen tiefgreifenden Bruch
und Einschnitt in einer erfolgreichen Entwicklung fortschrittlicher,
liberaler Kunst von Frauen, an die nach 1945 nicht anzuknüpfen
war, weil alle Spuren und Erinnerungen an sie nachhaltig zerstört
worden waren.
Sabine Plakolm-Forsthuber, geb. 1959 in Salzburg. Studium
der Fächer Kunstgeschichte und Italienisch in Wien und Perugia,
Promotion 1986, Habilitation 2000. Dozentin am Institut für Kunst¬
geschichte an der Technischen Universität Wien. Wichtige Publikati¬
onen: Künstlerinnen in Österreich 1897-1938, Wien: Picus 1994.
Zuletzt erschienen: Florentiner Frauenklöster von der Renaissance
bis zur Gegenreformation, Petersberg: Imhof 2009. Schulbau in
Österreich 1996-2011. Wege in die Zukunft (mit C. Jäger-Klein),
Wien/Graz: NWV 2012. Die Stadt außerhalb. Zur Architektur der
ehemaligen Niederösterreichischen Landes-Heil- und Pflegeanstalten
für Geistes- und Nervenkranke Am Steinhof in Wien (mit C. Jäger¬
Klein), Basel: Birkhäuser 2015.
1 Elisabeth Gotthard: Die schaffende Frau, in: Profil, Bd.1, H. 4 (1933), 110.
2 „Im Kontext des misogynen und antisemitisch geprägten Klimas im Wien
der Jahrhundertwende wurden Jüdinnen sowohl durch ihr Geschlecht als
auch durch ihre jüdische Herkunft Diskriminierungen ausgesetzt, wobei von
Interesse ist, in welchen Fällen sich ihre geschlechtliche und wann sich ihre
ethnische Herkunft zum bestimmenden Moment entwickelte.“ Vgl. Micaela
Raggam-Blesch: „Being different where being different was definitely not
good“. Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien, in: Frank Stern
/ Barbara Eichinger (Hg.), Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938.
Akkulturation — Antisemitismus — Zionismus, Wien 2009, 262.
3 Maya Balakirsky Katz: Portraits from Vienna. The rabbinical subject and
the female artist, in: Journal of Modern Jewish Studies, Vol. 15, no.1, March
2016, 47-64.
4 Jackie Wullschlager: People of the brush: Ben Uri Gallery’s centenary
exhibition. What is ‚Jewish Art‘? Can work be defined by race or religion,
in: Financial Times vom 3. Juli 2015.
5 Sabine Forsthuber: Vom Ende der Wiener Frauenakademie in der NS-Zeit,
in: Hans Seiger / Michael Lunardi / Peter Josef Populorum (Hg.): Im Reich
der Kunst. Die Wiener Akademie der bildenden Künste und die faschistische
Kunstpolitik, Wien 1990, 217-246.
6 Brief des kommissarischen Leiters der Akademie der bildenden Künste an
Dr. Kajetan Mühlmann vom 10. Dezember 1938, in: Archiv der Akademie
der bildenden Künste Wien, Zl. 1270/1938.
7 Iris Meder: Lilly Steiner und der Loos-Kreis in Paris, in: Andrea Winkelbauer
(Hg.): Moderne auf der Flucht. Österreichische KünstlerInnen in Frankreich
1938-1945, Ausstellungskatalog, Jüdisches Museum, Wien 2008, 113-127.
8 Nachlass Ilse Twardowski-Conrat (22. April 1937), Stadtarchiv München.
9 Sabine Plakolm-Forsthuber: Zur Emigration bildender Künstlerinnen aus
Österreich, in: Zwischenwelt. Frauen im Exil, Hg. von Siglinde Bolbecher,
Klagenfurt 2007, 51-75.
10 Kathrin Umbach: Die Malweiber von Paris. Deutsche Künstlerinnen
im Aufbruch, Berlin 2015.
11 Brief von Helene von Taussig an Cuno Amiet vom Oktober 1911, in:
Nikolaus Schaffer (Hg.): Helene von Taussig (1879-1942). Die gerette¬
ten Bilder, Ausstellungskatalog, Salzburger Museum Carolino Augusteum,
Salzburg 2002, 13.
12 O.A.: Ausstellung einer österreichischen Künstlerin in Paris, in: Wiener
Sonn- und Montags-Zeitung vom 7. Janner 1929, 3. — Sabine Hiitter: He¬
lene von Taussig und ihr künstlerischer Umkreis, Dipl. Arbeit phil. (Ms.),
Wien 2005, 71.
13 Neues Wiener Journal, 20. Juni 1907, 8. — Hermann Dahl: Osterrei¬
chische Künstler in Paris, in: Neue Freie Presse vom 18. Februar 1907, 3.
14 Stefan Zweig: Die Welt von Gestern, Berlin 32014, 372.
15 O. A.: Erfolge einer Wiener Künstlerin in Amerika, in: Das Wort der
Frau vom 9. August 1931, 3.- O. A.: Eine österreichische Künstlerin macht
in Amerika Schule, in: Moderne Welt, 12. Jg., H. 3, (1931) .- O.L.: Vally
Wieselthiers Ausstellung in New York, in: Deutsche Kunst und Dekorati¬
on, 32. Jg., H. 5 (1929), 39-43. — Marianne Hörmann: Vally Wieselthier,
1895-1945, Wien-Köln-Weimar 1999, 33-47.
16 Kerstin Jesse: „Außerordentliche“ Frauen im Hagenbund. Künstlerinnen
und ihre Netzwerke, in: Agnes Husslein-Arco / Matthias Boeckl / Harald
Krejci: Hagenbund. Ein europäisches Netzwerk der Moderne 1900-1938,
Ausstellungskatalog, Unteres Belvedere, Wien 2014/15, Wien 2014, 357-366.
17 Julie M. Johnson: Schminke und Frauenkunst, in: Die Frauen der Wie¬
ner Moderne, Hg. von Lisa Fischer und Emil Brix, Wien 1997, 167-178.
18 K.R.: Ausstellungen, Wien, in: Der Cicerone, 3. Jg. (1911), 29-30.
19 Sabine Plakolm-Forsthuber: Künstlerinnen in Österreich 1897-1938.
Malerei, Plastik, Architektur, Wien 1994, 63-86.