Eva Brenner
In memoriam Hedwig Brenner
Siglinde Bolbechers Wort von der „Weltfabrik“ beschreibt die
Rolle, die Hedwig Brenner in ihrer bescheidenen Behausung in
Haifa tatsächlich gespielt hat. Hedwig Brenner war eine jener
Persönlichkeiten des gebildeten, künstlerisch versierten jüdischen
Bürgertums, die eine Zeit und Kultur repräsentierten, die un¬
wiederbringlich dahin ist! Wer das Privileg hatte, Menschen aus
dieser Zeit noch gekannt zu haben, kann sich glücklich schätzen.
Hedy war deutschsprachige Jüdin, Autorin, Mutter, Ehefrau,
lexikalische Sammlerin, Netzwerkerin — und eine exzellente Gast¬
geberin. In ihrer kleinen Wohnung voller Bücher, Akten, Fotos und
Manuskripte in der Abba Hillel Silver Street aufden Hügeln über
Haifa hieß sie BesucherInnen aus aller Welt willkommen. Jeder,
der sich in ihren Umkreis verirrte, kam immer wieder, diskutierte
mit ihr, besuchte mit ihr die Stadt, ging zu Lesungen, kommu¬
nizierte mit ihr quer über den Erdball — über E-Mail und Skype.
Für mich war Hedy Brenner das, was man einen „Mentsch“
nennt, eine mütterliche Freundin. Sie erlebte Krieg, Diskriminie¬
rung, Ghetto, die Deportation von Freunden und Verwandten und
kam selbst mit viel Glück davon. Ihr Schicksal und ihre Liebe zur
Heimatstadt beschrieb sie Jahrzehnte später u.a. in Mein zwan¬
zigstes Jahrhundert (2006) und in Mein altes Czernowitz (2010).
Erst 1982 konnte sie nach 130 Ausreiseanträgen mit ihrem Mann
Gottfried und zwei Söhnen Rumänien verlassen.
Ich traf Hedy Brenner erstmals 2006 in Wien im Literaturhaus,
als sie ihr Erinnerungs-Buch vorstellte. Sie war nicht zum ersten
Mal in Wien und kam auch danach fast jährlich hierher zurück,
um aus neuen Werken zu lesen und mit ihrem stets anwachsenden
Kreis von Freunden und Bewunderern — darunter erstaunlich
Er unterstützte sie auf vielen Reisen bei ihren vielfältigen Unter¬
nehmungen, übersetzte für sie, pflegte gemeinsame Kontakte und
hielt ihr, die damals bereits weit über 80 war und ein unglaub¬
liches Tagesprogramm absolvierte, einfach den Rücken frei. In
Gesellschaft von Hedy war auch Judith Kalbeck, Wiener Freundin
und Gastgeberin der Weltreisenden aus Haifa, die damals in der
noblen Sieveringer Kalbeck-Villa logierte. Wie Paul Brenner ist
auch Judith Kalbeck wenige Jahre darauf verfrüht verstorben.
Am Ende ihrer Lesung ging ich spontan hinauf zum Podium
und stellte mich vor — von Brenner zu Brenner. Natürlich war
die Chance, dass ich in irgendeiner Weise mit Hedwig Brenner
verwandt sein könnte, abwegig. Dennoch, suchte ich nicht seit
Jahren vergeblich verlässliche Spuren meines jüdischen Urgro߬
vaters Jakob Brenner, dessen Geburtsort ein kleines Dorf nahe
Krakau war? Hedy war umringt von ihrem Fanclub, zeigte sich
jedoch schr interessiert und gesprächsbereit. Sie schenkte mir
ihr Buch und lud mich ebenso spontan zu einer geselligen Zu¬
sammenkunft von Freunden und Bekannten in den Garten der
Kalbeckschen Villa einige Tage später ein. Sie teilte mir zudem
mit, dass die Vorfahren ihres verstorbenen Mannes Gottfried
Brenner aus derselben Gegend wie mein Urgroßvater stammten
- aus Galizien.
An diesem Tag begann eine außergewöhnliche Freundschaft! Sie
schlug sich in einigen Besuchen in Israel nieder, in Teilnahmen
an Lesungen, Diskussionen und Ausstellungen ihrer zahlreichen
internationalen FreundInnen sowie in Einladungen, ihre Bücher
bei uns im Experimentaltheater FLEISCHEREI in Wien vor¬
zustellen. Ich schrieb einige Artikel über sie und ihr Werk und