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Martin Krist So lautet die Schlagzeile eines Artikels in der bz/Wiener Bezirkszeitung vom 5./6. Juli 2017, die wohl eher als Werbeeinschaltung zu betrachten ist und für den Besuch der Seegrotte Hinterbrühl wirbt. Mit einem Boot kann diese größte unterirdische Seegrotte Europas befahren werden. Im Artikel befindet sich auch ein Satz, der auf die NS-Terrorzeit Bezug nimmt: „Während des Zweiten Weltkrieges wurde in der Seegrotte von der deutschen Wehrmacht eine Flugzeugfabrik errichtet.“ Dieser Satz ist nicht nur inhaltlich falsch, sondern stellt eine Geschichtsverharmlosung, wenn nicht Geschichtslüge dar. Nicht die deutsche Wehrmacht, sondern die SS im Auftrag der Firma Ernst Heinkel AG errichtete in und bei der Seegrotte eine Produktionsstatte — ein Außenlager des KZ Mauthausen. Die deutsche Rüstungsindustrie war im Kriegsverlaufdurch den Bombenkrieg der Alliierten verstärkt gezwungen, ihre Produktion in unterirdische Anlagen zu verlegen — so auch die Ernst Heinkel AG. Wegen schwerer Luftangriffe im April und Juli 1944 auf ihren Schwechater Betrieb, der „KZ-Häftlinge“ im KZ-Nebenlager Schwechat ausbeutete, verlegte dieser die Produktion an fünf Standorte im damaligen Reichsgau Groß-Wien. Das zahlenmäßig größte dieser KZ-Nebenlager entstand bei und in der Seegrotte Hinterbrühl. Diese wurde zu diesem Zweck leergepumpt, um eine unterirdische Fabrik für die Flugzeugproduktion einzurichten. Die zentrale Verwaltung aller fünf KZ-Lager befand sich anfangs in der Hopfengasse im Stadtteil Jedlesce, am Gelände der MautnerMarkhof’schen Bierbrauerei in Wien-Floridsdorf. Am 13. Juli 1944 erfolgte die Verlegung des KZ-Nebenlagers Schwechat nach Jedlesee. 1.993 „KZ-Häftlinge“ befanden sich kurze Zeit in der Hopfengasse, che sie zum Teil auf die weiteren Standorte der Firma Heinkel AG in Groß-Wien verteilt wurden. Die meisten kamen ins KZ Hinterbrühl. Dort wurden Teile für Sabine Plakolm-Forsthuber Anis re ee Fe Earl RT ei _ 5 x Noch ist die Seegrotte Hinterbrühl ein touristisches Ziel im „Hakenkreuzschmuck“. Ab September 1944 sind Hunderte „KZ-Häftlinge“ im KZ-Außenlager Hinterbrühl in der leergepumpten Grotte zur Sklavenarbeit eingesetzt. Sie stellen für die Firma Heinkel AG Teile des Düsenjägers HE162 her. Foto: Sammlung Martin Krist den Düsenjäger HE162 produziert. Wie hoch die Erwartungen der Firmenleitung der Ernst Heinkel AG dabei waren, spiegelt sich in der Anzahl der dort ausgebeuteten Sklavenarbeiter wider. Am 8. März 1945 wurde der Höchststand mit 2.750 „KZ-Häftlingen“ erreicht. Knapp vor Beginn des Todesmarsches der Häftlinge Richtung KZ Mauthausen ermordete die SS 50 kranke und marschunfähige Menschen. Mindestens weitere 204 überlebten den Todesmarsch nicht. All dies erfahren die LeserInnen der bz/Wiener Bezirkszeitung nicht. Und bloß den Zweiten Weltkrieg zu erwähnen, ohne auf den Nationalsozialismus und seine menschenverachtenden Auswirkungen zu verweisen, ist schlicht Geschichtsverharmlosung. Jeder Wiener Haushalt wird mit dieser Zeitung beglückt. In den Jahren 1970-1977 schuf Trude Waehner vier Holzschnittfolgen, die überwiegend politische Ereignisse der jüngeren Zeitgeschichte zum Thema haben. Das Besondere daran ist, dass sie diese politischen Stellungnahmen mit ihrer persönlichen Erfahrung und Weltanschauung verbindet. Die vier Zyklen sind ebensoschr Tendenz- wie auch Bekenntniskunst. Waehners Interesse am Holzschnitt dürfte der mit ihr befreundete Mathematiker Karl Menger (1902 — 1985), ein Mitglied des Wiener Kreises, geweckt haben. Menger war vermutlich während seiner Assistententätigkeit in Amsterdam (1925-27) auf die Holzschnittfolgen des belgischen Grafikers Frans Masereel aufmerksam geworden. Er überbrachte der jungen Künstlerin die ersten illustrierten Bücher. Masereels „dramatische Holzdrucke“ begeisterten beide gleichermaßen.! Schon während ihrer Ausbildung an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien sowie 12 ZWISCHENWELT ab 1928 am Bauhaus machte sich Waehner mit der Technik des Holzdruckes vertraut. Was den Holzschnitt gegenüber Druckverfahren wie Radierung oder Lithografie auszeichnet, ist die konzentrierte Reduktion und gröbere Ausarbeitung. Es verwundert daher nicht, dass sich die Künstler des Expressionismus zur Darstellung ausdrucksstarker Szenen gerne des Holzschnittes bedienten. Während das Medium nach 1945 nur vereinzelt aufgegriffen wurde, erfuhr es in jüngerer Zeit durch Anselm Kiefer ein Revival. Seine Holzschnitte haben die deutsche Geschichte und Mythologie zum Thema und zeigen, dass das Verfahren eine nahezu monumentale Dimension erlaubt. Warum Waehner um 1970, also in vorgerücktem Alter, diese Technik wieder aufgriff, mag in der Hauptsache zwei Griinde haben. Der erste geht auf Venedig als ihrem neuen Lebensmittelpunkt zuriick. Nachdem sie gezwungen war, ihr Domizil im