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14 Freundliche Auskunft von Gustav Szekely.

15 Vgl. Ernst Papanck: Pädagogische und therapeutische Arbeit: Kinder
mit Verfolgungs-, Flucht- und Exilerfahrungen während der NS-Zeit. Hg.
von Inge Hansen-Schaberg, Hanna Papanek und Gabriele Rühl-Nawab.
Wien, Köln, Graz: Böhlau 2015. Shannon L. Fogg: The Politics of Everyday
Life in Vichy France: Foreigners, Undesirables, and Strangers. New York:
Cambridge University Press 2009, 160.

16 Otto Pohl, geboren 1872 in Prag, war sozialistischer Journalist und
österreichischer Gesandter in Moskau, der 1920-22 die Kriegsgefangenen¬
Repatriierungskommission leitete und zusammen mit Lotte Schwarz 1929-34
die „Moskauer Rundschau“ leitete. 1937 war er mit Grete Schwarz-Kalberg
nach Paris emigriert und 1940 nach Südfrankreich geflüchtet, wo sie sich das
Leben nahmen. Pohl fertige auch diverse antifaschistische Karikaturen an, die
aus dem Nachlass Waehners dem Österreichischen Staatsarchiv übergeben

Georg B. Deutsch

wurden. http://www.oesta.gv.at/site/cob__19674/currentpage__0/6644/
default.asp

x (Zugriff 27.2.2017).

17 Brief von Lotte Schwarz an Trude Waehner, Chäteau de Chaumont bei
Mainsat, 26. Juli 1940, ÖLA 244/B173a.

18 „Lotte hat es in der Tätigkeit, die sie sich so schr gewünscht hat, recht
schwer. Direktorin eines Heims von hundert jüdischen Emigrantenkindern,
hat sie gegen den bösartigen Widerstand einer Gruppe schlecht erzogener
und schwer erziehbarer Kinder aufzukommen, wie sie im jüdischen Klein¬
bürgermilieu nur allzu häufig sind. Hoffentlich hat sie die Kraft damit fertig
zu werden.“ Brief von Otto Pohl an Trude Waehner. Vaison-la-Romaine
(Vaucluse), 14. März 1940, ÖLA 244/B157.

19 http://sammlungenonline.albertina.at (Zugriff 27.2.2017).

Trude Waehner, Una cosa sola, Autobiografie, 1976 (Unpubl. Typoskript),
Österreichisches Literaturarchiv (ÖLA), 244/W12.

Vortrag gehalten am 19. April 2016 bei einer Veranstaltung der
Österreichischen Gesellschaft für Literatur (ÖGfL) im Jüdischen
Museum Wien anlässlich der 40. Wiederkehr des Todestages von
Soma Morgenstern und der Anbringung einer Gedenktafelam Haus
Belvederegasse 10, dem letzten Wohnort in Wien. — Vel. den Bericht
in ZW Nr. 1/2016, S. 87.

Lange unbekannt

Es ist heute fast genau 40 Jahre her, dass der in der heutigen Uk¬
raine geborene amerikanische Staatsbiirger Soma Morgenstern
in New York (am 17. April 1976) gestorben ist. Sein Tod, der
Tod dieses ehemaligen Österreichers, wurde 1976 in der Stadt,
in der er lange zuhause gewesen war, nicht wahrgenommen. In
New Yorker Zeitungen erschienen einige Nachrufe, in Europa ein
einziger, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in Österreich
nichts. Obwohl von ihm nur zwölf Jahre zuvor, 1964, in einem
Wiener Verlag noch ein Buch erschienen ist!, war er bei seinem
Ableben hier in Wien ein weitestgehend unbekannter Schriftsteller.

Das ist er auch noch etwa weitere zwanzig Jahre geblieben, bis
ab Mitte der 90er Jahre sein gesamtes CEuvre publiziert wurde.
Ein deutscher Forscher? stieß bei seinen Recherchen über Wal¬
ter Benjamin in New York auf den Nachlass Morgensterns und
verbrachte die nächsten Jahre damit, sein Werk herauszugeben,
zu einem großen Teil Erstveröffentlichungen.

In den darauffolgenden Jahren wurden Soma Morgensterns
Bücher recht bekannt, oft besprochen; die Sekundärliteratur, die
sich mit seinem Werk beschäftigt, umfasst inzwischen etwa 150
Arbeiten. Es gab auch zahlreiche Veranstaltungen, Lesungen,
Vorträge, Symposien, Ausstellungen, die sich mit Morgenstern
beschäftigten, doch mit nur wenigen Ausnahmen fanden die¬
se nicht in seiner ehemaligen Heimat statt sondern andernorts,
meist in Deutschland, vielfach auch in Frankreich.‘ Auch ist das
Werk von Morgenstern mit Unterstützung der öffentlichen Hand
Deutschlands veröffentlicht worden. Österreichische Instanzen
waren dazu nicht bereit gewesen.

Dass Soma Morgenstern hier also relativ wenig intensiv rezipiert
wurde, wäre vielleicht bei einem Amerikaner, der bei Ternopil
(Westukraine) aufgewachsen ist, längere Zeit in Paris verbracht und

16 _ZWISCHENWELT

seine letzten fünfunddreißig Jahre in den USA gelebt hat, nicht
so bemerkenswert. Zwischen Galizien und den USA verbrachte
er nicht viel mehr als 20 Jahre in Wien. Doch waren diese Jahre
entscheidend für die Person und sein Werk.

Biographie

Soma Morgenstern wurde 1890 als Salomon Morgenstern in einem
kleinen ostgalizischen Dorf geboren. Seine religiöse, jiddisch¬
sprachige Familie wohnte dort nicht in einem Schtetl, sondern
auf dem Land; er wuchs unter ukrainischen Dorfkindern auf.
Den Besuch an der weltlichen, polnischen Mittelschule hatte der
religiöse Vater nur widerwillig akzeptiert, aber der Vater selber
war es, der dafür sorgte, dass seine Kinder mit einem Hauslchrer
auch früh Deutsch lernten, denn nur so, meinte er, finde man
Anschluss an die Kultur.

Für den jungen Morgenstern, der eine Vorliebe für das Iheater
in Lemberg entwickelt hatte und von einer Karriere als Theaterkri¬
tiker träumte, war es klar, dass er in die Hauptstadt, nach Wien,
wollte, um auf Deutsch zu schreiben, einer Sprache, die bis zu
seiner Übersiedlung nach Wien nach seiner polnischen Matura
niemals seine Umgangssprache gewesen war.

1912 zieht er nach Wien, wo er — mit Unterbrechungen - bis
zu seiner Flucht vor den Nazis 1938 wohnt. Er studiert Jus, wozu
ersich aufgrund einer Abmachung mit seinem verstorbenen Vater
verpflichtet fühlt, verdient sein Geld mit Nachhilfeunterricht
und macht daneben seine ersten schriftstellerischen Schritte mit
einer Übersetzung eines Theaterstückes aus dem Polnischen ins
Deutsche.’ Seine Ambition, nicht Theaterkritiker, sondern The¬
aterautor zu werden, wird durch den Ersten Weltkrieg unterbro¬
chen. Der Kriegsausbruch iiberrascht ihn in den Sommerferien
in Ostgalizien, wo er gemeinsam mit Mutter und Schwester Hals
über Kopf vor den nahenden Russen flüchten muss. Die Fami¬
lie trifft nach der teilweise zu Fuß zurückgelegten Flucht erst
nach zwei Monaten in Wien ein. Nach dem Zusammenbruch
der Monarchie, der damals schon den praktischen Verlust seiner
ersten, der galizischen Heimat bedeutet, nimmt er sein Studium
wieder auf, schließt es ab, ohne dann aber jemals einen juristischen
Beruf auszuüben — und schreibt Theaterstücke. Doch gelingt es