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verhandeln. Der eben vom spanischen Staatspräsidenten und
Freimaurer Manuel Azana mit der Bildung einer Regierung beauf¬
tragte ehemalige Großmeister des Großorients von Spanien Diego
Martinez Barrio, zuvor Präsident des Landes, Parlamentspräsident,
Premierminister und Verkehrsminister, sollte die Verhandlungen
mit General Mola führen. Martinez Barrio erhielt jedoch vom
General, welchem ein Ministerposten angeboten wurde, eine
klare Absage. Daraufhin trat nur einen Tag nach dem Scheitern
der Friedensinitiative der Freimaurer Jose Giral Pereira das Amt
des Premierministers an. Er ordnete an, man solle die Arbeiter
bewaffnen, so dass die Putschisten in Madrid, in Barcelona, in
ganz Ost-Spanien aufgehalten werden konnten. Barrio wurde
Parlamentspräsident und war auf spanischer Seite bei der Grün¬
dung der Internationalen Brigaden bald der Ansprechpartner
für die Komintern. Weite Gebiete des Landes befanden sich
inzwischen unter Kontrolle der Putschisten, die unaufhörlich
Menschen massakrieren.

Zwei Spanien

So wurden noch vor Ende 1936 30 Briider der ehrwiirdigen Loge
„Helmanti“ im Orient von Salamanca, 30 Brüder der ehrwürdigen
Loge „Constancia“ im Orient von Saragossa hingerichtet, weiters
15 Brüder in Logrono, sieben in Burgos, fünf in Huesca, sieben in
Ceuta, 24 in Algeciras, 12 in La Linea, 25 in Granada. In Granada
mussten die Logen-Brüder selbst ihre Massengräber ausheben,
bevor man sie erschoss. In Vigo, Lugo, A Coruna, Zamora, Ca¬
diz, Melilla, Teruän und Las Palmas erlebte kein einziger Bruder
das Jahr 1937. Die Todeslisten stellte man anhand der beschlag¬
nahmten Mitgliederlisten der Logen, anhand von Gerüchten und
Denunziationen zusammen. So wurden in Huesca ca. 100 Männer
erschossen, einzig auf den Verdacht hin, dass sie Freimaurer sein;
tatsächlich befanden sich unter ihnen gerade fünf Mitglieder
einer Loge. In den später eroberten Städten wurden wesentlich
weniger Freimaurer ermordet, denn inzwischen wusste man, dass
es keinen Pardon gab und hatte Zeit zur Flucht. Bei einem Treffen
der Großbeamten, also Vorstandsmitgliedern der verschiedenen
spanischen Großlogen, 1937 in Madrid wurde festgestellt, dass in
den von Franco kontrollierten Gebieten alle Freimaurer ermordet
worden seien bis auf jene wenigen, die rechtzeitig entkommen
konnten. Madrid fiel deshalb nicht, weil der Oberbefehlshaber
der Garnison und Freimaurer General Jose Miaja der Republik
treu blieb, sich gegen die Putschisten durchsetzen konnte und
bald Hilfe von den anarchistischen Milizen aus Barcelona und den
im Oktober 1936 gegründeten Internationalen Brigaden erhielt.
General Jose Miaja war in den folgenden Jahren Befehlshaber
der republikanischen Streitkräfte in den Schlachten am Jarama¬
Fluss, von Guadalajara und von Brunete. Er sollte 1958 im Exil
in Mexiko sterben.

Dass so viele Regierungsmitglieder und hohe Militärs in der
jungen Republik Freimaurer waren, dass mit einer solchen Kon¬
sequenz und Brutalität Freimaurer verfolgt, ermordet wurden,
hat eine lange Vorgeschichte. Der Dichter Antonio Machado
sprach in Sprichwörter und Gesänge in Kastilische Landschaften

von den zwei Spanien:

Es gibt einen Spanier
der leben will und zu leben beginnt
zwischen einem Spanien, das stirbt

und einem Spanien, das gähnt.

Kleiner Spanier, der du zur Welt kommst
möge Gott dich behüten.

Eines der beiden Spanien

wird dir das Herz gefrieren lassen.

1939 gefriert Machados Herz und jenes fortschrittliche, moderne,
republikanische Spanien, mit dem sich der Dichter identifiziert,
verliert den Krieg gegen das mittelalterliche, katholische, faschis¬
tische. Machados Spanien wird vernichtet, ins Exil getrieben und
mit ihm die spanische Freimaurerei.

„The Lodge of the Lillies“

1728 hatten in Madrid englische Handler und Offiziere die erste
Loge gegründet und sie „Ihe Lodge ofthe Lillies“ genannt. Es war
die erste Loge mit Londoner Patent auf dem europäischen Kon¬
tinent. Was so poetisch und britisch begann, wurde bald von der
Inquisition und der Staatsmacht verfolgt, zumindest sobald nicht
nur Briten und sonstige Protestanten und Ausländer sich versam¬
melten, sondern auch katholische Spanier. Regierung und Kirche
gingen mit äußerster Brutalität gegen die ersten inländischen
Freimaurer vor. Vielleicht wurde der Bund deshalb unter jenen
Aristokraten und Bürgerlichen, die sich bald für die verbotenen
Ideen der Aufklärung zu interessieren begannen, so populär. Denn
trotz der Verfolgungen wuchs die Zahl der Freimaurer, wenngleich
die meisten von ihnen im Ausland, in England, Frankreich oder
deutschen Fürstentümern Mitglieder des Bundes wurden. Auch
bildeten sich Logen in den spanischen Kolonien Lateinamerikas
und auf den Philippinen. In diesen sollten im 19. Jahrhundert
die Unabhängigkeitsbewegungen heranwachsen.

Die Zahl der spanischen Freimaurer nahm natürlich besonders
zu, wenn reformfreudige Monarchen das Land regierten, ähnlich
wie bei Josef II. oder Leopold II. in Österreich. So waren 1780
fast alle Minister Königs Karl II. Freimaurer. Trotzdem war es in
Spanien für Spanier selbst kaum möglich, eine Loge zu gründen.
Die erste spanische Loge wurde 1801 in Frankreich, im Hafen
von Brest, gegründet. Da die Truppen Napoleons ebenfalls vie¬
le Freimaurer in ihren Reihen hatten, diese während der Zeit
der Besatzung mit Hilfe spanischer Freimaurer versuchten, eine
friedliche Koexistenz zu schaffen, propagierten die konservativen
Kräfte während des nächsten Jahrhunderts, bis hin zu Franco,
dass die Freimaurerei nicht spanischen Interessen diene, sondern
ausländischen, feindlichen. Nach dem Abzug der Franzosen 1812
begann neuerlich eine düstere Zeit für die Freimaurer, gleich
auf wessen Seite sie gekämpft hatten. So wurden z.B. auch jene
Offiziere verfolgt, die gemeinsam mit den Engländern den Krieg
gegen Napoleon geführt hatten und in einer der britischen Mi¬
litärlogen dem Bund beigetreten waren. Die Freimaurerei über¬
lebte bis in die 1830er Jahre nur im Untergrund. Dennoch und
trotz hunderter, vielleicht tausender Verhaftungen, denen nicht
selten die Hinrichtung oder die Galeere folgte, wuchs die Zahl
der Mitglieder stetig.

Krausismo

Im Laufe des 19. Jahrhunderts verbesserte sich die Lage für die
Freimaurer langsam. Aufleben konnte der Bund in den „Sexenio

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