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ist dies zwar löblich und auf keinen Fall zu beanstanden, die Texte sind gut und die Behandlung zeigt wiederum die Gründlichkeit, mit der die beiden AutorInnen gegen noch so überholte Klischees, die weiterhin um sich greifen, eintreten wollen. Allerdings hatte ich beim Thema Homosexualität dann doch ein wenig den Eindruck, dass hier eine Verteidigung gefochten wird, die sich aufs falsche Feld verlegt — statt darüber zu schreiben, dass Homosexualität keine Krankheit ist, hätte man lieber schauen sollen, wie es um die Gleichberechtigung homosexueller Paare, um die Diskriminierung homosexueller Personen und andere Bereiche homosexueller Lebenswirklichkeit bestellt ist; bei der Holocaustleugnung wiederum hatte ich das Gefühl, dass man das Thema nicht in dieser Kürze behandeln sollte. Was rundweg positiv auffällt und wovor man nur den Hut ziehen kann, ist, wie bereits angesprochen, die zwar entschiedene und mit sehr vielen Belegen, Zahlen, Hinterfragungen (aus Deutschland und Österreich vor allem, aber immer im Vergleich mit Europa und der Welt) unterlegte, aber nie unkritisch gegen sich selbst auftretende Behandlung der einzelnen ‘Themen und das auf meist wenigen Seiten. Man bekommt schnell einen klaren Eindruck davon, was an den Vorurteilen grundverkehrt und/oder widersprüchlich ist und - was noch wichtiger ist — man wird auf die tatsächlichen Problematiken und Untiefen hinter den öffentlichen Diskursen aufmerksam gemacht. Unsere medial-trainierten Reflexe, die auf Hypes und Schlagzeilen achten, auf mediale Repräsentation, lassen uns oft vergessen, dass aus einem Vorkommen in den Medien nicht unmittelbar auf die Relevanz oder Verbreitung eines Sachverhaltes zu schließen ist. Es wird derzeit in den deutschen und österreichischen Medien über viele Themen diskutiert, aber man bekommt immer mehr den Eindruck, dass dabei nur eine Schein-Diskussions-Kultur entsteht, welche die viel dringlicheren Probleme und Aufgaben unserer Gesellschaft konsequent ignoriert. So wird zum Beispiel viel über Jugendkriminalität gesprochen (Fakt ist, so weiß ich es seit der Lektüre dieses Buches: die Gesamtzahl der Jugendstraftaten ist rückläufig), und immer wieder schleicht sich eine ausländerfeindliche Note in den Diskurs ein, die sich an der Behauptung aufhängt, dass viele junge Ausländer in Deutschland und Österreich Straftaten begehen. Das ist nicht unbedingt falsch, aber es ignoriert einige entscheidende andere Bedingungen und Hintergründe, die oft mit Straftaten verknüpft sind. Viele dieser Bedingungen werden von ausländischen, jugendlichen Straftäter erfüllt - aber das hängt meist mit ihren Lebensumständen zusammen, in denen es weniger Chancen auf Ausbildungen und Jobs und somit auf Sicherheit und Wohlstand gibt. Vergleicht man das Kriminalitätsrisiko von ausländischen und inländischen Jugendlichen, die in ähnlichen Verhältnissen mit ähnlichen Bildungs- und Jobperspektiven leben, gibt es keine wirklichen Unterschiede. „Jugendkriminalität“, bringt es das Buch auf den Punkt, „ist also kein Ausländerthema, sondern ein Unterschichtthema.“ Ähnlich ist es beim Thema Geflüchtete. Hier helfen ein Blick über den Tellerrand und einfachste Statistiken. Österreich und Deutschland, alle Staaten Europas, tragen nicht die Hauptlast. 2013 war keines der Top-Ten-Länder in der Aufnahme von Flüchtlingen ein europäisches, 2015 (leider sind die Zahlen in dem Buch schon etwas älter) ebenfalls nicht. Auch nach 2016 ist in Europa die Anzahl der Flüchtlinge, die auf 1.000 Staatsbürger entfallen, immer noch niedrig im Vergleich zu den Verhältnissen in Jordanien oder dem Libanon. Alle müssen wir nicht aufnehmen und auch nicht alle wollen zu uns nach Europa. Also sollte man sich auf die Frage konzentrieren: Was passiert mit denen, die hierherkommen? Wie gehen wir mit ihnen um? In was für einer Gesellschaft wollen wir leben, diese Frage könnte jetzt gestellt werden. Bildung, die Schere zwischen Arm und Reich, Toleranzvermittlung in Bezug auf Minderheiten, Austausch der Kulturen, Ökonomie und Ökologie in Bezug auf Ressourcen, das sind die wichtigen Themen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen — und an denen oft meilenweit vorbeidiskutiert wird. Es muss ein Anfang gemacht werden und ein Anfang ist es, mit Vorurteilen aufzuraumen. Dieses Buch ist dabei sicherlich nicht aller Weisheit Schluss, aber man kann es auf jeden Fall im richtigen Moment ziicken, um den aktuellsten Vorurteilen schnell Einhalt zu gebieten. Darüber hinaus ist es wie jedes kluge Buch eine Anstiftung, die eigene Weltsicht zu überdenken und selbstständig nach den mannigfaltigen Antworten und Möglichkeiten hinter den Klischees und den bestehenden Verhältnissen zu suchen. Der Klügere gibt nach, diese Weisheit kann auf der Ebene der meisten Gesellschaftsdiskurse nicht mehr das Leitmotiv sein, denn dann läuft die Wirklichkeit Gefahr, von Vorurteilen und Dummheiten definiert zu werden. Und der schlimmste Punkt ist schnell erreicht, an dem niemand mehr innehilt und sich fragt: Wieso denke ich dies, wieso tue ich jenes? Und sich im Anschluss nicht nur anschickt sich selbst, sondern vor allem das Gegeniiber verstehen zu lernen. Etwas, das in diesem Buch auch immer mitschwingt: Integration und Verstandnis funktionieren nur, wenn jeder sein Teilstiick des Weges geht. »Die Gegenwart ist nichts“, schrieb der amerikanische Schriftsteller Jack London, „außer einer ständigen Hoffnung auf eine bessere Zukunft, das einzige, wofür es sich zu kämpfen lohnt.“ Timo Brandt Nina Horaczek, Sebastian Wiese: Gegen Vorurteile. Wie du dich mit guten Argumenten gegen dumme Behauptungen wehrst. Wien: Czernin Verlag 2015, 1925. € 17,90 „Ich habe in Winniza gesehen, wie sie 9000 unschuldige Menschen erschossen, weil sie Juden oder Parteimitglieder waren! Männer, Frauen, selbst Säuglinge! Sie mussten sich ihr Grab selbst schaufeln und ihre Kleider ablegen, bevor sie niedergemäht wurden.“ Diese Sätze befinden sich in der 1947 im Kremser Wachau-Verlag erschienen autobiographischen Erzählung über den Widerstand zweier Wehrmachtssoldaten im von Nazideutschland besetzten Serbien. 1947 passen diese Sätze nicht zum Opfermythos, den sich das offizielle Österreich sowie seine BewohnerInnen zurechtgelegt haben. Das Buch verkauft sich kaum. So findet Wolfgang Mahrer, der Sohn von Louis Mahrer, als 12-Jähriger 72 ZWISCHENWELT im Keller einen großen Karton voller Bücher. „Das Buch habe ich heimlich gelesen. Irgendwie wusste ich, dass es meinen Eltern nicht recht ist, dass ich das lese.“ 1947 wollte niemand von den Gräueltaten der Besatzungsarmee in Serbien wissen. Zeilen wie die, die von der grausamen Ermordung einer jungen Partisanin berichten, sind auch heute kaum zu ertragen. „Aus den schmalen, farblosen Lippen rinnt ein dünnes Fädchen schwarzen Blutes. (...) Ihre Kleider sind zerrissen, ihre Füße zerschunden und bloß. (...) Eine Stunde später hört man entsetzliche Schreie aus dem Stabsgebäude. Lange, erschütternde Schreie, wie die eines Tieres bei der Schlachtung. (...) Ein räudiger Hund leckte das Blut, das vom Griff eines Bajonetts auf die Erde troff, das in die Scham des Mädchens gestoßen war.“ Nun hat Robert Streibel die Erzählung neu herausgegeben, sorgfältig ediert und mit einem umfassenden historischen Kommentar versehen. Zur Recherche dafür begab er sich auch an die Originalschauplätze in Serbien: Zum ehemaligen provisorischen Wehrmachtsgefängnis in Vrnjalka Banja, auf die Bahnhöfe von Trstenik und Kraljevo sowie an die Gedenkstätte für das Massaker von Kraljevo. Auch den möglichen Erschießungsort von Gerhard Chmiel, einem der Protagonisten der Erzählung - hat Streibel aufgesucht. All diese Orte kann man im