OCR
Group of AUSTRIAN SCOUTS in Great Britain (Oesterreichischer Pfadfinderbund und Oe.P.K. St. Georg) NUSTRIAN SCoyp, Please reply to: BCM/GAS Kart Probarka London W.C.| Während das „Österreichische Pfadfinderkorps St. Georg“ (ÖPK) weltanschaulich kompakt war, zeichnete den ÖPB immer eine weltanschauliche Vielfalt aus. Inhaltlich trennte die beiden großen Verbände wenig außer die Frage nach der Religion. Beide waren aktive Mitglieder der Weltpfadfinderbewegung. Nach dem Schock des Ersten Weltkriegs glaubte Pfadfindergründer Baden-Powell durch eine weltweite Bruderschaft der Pfadfinder und Pfadfinderinnen und internationale Begegnungen den Grundstein für einen beständigen Frieden zu legen. Zahlreiche internationale Lager und Treffen fanden ab 1920 statt. Die Pfadfinderarbeit in den nationalen Verbänden und Gruppen pendelte zwischen den Polen „guter Staatsbürger“ auf der einen und „Weltbürger“ auf der anderen Seite. Österreichische Abordnungen waren auf Lagern in ganz Europa vertreten. Scouts aus Österreich standen mit Pfadfindergeschwistern in den USA und Australien in regelmäßigem Briefkontakt. Begegnungen, gemeinsame Leitbilder, Symbole und Aktivitäten schufen und schaffen eine transnationale Gemeinschaft. Bis 1938 wuchsen die beiden Verbände und konnten Förderer aus Staat und Gesellschaft für sich gewinnen. Im Austrofaschismus verhielten sich ÖPB und ÖPK loyal, auch wenn im ÖPB vereinzelt sozialdemokratische Jugendführer und -gruppen ihre Arbeit fortsetzen konnten. Neben den beiden Hauptvertretern gab es kleinere Verbände häufig mit deutschnationaler oder zionistischer Ausrichtung. Nach dem „Anschluss“ wurden die Pfadfinderverbände verboten. Verhaftungen, Beschlagnahme von Eigentum und Einlieferungen in Konzentrationslager gab es ebenso wie Pfadfindergeschwister, die sich als Illegale und Sympathisanten der Nazis entpuppten. Im Schutz der Kirche, in den Donau-Auen und im Gebirge konnten vereinzelt heimliche Treffen stattfinden, und einzelne Freundeskreise blieben intakt. Wenige Tage nach der Befreiung Österreichs 1945 begannen Engagierte aus der Zwischenkriegszeit wieder mit der Pfadfinderarbeit. Sie fanden dabei die Unterstützung der Westmächte und ausländischer Pfadfindergeschwister. Nach langem Ringen entschloss man sich zur Gründung einesgemeinsamen Verbandes mit dem Namen „Pfadfinder Österreichs“ als Zusammenschluss der Vorkriegsverbände und des in Vorarlberg, Tirol und Salzburg entstandenen, Engagierte beider Vorkriegsverbände einschließenden Verbandes „Österreichische Pfadfinder“. 1949/50 kam eszum Bruch, einige Führungspersönlichkeiten des ÖPB traten aus und gründeten ihren Verband neu. Gründe waren weltanschauliche Differenzen. Die „Pfadfinder Österreichs“ (PÖ) gaben sich staatstragend und kirchennahe. Die Zugehörigkeit zu einer organisierten Religionsgemeinschaft und religiöse Praxis wurde als Lebens- und Pfadfinderideal gepredigt. Mit Funktionären wie Leopold Figl, Johannes Figl und Emmerich Czermak, katholischen und evangelischen Arbeitsgemeinschaften im Verband war eine Nähe zum christlich-sozialen Milieu nicht abzustreiten. Der OPB bemiihte sich, eine Alternativezu bieten und ein Pfadfinderverband ohne Einfluss der Kirchen und Parteien zu sein. Religion sollte Privatsache sein. Trotz großem Engagement und einzelnen prominenten Unterstützern aus der Sozialdemokratie, aber auch der Prinzen Hohenberg blieb der ÖPB nach 1950 auf Wien und einzelne Gruppen in verschiedenen Bundesländern beschränkt. Durch die Spaltung hatte der ÖPB auch die Mitgliedschaft im Weltverband der Pfadfinder verloren. Die Pfadfinderinnen spielten zahlenmäßig eine geringe Rolle. Im Oktober 1976 schlossen sich der katholisch geprägte Österreichische Pfadfinderinnenverband (ÖPV) und die „Pfadfinder Österreichs“ zu den „Pfadfindern und Pfadfinderinnen Österreichs“ (PPÖ) zusammen. Die PPÖ sind als Mitglieder der Weltverbände der Pfadfinder (WOSM) und Pfadfinderinnen (WAGGGS) in die internationale Pfadfinderwelt guteingebettet. Internationale Treffen wie im Sommer 2016 in Niederösterreich oder 2020 in Wien sind Ausdruck davon. Nebeneinander und Zusammenarbeit prägen das Verhältnis zu anderen Pfadfinder- und Jugendverbänden. So schlossen 1995 ÖPB und PPÖ einen Kooperationsvertrag. Die PPÖ haben sich zu einem pluralistischen Verband entwickelt, der sich um interkulturelle Öffnung bemüht und aktuell mehr weibliche als männliche Mitglieder hat. Von 2016 bis 2018 engagiert sich der Verband unter anderem für den Bau eines Jugendzentrums in Peru und für Kinderrechte. Pfadfinder im Exil Die Gemeinschaftserlebnisse aufoft mehrwöchigen Lagern, Fahrten, Ausflügen und in Gruppenstunden prägten viele Pfadfinder unabhängig von ihrem Glaubensbekenntnis und ethnischen Hintergrund. Bis zum Schluss hatten sich viele Jugendliche und Erwachsene aus dem ÖPB und ÖPK für ein unabhängiges Österreich eingesetzt. Sie plakatierten, schrieben Parolen an die Wand oder verteilten Flugblätter. Lucian ©. Meysels schrieb 1979 aus seiner Erinnerung: Ich war auf dem Weg ins Heim in der Schleifmühlgasse. Von den Hausmauern grüfsten patriotische Parolen. Mit einem Stück Kreide schrieb ich auf den Zaun des Rothschildgartens in der Schmöllerlgasse: „Jafür Österreich“. In zwei Tagen sollte über die Zukunft unseres Landes abgestimmt werden. Sicher würde die Mehrheit mit „Ja“ stimmen. [...] Im Heim prunkten Bundeskanzler-Schuschnigg Plakate und die Insignien der damaligen Staatsjugend „Österreichisches Jungvolk“ von den Wänden. Das sagte uns nicht viel. Aber man hatte es als Zeichen der Solidarität bezeichnet: also waren wir dafür. [...] Vorerst wurde politisiert. Und wie wir 13-bis 1 6jahrigen politisierten. Dann plötzlich platze Harry K. herein: „Die Volksabstimmung ist abgesagt! “Wir wollten ihm nichtglauben, er war schon immer ein Angeber gewesen. Wenige Minuten später kam die Bestätigung. Gruppenführer Walter Berliner tat das einzige Richtige: „Buben nach Haus.“ Sekunden später war das Heim leer. Nicht einmal für „Gut Pfad“ blieb mehr Zeit. [...] Zu Hause angekommen hörte ich gerade noch Schuschniggs letzte Worte „Gott schütze Österreich“. Und in diesem Moment wußte ich — als 13jähriger: Das war nicht nur das Ende der alten 79er, wie ich am Nachmittag befürchtet hatte, sondern das Ende Österreichs. Österreich ist wiederauferstanden, auch der ÖPB. Nur die 79er gibt es nicht mehr. Schade, es waren feine Burschen. Noch heute bin ich stolz, einer von ihnen gewesen zu sein.° Der „Anschluss“ war für viele ein Schock. Plötzlich war alles anders, besonders für die jüdischen Kinder und Jugendlichen. Von einem Momentauf den anderen waren sie rechtlos, Schulkameraden Dezember 2017 11