Brugger wurde am 9. April 1911 als Sohn eines landwirtschaft¬
lichen Vorarbeiters und seiner aus einer Taglöhnerfamilie stam¬
menden Mutter in Kaprun geboren. Die Mutter zog ihn streng
nach dem katholischen Glauben auf. Das Kind zeigte schr bald
Interesse für religiöse Fragen und fiel durch einen außergewöhn¬
lichen Gerechtigkeitssinn auf. Nach einer Zuckerbackerlehre in
Wien diirfte er sich 1937 den Reformadventisten angeschlossen
haben. Da seine Glaubenszugehörigkeit im österreichischen Stän¬
destaat unter den Bundeskanzlern Engelbert Dollfuß und Kurt
Schuschnigg verboten war, wurde er bald wegen „Beleidigung der
gesetzlich anerkannten katholischen Kirche“ verhaftet.
Nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland fuhr
Brugger zum Führer der Reformadventisten, dem Prediger A.
Müller, in die Schweiz. Obwohl dieser ihn ermutigte, den Mi¬
litärdienst anzutreten, verweigerte Brugger den Dienst mit der
Waffe und wollte nach Brasilien auswandern. Als am 1. Sep¬
tember 1939 der Weltkrieg ausbrach, floh er in das italienische
Triest, von wo er hoffte, eine Schiflspassage zu bekommen. Dort
wurde ihm die Krankenschwester Ester Karis aus Kärnten zur
treuen Gefährtin. Alle Versuche, eine Schiffspassage zu bekom¬
men, scheiterten jedoch. Schließlich wurde er verhaftet und nach
Österreich abgeschoben.
Der Adventist Johann Blieberger, der in Salzburg die bekann¬
te Konditorei Fürst führte, nahm ihn auf. Brugger fühlte sich
ausschließlich seinem Gewissen verpflichtet und bezeichnete
seine Weigerung zum Dienst mit der Waffe als „Aufstand des
Gewissens“.'” Im März 1941 wurde Brugger schließlich wegen
„Teilnahme an einer wehrfeindlichen Verbindung“ zu zwei Jahren
Zuchthaus verurteilt. Bei der Hauptverhandlung am Landesgericht
Salzburg am 14. März 1941 gab der Angeklagte an,
... dass er sich grundsätzlich an die Weisungen der Hl. Schrift
halte, wonach nach seiner Überzeugung keinem Menschen etwas
Böses angetan werden dürfe ... Er lasse sich auch nicht durch den
Krieg in seinem „Ideal“ beeinflussen und müsse er die Waffe oder die
Mitarbeit in einer Rüstungsindustrie ablehnen.”
Noch vor Ablauf seiner Haftzeit wurde er erneut zum Wehrdienst
eingezogen, weigerte sich jedoch standhaft diesen anzutreten. Ida
Blieberger, die Gattin des Salzburger Konditors, die zu hoch¬
rangigen Nazi-Größen Kontakt hatte, versuchte ihn durch ein
Gnadengesuch frei zu bekommen, scheiterte jedoch. Am 5. Jänner
1943 wurde Brugger vom Reichskriegsgericht in Berlin zum Tode
verurteilt. Als Protokollführer wirkte Oberkriegsgerichtsrat Ranft,
der dieselbe Funktion bei der Verurteilung Jägerstätters ausübte.
Am 3. Februar 1943 wurde Brugger im Zuchthaus Brandenburg¬
Gören durch das Fallbeil hingerichtet. In diesem Gefängnis fan¬
den zwischen 1940 und 1945 über 2.000 Fxekutionen statt. Ein
halbes Jahr später, am 9. August 1943, fiel auch das Haupt Franz
Jägerstätters an derselben Stelle. Jägerstätter wurde zur Symbolfigur
für den heldenhaften Widerstand gegen die Unmenschlichkeit
des Nationalsozialismus. Anton Brugger ist jedoch trotz seines
heldenhaften Auflehnungsaktes der Vergessenheit anheimgefallen,
obwohl sein kompromissloser Glaube und sein treues Festhalten
am Gebot „Du sollst nicht töten“ den gleichen Respekt verdient.
Kaspar Feld (1901 — 1979) und Josef Scherleitner
(1911 — 1943): Don Camillo und Peppone im Pinzgau
In Lend, der Industriegemein¬
de im äußersten Osten des
Pinzgaus, finden wir zwei Per¬
sönlichkeiten, die völlig unter¬
schiedlichen Lagern entstamm¬
ten, in ihrem Widerstand gegen
den Nationalsozialismus jedoch
an einem Strang zogen. Fast ist
man versucht, an Giovanni Gu¬
areschis literarische Gestalten
Don Camillo und Peppone zu
denken. Doch die Geschichten
Guareschis spielen nach dem
Zweiten Weltkrieg in Zeiten des
Kalten Krieges.
Kaspar Feld, am 16. Juni
1901 im saarländischen Gro߬
rossel geboren, wurde am 19. März 1940 zum Pfarrer von Lend
bestellt. Durch die Nazis wurden die Kirchenbesucher observiert,
weil man in ihnen von vornherein Abweichler vermutete. Da der
Pfarrer ein begeisterter Maler war und oft im Freien malte, wurde
er verdächtigt, dem Feind Ortspläne zu liefern. Im Frühjahr 1942
ließ man den widerständigen Pfarrer in die Falle laufen. In einem
Zug nach Salzburg traf er einen jungen Offizier, der aus seiner
Heimat stammte und sich als Priester ausgab. Am 8. Mai 1942
wurde Pfarrer Feld verhaftet, ins Gestapogefängnis nach Salzburg
eingeliefert und später ins Konzentrationslager Dachau überstellt.
Am 26. April 1945 wurde er von den amerikanischen Truppen
befreit und war dann bis zu seinem Tod im Jahre 1979 Pfarrer
im Tiroler Ort Hochfilzen.
Ganz anders verlief das Schicksal des Tischlergehilfen und In¬
dustriearbeiters des Aluminiumwerks in Lend, Josef Scherleitner.
Zunächst Mitglied der sozialdemokratischen Partei, wechselte
er nach den ersten Judenverfolgungen und der Ausschaltung
politischer Gegner durch die Nazis zur Kommunistischen Partei
über. Im Oktober 1940 gründete er in Lend eine kommunistische
Ortsgruppe und bekam die Leitung des Untergebiets Pinzgau
übertragen, das von Saalfelden bis Bischofshofen reichte. Dieses
Untergebiet hatte ca. 20 Mitglieder, eine im Vergleich zu den
nationalsozialistischen Ortsorganisationen verschwindend geringe
Zahl. Scherleitner gelang es, den Fabrikarbeiter Salzmann aus
Lend und den Schaffner Hermann Dünser aus Zell am See für die
KPÖ zu gewinnen, was ausreichte, um ihn als hochverräterischen
Staatsfeind hinzurichten.
Am 13. Februar 1942 wurde Scherleitner festgenommen. In der
Begründung des Todesurteils wegen „Vorbereitung zum Hoch¬
verrat“ vom 28. Oktober 1942 steht Folgendes zu lesen:
Die schwere Schuld des Angeklagten kann nur durch die Todesstrafe
gesühnt werden. Der Angeklagte war nicht ein bloßer Mitläufer,
sondern ein führender Funktionär, der sich seiner hochverräterischen
Tätigkeit mit Hingabe und Eifer widmete und auch dementsprechende
Erfolge errang ... Die Sicherheit des Reiches, der Blick auf die Front
erfordern die Ausmerzung eines solchen ehrlosen Wichts, dem auch
die bürgerlichen Ehrenrechte abzuerkennen waren.“