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„Werkbundsiedlung“, wie auch Adolf Loos und Oskar Strnad
haben meine Bilder in den Häusern dieser Wohnanlage, die zuerst
als städtebauliche Ausstellung mit moderner Einrichtung diente,
ausgestellt. Ich wurde Mitglied (außerordentliches, da ich doch
eine Frau war!) des Hagenbundes und bald auch das jüngste
Mitglied des Vorstandes des Österreichischen Werkbunds, neben
Josef Frank, Hans Tietze, Oskar Strnad und Oskar Kokoschka.
In derselben Zeit nahm ich auch an der Tätigkeit der Zirkel um
Schlick und Freud teil.

1932 hatte Cassirer mich zu einer großen Ausstellung mei¬
ner Werke in seiner berühmten Kunstgalerie in Berlin für das
Jahr 1933 eingeladen. Aber in der Zwischenzeit hatte Hier in
Deutschland die Macht ergriffen, und kurz darauf verübte Cassirer
Selbstmord. In den folgenden Jahren habe ich in Paris, in Wien,
beim Hagenbund, beim Werkbund und bei Würthle ausgestellt,
und in Prag beim Kunstverein und bei der Secession.

1934 spaltete sich der Österreichische Werkbund in zwei Grup¬
pen, wovon die antifaschistische Gruppe von der anderen Gruppe
und vom Regime als „Kulturbolschewisten“ verfolgt wurde, und
Josef Frank ging nach Schweden; 1935 starb Oskar Strnad.

1936 verbrachte ich ein Jahr in Aix-en-Provence, wo ich im
Chäteau Noir residierte und mich der Malerei widmete. Danach
kehrte ich nach Wien zurück. Ich verspürte das Bedürfnis, mit all
meinen Kräften gegen die Bedrohung des Faschismus zu kämpfen,
indem ich falsche Reisepässe für von der Polizei Gesuchte anfer¬
tigte und diese Besorgnis auch in meinen Werken zum Ausdruck
brachte; es galt, Stellung zu nehmen für all das, was konstruktiv
war, und ein Einverständnis zwischen den Menschen gegen den
Hass und gegen die Verfolgungen fördern konnte. Daraus entstand
eine Reihe von Bildern mit antifaschistischer Tendenz, die bei
Ausstellungen in Österreich nicht mehr angenommen wurden,
aber in Prag und in der Schweiz ausgestellt wurden.

Andererseits reichte es zu jener Zeit aus, als Antifaschist bekannt
zu sein und nicht in akademischer Weise zu malen (und dazu war
es gar nicht nötig, politische oder abstrakte Bilder zu malen, oder
Bilder, die sonst irgendwie „dekadent“ und „entartet“ waren),

Anna Benedek

Trude Waehner besuchte uns in den 1960er Jahren oft in Mat¬
tersburg. Als erfahrene Sekretärin half meine Mutter Irude beim
Anlegen von Karteien und Verzeichnissen ihrer Werke und tippte
ihre Korrespondenz. "Irude war eine so ganz andere Frau als alle
anderen, die ich kannte: selbstbewusst, wenn nicht sogar eigen¬
willig, gerne laut debattierend. In Hosen und Bluse gekleidet,
kurzer Bubikopf, die weißen Haare hellviolett getönt. Ich hatte
hohen Respekt vor ihr. Sie kam immer in einem sportlichen
Auto zu uns und brachte ihre Katze mit, ein völlig unkätzisches
Wesen: Das Tier sah zwar wie eine schöne dreifärbige Perserkatze
aus, ließ sich aber von niemandem außer Trude angreifen, jeder
Versuch sie zu streicheln, endete mit blutigen Kratzern an der
Hand. Als ich 1968 in Mattersburg maturiert hatte, lud mich
Trude ein, das erste Studienjahr bei ihr zu wohnen. Ich nahm
dieses Angebot schr gerne an. Aber zunächst nahm sie mich und
meine Mutter nach Venedig mit. Auf dem Weg zeigte sie mir
einige schöne Orte; am meisten war ich von Padua beeindruckt,

32 _ ZWISCHENWELT

dass — wie es mir geschah - Hakenkreuze bei meiner letzten Aus¬
stellung vor dem Krieg in Österreich in der Galerie Würthle in
eine Landschaft und verschiedene andere Bilder geritzt wurden.
Das ist der Grund, warum ich sowohl die Meinung, dass der
Widerstand gegen den Faschismus abstrakte Kunst erfordere,
noch die Meinung, daß abstrakte Kunst schon gleichbedeutend
mit Widerstand sei, nicht triftig und befriedigend finde.

1938 wurde der „alte“ (antifaschistische) Werkbund unmit¬
telbar nach dem „Anschluss“ aufgelöst; ich war Gegenstand von
Nachforschungen seitens der Gestapo, doch gelang es mir, mich
der Festnahme zu entziehen, indem ich mich versteckte und dann
in Zürich Zuflucht suchte. Die nationalsozialistische Regierung
verlangte meine Auslieferung; doch in dieser Periode schützte
mich die Schweizer Polizei dank Thomas Mann.

In der Schweiz und in Frankreich, wo zufällig Ausstellungen
meiner Werke abgehalten wurden, widmete ich mich wie zuvor in
Österreich zusammen mit anderen Mitgliedern des Widerstandes
der Aufgabe, Leuten bei der Flucht aus dem „Reich“ zu helfen.
Dabei fand ich bereitwillige Helfer in Thomas Mann, Erika Mann
und Erich Kahler, die damals zu jener - leider winzigen - Anzahl
von Personen gehörten, die nicht nur an sich selber dachten.

Später übersiedelte ich über England nach New York, wo ich
am Sarah Lawrence College Professorin wurde und zwei Jahre
hindurch ein Carnegie Grant-Stipendium erhielt. Nach dem Ende
des Zweiten Weltkrieges wurde ich wieder künstlerisch und poli¬
tisch von Europa angezogen, wohin ich 1947 eingeladen wurde,
eine Personale in Paris zu zeigen, der eine Einzelaussteilung in
Wien in der Galerie Würthle folgte. Ich ließ mich in der Provence
nieder, die zum Mittelpunkt meiner Tätigkeit als Malerin wurde.
1954 veranstalteten das Kulturamt der Stadt Wien und die Neue
Galerie zwei Ausstellungen, die beide von Ernst Buschbeck eröff¬
net wurden. 1966 hatte ich eine große Ausstellung in der Wiener
Albertina. Einige Bilder aus der Zeit vor 1954 wurden bei der
Ausstellung „Arte e Resistenza“ — „Kunst und Widerstand“ - in
Bologna gezeigt.

vor den Giottofresken stand ich mit sprachloser Bewunderung,
was Irude leider zunächst als Desinteresse missinterpretierte. Es
war meine erste Begegnung mit einem alten Meister.

Im Sommer 1968 kam ich dann zu ihr nach Wien in die Buch¬
feldgasse 6 im 8. Wiener Gemeindebezirk, ein Katzensprung von
der Universität entfernt. Zunächst faszinierte mich aber der alte
mit Schmiedeeisen verzierte Lift, den ich mit etwas mulmigem
Gefühl betrat. Er brachte mich heil nach oben in die Atelier¬
wohnung am Dachboden. Links von der Eingangstür kam man
auf eine große Dachterrasse mit Holzboden. Mit Lampenfieber
läutete ich an der Wohnungstür und ’Irude öffnete. Sie zeigte
mir mit knappen erklärenden Worten die Räumlichkeiten. Vom
Vorzimmer kam man links in eine kleine dunkle, sichtlich altge¬
diente Küche, rechts in ein schmales helles Bad mit Armaturen aus
dem 19. Jahrhundert und mattem Steinboden. Hinter der Küche
befand sich eine Kammer, die mit Trudes Werken vollgestopft
war. Später durfte ich die vorwiegend in expressionistischem Stil