Memoiren und dokumentarische Texte
A toll märtirjai. (Märtyrer mit Füllfeder). Ed. Mester Sändor. A Magyar
Üjsägirök Emigrält, Deportält, Internält Csoportja, Budapest.
Kirdlyhegyi Pal: Mindenki nem halt meg. (Jeder ist nicht gestorben). Globus
Lapés Kényvterjeszt6 Vallalat Kiadds, Budapest, 1947.
Magyar märtir irök antolögidja (Anthologie ungarischer Märtyrer-Schrift¬
steller).Cserépfalvi, Budapest.
Gaétan Pégny, Francois Rastier
Nyiszli Miklös: Dr. Mengele boncoldorvosa voltam az auschwitzi krematö¬
riumban. (Ich war Doktor Mengeles Assistent. Ein Gerichtsmediziner in
Auschwitz). Eigenverlag, Nagyvärad.
Te vagy a tanu! Ukrajndtöl Auschwitzig. (Du bist der Zeuge. Von der Ukraine
nach Auschwitz). Hg. Pör Dezsö und Zsadänyi Oszkär. Szikra, Budapest.
Ein Gespräch über Primo Levi
In Erinnerung an Rüdiger Fischer, Übersetzer und Herausgeber
In dem Buch Ulysse a Auschwitz (Odysseus in Auschwitz, Preis
der Auschwitz-Stiftung 2005) legt Francois Rastier das Gesamt¬
werk Primo Levis neu aus, indem er dessen Ubersetzertatigkeit
beriicksichtigt und ebenso seine Gedichte, die von Kritikern, die
Levis Gleichsetzung seiner Lyrik mit dem Irrationalen in ihm
wörtlich nahmen, allzuschr vernachlässigt wurden. Gegen dieses
Nicht-Lesen demonstriert F Rastier, wie wichtig die Dichtung
für Levi war, denn gerade in den Jahren, in denen er die meis¬
ten Gedichte schrieb, entstanden Ist das ein Mensch? (1947) und
sein letztes Werk Die Untergegangenen und die Geretteten (1986).
Der Autor fügt sich mit seiner Lyrik in eine poetische Tradition
ein, von der er einiges übernimmt und von der er sich zugleich
absetzt; dabei entfalten die Gedichte eine Poetik, die der Erfah¬
rung des Überlebenden und seiner Gebrochenheit Ausdruck zu
geben vermag, und sie legen Zeugnis ab für den Zeugen, dessen
Stimme von jenen Stimmen verdoppelt wird, die die Dichtung
vernehmbar macht.
Das folgende Gespräch entstand aus dem Wunsch, die Wege
weiterzuverfolgen, die dieses zweifache Nachdenken über Primo
Levis Gedichte und das Übersetzen freigelegt hat.
Gaetan Pegny (GP): Sie beginnen Ihr Buch damit, dass Sie Ihr
Übersetzen und Zurückübersetzen der Gedichte Primo Levis als
den Endpunkt einer kritischen Lektüre darstellen. Geht es hier
um eine Definition der Arbeit des Lesens, in dem Sinne, dass der
Übersetzer der aufmerksamste Leser sei, wie es einige Übersetzer
behaupten? Sie haben übrigens Ihre Übersetzungen aus urheber¬
rechtlichen Gründen nicht veröffentlichen können. Könnten Sie
die Gründe dafür erläutern und sagen, weshalb Ihnen die vorlie¬
genden, genehmigten Übersetzungen problematisch erscheinen?
Francois Rastier (FR): Ich fange natürlich mit dem Ende an:
Ich wollte zur Lektüre von Levis Gedichten anregen, und damit
zu ihrer (Neu)Übersetzung. Ich bin dieser Anregung als erster
gefolgt, denn die Übersetzung konkretisiert die Lektüre.
Die Übersetzung ist zum einen ein literarisches Werk — ein
paralleles Werk, das den Spuren eines anderen folgt, es zu bewun¬
dern vermag, ohne dabei in Wettstreit zu treten, das in die Schule
des andern geht. Das Modell, das sich Levi hier wohl anbietet,
ist dasjenige Dantes, der sich von Virgil in seiner Schreibweise
inspirieren lässt, wie auch der Erzähler der Göttlichen Komödie
Virgil zu seinem guida macht. Zum andern ist die Übersetzung
auch ein Werk der Kritik, ein gelungener knapper Kommentar.
Gewiss ist sie eine Form der Aneignung, aber sie versteht es,
Distanz zu wahren.
Der Verlag Gallimard, der über die ausschließlichen Rechte für
jegliche französische Übersetzung verfügt, verweigerte mir die
Genehmigung, zu Beginn meines Buches meine Neuübersetzung
des Dutzends von Gedichten abzudrucken, auf die ich mich am
häufigsten bezogen habe.! Ich möchte mich auf keinerlei Polemik
mit dem Übersetzer Louis Bonalumi einlassen, dessen Arbeit
in meinen Augen keine gravierenden Mängel aufweist. Aber an
mehreren wichtigen Stellen, auf die ich hier und da hinweise,
stimme ich nicht mit ihm überein: Zum Beispiel scheint es mir
zugleich ein Irrtum und ein Fehler zu sein, zedeschi (Deutsche) mit
Schleus [sic] zu übersetzen; nichts ist Levis Absicht fremder als diese
kolonialistische Bezeichnung, die aus dem chauvinistischen Jargon
der französischen Frontsoldaten des Ersten Weltkriegs stammt.
Es fehlt mir hier der Platz, um die Frage der Übersetzung der
Textbezüge zu behandeln: wenn Louis Bonalumi z.B. in dem Ge¬
dicht Shemä die Zeile Vi comando queste parole mit Non, ne loubliez
‚pas (Nein, vergesst ihn nicht) übersetzt, lässt er die Paraphrase des
Deuteronomiums weg, die jedoch von größter Bedeutung ist, in
einem Gedicht, das von Anspielungen auf die Bibel durchsetzt ist
und sie im Titel freimütig mit dem ersten Wort des Gebetes Höre,
Israel zusammenfasst. Ich würde mir eine zweisprachige mit dem
notwendigen kritischen Apparat verschene Ausgabe wünschen.
GP: Sie zeigen in Ihrem Buch, welche Bedeutung die Über¬
setzungstätigkeit für Primo Levi hatte. In seinem Gedichtband
überträgt er Rilke, Heine und andere Autoren. Diese Frage scheint
mir wichtig, zum einen, weil die Lyrik oftmals als Paradebeispiel des
Unübersetzbaren dargestellt wird, ähnlich wie auch die Erfahrung
des Konzentrationslagers als Paradebeispiel des Unsagbaren gilt,
zum andern, weil die Frage des Übergangs, der Kommunikation
zentral ist. Sie zeigen insbesondere, dass Primo Levi in seinen
Gedichten Wesen das Wort erteilt, die es nicht ergreifen können,
z.B. einem Kohlenstoffatom, und so einer in der zeitgenössischen
Literatur wenig gebräuchlichen Figur neues Leben verleiht. Sein
poetisches Programm zeichnet sich dadurch aus, dass er mittels
der Personifizierung für andere spricht, außer wenn die Henker
selber das Wort ergreifen, denn die von ihren eigenen Rechtfer¬
tigungen Angeklagten sind noch am Leben. Levi bedient sich in
Bezug auf das Thema des Übergangs und der Übertretung der
Gestalt des Odysseus, der Dante zufolge in der Hölle ist, weil er
seine Gefährten über die Säulen des Herkules, die Grenze der
Welt hinaus geführt hat, und den Levi mehrere Male als Inbild
der Juden darstellt: