Männern identifizieren, denn diese sind doch meistens die Hel¬
den. Bei Renate Welsh brauchen sich Frauen keine Männerseele
zuzulegen, um innerlich teilnehmen zu können. Sie ist auf eine
selbstverständliche Art Antifaschistin und Feministin zugleich.
Liebe Renate Welsh, „Schreiben im Widerstand“, das ist Dir
wahrhaft gelungen, wir danken Dir für Deine große, wunderbare
Arbeit.
Nahid Bagheri-Goldschmied
Nahid Bagheri-Goldschmied ist, wie der Doppelname: Bagheri
und Goldschmied bereits andeutet, eine persisch-österreichische
Lyrikerin und Schriftstellerin. Sie hat, dieser Stellung gemäß,
zuletzt auch zwei Anthologien herausgebracht: eine österreichi¬
scher LyrikerInnen mit persischer Übersetzung, eine andere mit
persischer Lyrik der Gegenwart mit deutscher Übersetzung. Der
Name Nahid verweist übrigens auf Anahita, die altpersische Göt¬
tin der Liebe, der Fruchtbarkeit und des Wassers. Mit Feuer und
Schwert wurde der Islam einst den Persern aufgezwungen — das
ist für Bagheri-Goldschmied nicht vergessen.
„Fenster zur Welt“ heißt einer ihrer fünf Gedichtbände, von
denen bisher erst einer auch mit deutschen Übersetzungen erschie¬
nen ist, „In der Fremde“. In Vorbereitung ist der persisch-deutsche
Gedichtband „Auf welcher Erdenseite stehst du?“ Den Wunsch,
ein Fenster zu haben, durch das man hinaussehen kann und durch
das das Licht eindringen kann, teilt Bagheri-Goldschmied mit
vielen persischen Lyrikerinnen. Es geht darum, sich der Welt zu
öffnen, statt abgeschlossen und eingeschlossen zu werden, es geht
darum, als Frau ganz einfach auf der Welt sein zu dürfen. Dies
eben will die sogenannte Islamische Republik Frauen verweigern,
indem sie sie entrechtet, zu halben Menschen erklärt, drakonische
Strafen über Frauen verhängt, die gegen die Ehegesetze der Scharia
verstoßen. Dagegen erhebt Bagheri-Goldschmied flammenden
Protest in ihren Gedichten.
Selbst ein Carl Djerassi, der es, aus Österreich vor den Nazis ge¬
flüchtet, in Amerika zu Reichtum und Ansehen brachte — berühmt
ist er ja als „Erfinder“ der Antibaby-Pille —, bekannte, dass das
Gefühl, im Exil zu sein, ihn nie wirklich verlassen habe. Obwohl
Nahid nun schon mehr als ein Vierteljahrhundert in Österreich
lebt, ist sie mit einem Teil ihres Wesens immer noch im Exil. Sie
war in Wien, als die Islamische Republik die anderen Mitarbeiter
der Zeitschrift, für die sie schrieb, verhaftete. Sie konnte nicht zu¬
rückkehren, außer in ihren Gedichten und in ihren Erinnerungen.
Exil bedeutet nicht nur eine fast unheilbare seelische Verletzung, es
bedeutet auch eine Spannung - eine Spannung zur Rückkehr, zur
Verbundenheit mit den im Heimatland Verfolgten, ein unablässiges
Beobachten der Vorgänge im Iran, ein nie nachlassendes Hoffen,
daß sich die Dinge zum Besseren wenden.
Die Lyrik Bagheri-Goldschmieds konfrontiert uns mit die¬
ser inneren Spannung und ist zugleich künstlerische Form, die
Spannung des Exils aufrecht zu erhalten und auszuhalten, auch
wenn sie oftmals einer blutenden Wunde gleicht. „Die Wunde
offen halten“, forderte der österreichische Exillyriker Berthold
Viertel in einem Gedicht. Genau das geschicht in den Gedichten
Bagheri-Goldschmieds.
In ihnen, den Gedichten, begegnet uns eine plastische Bildspra¬
che; die Landschaft, die Bäume, die Blumen, die Flüsse, der Wind
— sie alle treten in den Dienst kraftvollen poetischen Ausdrucks.
Was aber besonders merkwürdig ist: Diese Gedichte verweisen
auch immer auf eine Topographie, eine Ortskunde, von Wärme
und Kälte, Licht und Dunkel. Wir empfinden mit der Dichte¬
rin, spüren mit ihr den andrängenden Frost, atmen mit ihr in
wärmenden Sonnenstrahlen auf. Die, die auf der Flucht sind, die
verfolgt werden, sind der Kälte ausgesetzt. Und so auch die Armen.
Häufig treffen sich in Bagheri-Goldschmieds Gedichten zwei
ungleiche Gesellen: die liebestötende Angst und die angstüber¬
windende Liebe. Das Zusammensein mit dem Geliebten erscheint
stets als von gemeinsamer Angst durchzittert, durchbebt, und darin
erhält es seine eigene Schönheit und Würde. Doch wendet sich die
Dichterin gegen all jene, die Angst verursachen und mit der Angst
ihre politischen Geschäfte machen. Aber dadurch verschwindet
die Angst nicht. Am gefährlichsten wuchert das Geschwür der
Angst, wenn es verleugnet wird: Gegen Verleugnung und Beschö¬
nigung wenden sich viele Verse in den Gedichten. Ein Kontinent
der Angst, das weiß sie, erstreckt sich auch unter dem friedlich
anmutenden Österreich — es rührt vom Nationalsozialismus her
mit seinen andauernden Folgen.
Nahid Bagheri-Goldschmiced, die als eine der bedeutendsten
Lyrikerinnen des weltweiten persischen Exils gilt, ist ebenfalls
als Prosa-Autorin hervorgetreten, mit dem kleinen, teilweise au¬
tobiographischen Roman „Chawar“ (auf Deutsch und Persisch
erschienen), der das Schicksal eines Mädchens, einer jungen Frau
im Teheran der ausgehenden Herrschaft von Schah Mohammad
Reza Pahlevi schildert und an die Tragödie einer jungen Generation
erinnert, die sich anschickte, mit überkommenem Patriarchali¬
schen und Religiösen zu brechen, sich der Welt zu öffnen, eine
Generation voller Hoffnung und Tatkraft, voll Schnsucht nach
Gerechtigkeit, die grausam unterdückt wurde oder im Krieg mit
dem Irak aufgeopfert wurde. Nahid ist den Idealen jener Zeit
treu geblieben.
Liebe Nahid Bagheri-Goldschmiced, wir danken Dir für Deine
Gedichte, Prosa, Aufsätze, für das „Fenster zur Welt“, das Du uns
öffnest, Dein „Auf der Welt sein“.
Laudatio auf Renate Welsh-Rabady, Psychosoziales Zentrum ESRA,
25. September 2017
Der Theodor Kramer Preis solle ein Zeichen setzen, „daß in Ös¬
terreich nicht alles in eine Richtung verläuft, daß dies ein Land
mit seinem Widerspruch ist und im Widerspruch und Ringen mit
sich selbst auch weiterschreitet“, so formulierten Siglinde Bolbe¬
cher und Konstantin Kaiser, als wir vor mehreren Jahren über die
geistigen Grundlagen zur Verleihung eines neuen Literaturpreises
nachdachten, der den Namen Theodor Kramer tragen und für
Schreiben im Exil und im Widerstand vergeben werden sollte.
Renate Welshs gesamtes literarisches Werk in seinen zahlreichen
Ausprägungen seit den 1970er Jahren — hauptsächlich in Form