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Werner Schweizer drehte in Kooperation mit ARTE den Film: „Noel Field —
Der erfundene Spion.“ Tony Sharp unterzieht The Deception einer kritischen
Sichtung anhand der Field-Materialien. Und er zieht z.B. in Zweifel, ob das
im Kapitel „Paul Is Arrested“ Erzählte den Tatsachen entspricht. Nachweislich
finden sich unterschiedliche Darstellungen des Wiedersehens von Hede (in
„Fatherland“ Käthe genannt) und Paul Massing nach dessen Entlassung aus
dem Konzentrationslager in This Deception und Fatherland.

33 Vel. z.B. Ulrich Wyrwa: Paul W. Massing und sein geschichtswissen¬
schaftlicher Beitrag, in: Jahrbuch fiir Antisemitismusforschung 26 (2017),
277-300. https://www.tu-berlin.de/fakultaet_i/zentrum_fuer_antisemitis¬
musforschung/menue/ueber
_uns/mitarbeiterinnen_und_mitarbeiter/emeriti_und_ehemalige/wyr¬
wa_dr_u

lrich/ (Zugriffsdatum: 3.1.2019).

Konstantin Kaiser

34 Duff, wie Anm. 1, 186, 224 (Fußnote 5).

35 Vgl. Todesanzeige: https://minnessidor.fonus.se/memorial_page/memo¬
rial_page_personal_info.php?order_id=2191695 &set_site_id=2&sign=5d
€77542£466bc7225f58586fff9a

920; Zugriffsdatum: 28.1.2019.

36 Massing, wie Anm. 5, 8; [1967], 14.

37 Dieter J. Hecht, Eleonore Lappin-Eppel, Michaela Raggam-Blesch:
Topographie der Shoah. Gedächtnis des zerstörten jüdischen Wien. Wien:
Mandelbaum 72018.

38 http://www.doew.at/personensuche?gestapo=on&findall=&lang=de&s
hoah=on&politisch=on&spiegelgrund=on&firstname=Rosa&lastname=T
une&birthdate=&birthdate_to=&birthplace=&residence=&newsearch=1
0&iSortCol_0=1&sSortDir_O=asc&lang=de&suchen=Suchen; Zugangs¬
datum: 30.1.2019.

Ansprache bei der Feier zum 35-jährigen Bestehen der Theodor Kramer
Gesellschaft am 19. Mai 2019 am Augartenspitz in Wien. Der erste
Teil, der Rückblick auf das Jahr 1984, wurde von Andrea Pauli gelesen.

1977 bis 1984 war in Österreich doch eine friedliche Periode.

Das Reformwerk der Regierung Bruno Kreiskys schien abge¬
schlossen, nun schien es nur mehr um die Vertiefung der De¬
mokratie zu gehen.

Die christlich-soziale Volkspartei verhielt sich ruhig, nur das
leise Knirschen von Zähnen war aus dieser Ecke zu hören, die
Erbitterung über Fristenlösung und Familienrechtsreform hielt an.

Jörg Haider war noch nicht an die Spitze der Freiheitlichen Partei
getreten. Die besten Köpfe der Sozialdemokratie engagierten sich
nach wie vor in jenen Reformen, für die eine Verfassungsänderung
nötig gewesen wäre — z.B. für die Gesamtschule der Sechs- bis
Vierzehnjährigen.

Neue Verfassungsgesetze wurden seither in Österreich nur dann
beschlossen, wenn ein verfassungswidriges Gesetz vor dem Ver¬
fassungsgericht geschützt werden sollte.

Der Bundeskanzler sagte in seiner Neujahrsansprache, daß
„Österreich ein korrekt verwaltetes Land ist“.

Auch um die Kultur war es gut bestellt. Karajan dirigierte und
der Wiener Aktionismus und die Wiener Gruppe waren endlich
als unser österreichischer Anschluss an die Moderne anerkannt,
womit sich ja die Frage erledigte, ob nicht eine andere Moderne
verjagt, ermordet und erstickt worden war. Und die großen Erfolge
Thomas Bernhards am Staatstheater kündigten sich an.

Die Sorgen der österreichischen Menschen hielten sich in Grenzen.
Ich lese von einer Frau Ott im oberösterreichischen Kleinmün¬
chen bei Linz. Noch 1984 will die Urenkelin eines Prokuristen
der dortigen Textilfabrik nachweisen, daß die Arbeiterwohnung,
die Kaiser Franz Joseph im Jahre 1903 besuchte, zicht mit den
Möbeln ihres Urgroßvaters ausstafliert worden ist. Sie hat, bisher
ohne den endgültigen Nachweis erbracht zu haben, dafür jede
Menge Fotos gesammelt.

Und an der Universität Wien beschäftigte man sich mit Exillite¬

ratur, allerdings mit der von „heute“. Da trat eine Wiener Schrift¬
stellerin auf, die 1973 mit 16 Jahren nach England ausgerissen

8 — ZWISCHENWELT

war und, mittlerweile heimgekehrt, dies ihr „Exil“ nannte. Oder
ein Kärntner Dichter, gerade aus dem revolutionären Südamerika
zurückgekommen, das Herz voll von Sendero Luminoso und Fu¬
erzas Armadas Revolucionarias, der den „dümmlichen Exilbegriff
der Exilforscher“ anprangerte und „Exil ins Innere“ einforderte.
Ihm folgte eine nach Berlin Übersiedelte, die glaubhaft versicherte,
daß ihr Freund ihr näher stünde als Marx und Mao.

Es war die Zeit, in der man sich über die Beschlagnahme von
Thomas Bernhards „Holzfällen“ aufregte und gespannt auf das
Erscheinen der „Alten Meister“ wartete.

Es war die Zeit der beginnenden Fernreisen.

Es war die Zeit, in der sich die Gesellschaft zu spalten begann,
in Vollzeit- und Teilzeit, in Dazugehörig und Unzugehörig, in
Inhaber wohlerworbener Rechte und Aspiranten des Prekariats.

Auch die Geburt des Austriaken, des echten Inland-Österrei¬
chers, stand nahe bevor.

Aber das spürte man noch kaum.

In einer Literaturzeitschrift (allerdings nur in einer einzigen!)
wurde sogar wirkliche Exilliteratur besprochen, wobei man, wie es
schien, von der Annahme ausging, daß Österreich eine heile Welt
sei, die den armen grausam Verfolgten, von der Einsamkeit des
Exils Verschrten, unverdient Vergessenen, sprachlich Zurückge¬
bliebenen nun wieder Aufnahme gewähre, sie sozusagen tröstend
an die Brust ziehe, schrieben diese Fxilleute doch

„immer noch in der Sprache der Heimat“ (gemeint war Deutsch)
und blieben und bleiben

„verwurzelt in Österreich“

und bezogen aus ihrem

„Schicksal ihre Authentizität“...

Honi soit qui mal y pense.

Eine neue Generation von Germanisten war an den Universitäten
angetreten, die ernst machten mit dem Fortschritt in der Kunst.
Innovation — das war das Wort der Stunde. Nicht im Gewerbe¬
recht, nicht in der Verwaltung, sondern in der Kunst. Man saß
gemütlich beieinander, erfreute sich an den Wagnissen anderer,
begann Fallschirm zu springen und Lautgedichte zu deklamieren,
so sicher fühlte man sich.

Exildichter wie Theodor Kramer oder der weniger bekann¬
te Ernst Waldinger wurden mit ihrem Mangel an Innovation