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für die Juden, in einem eigenen Staat dem Antisemitismus zu entkommen und in Sicherheit leben zu können. Josef Thonhauser, geb. 1939 in Lienz, Studium in Wien, Univ.-Prof. für Erziehungswissenschaft i.R. Arbeitsschwerpunkte: Schulpädagogik, Lehrerbildung und Geschichtsdidaktik. Zahlreiche Buchpublikationen sowie Beiträge on Sammelbänden und wissenschaftlichen Zeitschriften. Lebt in Salzburg. Literatur Theodor W. Adorno: Erziehung nach Auschwitz (1971). Wiederabdruck In: Ahlheim, 2007, 383-389. Anne Betten, Konstanze Fliedl (Hg.): Judentum und Antisemitismus. Studien zur Literatur und Germanistik in Österreich. Berlin: Erich Schmidt 2003. John Bunzl, Bernd Marin: Antisemitismus in Österreich. Sozialhistorische und soziologische Studien. Innsbruck: Inn-Verlag 1983. John Bunzl: Der lange Arm der Erinnerung: jüdisches Bewußtsein heute. Wien u.a.: Böhlau 1987. Hubert Chalupsky, Dieter Messner, Josef Thonhauser: Faschismus-Unterricht nach einer „Modelleinheit“. In: Zeitgeschichte, 4. Jg. (1977), Heft 7, S. 249-255. Chaim Cohn: Der Prozeß und Tod Jesu aus jüdischer Sicht. Berlin: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag 2017. Helmut Dahmer: Antisemitismus gestern und heute. Nachwort zur deutschen Ausgabe. In: Ernst Simmel (Hg.): Anisemitismus. Franfurt/M.: Fischer TB 1993. Marin Doerry: „Nirgendwo und überall zu Haus“. Gespräche mit Überlebenden des Holocaust. München: Goldmann 2008. Heinz Fischer (Hg.): Einer im Vordergrund. Taras Borodajkewycz. Eine Dokumentation. Wien u.a.: Europa-Verlag 1966 (Neuauflage 2015). Heinrich Heine: Sämtliche Werke. 14 Bände, München: Kindler 1964. Jochen Jung: Zwischen Ohlsdorf und Chaville. Die Dichter und ihr Geselle. Innsbruck, Wien: Haymon 2015. Ruth Klüger: „Wien schreit nach Antisemitismus“. In: Doerry (2008), S. 104-114. Wolfgang Lempert: Bildungsforschung und Emanzipation. In: Neue Sammlung. Vierteljahrs-Zeitschrift für Erziehung und Gesellschaft, 9 (1969), S. 347-363. Karl R. Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Tübingen: Mohr Siebeck ?2003 [1957]. Egon Schwarz: Das jüdische Selbstverständnis jüdischer Autoren im Fin de siecle. In: Betten, Fliedl, 2003, S. 21-31. Ilana Shmueli: Sag, daß Jerusalem ist. Über Paul Celan Oktober 1969 - April 1970. Aachen: Rimbaud ?2010. Josef Thonhauser, Ernst Hanisch: „Faschismus“ — Modelleinheit für den Oberstufenunterricht. In: Zeitgeschichte, 4. Jg. (1977), Heft 5, S. 172-186. Josef Ihonhauser: Zwischen Weltkrieg und Staatsvertrag. Ein Kind aus Tirol als Zeitzeuge. Reith im Alpbachtal: Edition Tirol 2010. Anmerkungen 1 Eine ausführlichere Auseinandersetzung des Autors mit dem Thema findet sich in Österreich Geschichte Literatur Geographie, 61. Jg. (2017), Heft 4, S. 291-308. 2 Der Tonfall erinnerte mich an die Mitteilung meines ehemaligen Religionslehrers, man munkle, der neugewahlte Bundesprasident (Adolf Scharf) sei ein Freimaurer. Niemand von uns wusste, was das bedeutete, doch hatten wir alle eine ungünstige Konnotation. 3 Jean Paul Sartre meinte in einer freilich letztlich auch nicht weiterhelfenden Aussage, was ein Jude sei, ließe sich nicht definieren. „Jude sei, wer sich für einen halte und wen die anderen dafür halten.“ (nach Egon Schwarz, 2003, S. 30) 4 Menschen, die als solche zu erkennen waren, gab es mehr als genug. Vgl. Ruth Klüger (2008, S. 106): „Also jeder Pflasterstein ist antisemitisch für mich in Wien.“ 5 Ein Beispiel, das ich selbst erlebte, lieferte Peter Henisch: Bei dem Bestseller „Die kleine Figur meines Vaters“ war er noch ohne jeden Hinweis auf seine jüdische Abstammung ausgekommen, später trug er bei öffentlichen Auftritten (nicht ohne Stolz) die Kippa. Aber auch bei Künstlern wie Lorin Maazel oder Zubin Mehta (damals junge Stars), verzichteten Rezensenten noch Anfang der 60er Jahre - als ob es unschicklich gewesen wäre -, aufderen jüdische Wurzeln hinzuweisen, was später mit deutlicher Emphase geschah. 6 Ein Gymnasiallehrer, der mitten in der Ära Kreisky „Soll in Österreich ein Jude Bundeskanzler sein?“ als Schularbeitsthema vergeben hatte, wurde durch Intervention von Erika Weinzierl vor einer Anklage wegen Antisemitismus bewahrt. Er hatte zuvor gemeinsam mit mir an seiner Schule das mehrtägige „Faschismus-Projekt“ durchgeführt. (Thonhauser, Hanisch, 1977, sowie Chalupsky, Messner, Thonhauser, 1977). 7 Es darf an dieser Stelle daran erinnert werden, dass Riickert auch der Autor der von Gustav Mahler grofartig vertonten erschiitternden ,,Kindertotenlieder“ war. 8 Rückerts Urtext wird heute „gereinigt“ publiziert: Statt „der Jude“ heißt es „der Bauer“, „ein Räuber“ oder „ein Mann“. 9 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diese Darstellung zunächst auf Anordnung von Bischof Paulus Rusch aus der Kirche entfernt und später durch eine Tafel ersetzt, die über die Hintergründe der Legende vom Heiligen Anderle und den angeblichen jüdischen Ritualmord aufklärt. Trotzdem hielten sich noch lange Wallfahrten zu dieser Kirche, verbunden mit Gebeten zum Anderle und antisemitischem Gebaren. 10 Vgl. dazu die differenzierte, naturgemäß in apologetischer Absicht verfasste Darstellung von Chaim Cohn, 2017. 11 Vgl. dazu Ingeborg Day, in ihrem autobiographischen Roman Geisterwalzer (deutsch Salzburg: Residenz 1983, 22): „Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Eltern, meine Lehrer, meine Freunde ... je über Juden gesprochen hätten. Nie gut, nie schlecht, nie.“ Trotzdem (oder gerade deshalb) beschäftigt sie den gesamten Roman hindurch ihr eigener quälender Antisemitismus (Jochen Jung, 2015, S. 128 £.). 12 Heute gilt als unsicher, ob Chaplin jüdische Vorfahren hatte. 13 Ihre Namen waren: Norbert Brainin, Siegmund Nissel, Peter Schidlof und Martin Lovett. 14 Otto Scrinzi, prominentes NSDAP-Mitglied und 1986 freiheitlicher Präsidentschaftskandidat — immerhin Träger des Großen Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich — verstieg sich bei der Beantwortung der Frage, woran er denn Juden erkenne, öffentlich zur Aussage „an ihrem Geruch“. 15 „Die Judophobie aber hat sich im Genozid nicht erschöpft ... und tobt sich, wo lebende Juden fehlen, nächtens auf jüdischen Friedhöfen und an den (wenigen) Denkmälern der Judenverfolgung aus.“ (Dahmer, 1993, S. 192). 16 Vgl. Karl R. Popper: „Im Namen der Toleranz sollten wir uns das Recht vorbehalten, die Intoleranz nicht zu tolerieren.“ (2003, S. 362). 17 Vgl. dazu den folgenden Textausschnitt von Paul Celan: „.... Heute, als ich den Brief an Dich aufgab, es war derselbe Beamte, und er den Bestimmungsort, das Bestimmungsland vom Kuvert ablas, richtete er einen Blick auf mich, wie ich ihn aus meiner Jugend in Czernowitz kenne: er musterte mich, suchte mein Gesicht ab nach jüdischen Zügen, fand sie, und ‚hasste mich an‘, nur mit den Augen, unmissverstandlich ...“ (Shmueli, 2010, S. 79) 18 Mein ehemaliger Deutschlehrer hat einmal (keineswegs in diskriminierender Absicht!) Bert Brecht während einer mündlichen Reifeprüfung als Juden bezeichnet. Als er auf seinen Irrtum hingewiesen wurde, entfuhr ihm reflexartig „Aber er schaut so aus“, wofür er sich sogleich aufwändig entschuldigte. 19 Ein Kollege von ihr, dem sie unsympathisch war, sprach über sie immer nur mit scharfer Betonung als ‚die Jüdin‘. 20 Ein neues, für mich erschütterndes Beispiel lieferte unlängst die aus St. Petersburg nach Deutschland ausgewanderte Schriftstellerin Lena Gorelik (Die Presse, Spectrum vom 7. 11.2015, S. V): Sie erzählte, am Spielplatz in Leningrad sei Jude unter Kindern ein gebräuchliches Schimpfwort gewesen. Als sie selbst einmal ein anderes Kind mit „Jude“ beschimpfte, ermahnten sie ihre Eltern: „Du kannst dieses Schimpfwort nicht benutzen, weil du selbst jüdisch bist.“ 21 So Theodor Adorno: „Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, dass ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch zu sollen. ... Sie zu begründen hätte etwas Ungeheuerliches angesichts des Ungeheuerlichen, das sich zutrug.“ (2007 [1971], S. 383) Juli 2019 27