Ernst Eisenmayer 2011: „Mein jüngerer Bruder Paul wurde am
1. April 1923 in Wien geboren. Er wurde von einer britischen
Familie adoptiert, nahm deren Namen Brierley an, wurde einer
der jiingsten Offiziere innerhalb der British Army und musste
NS-Graueltaten sehen.“
Nachdem Ernst Eisenmayer von Oxford nach London übersie¬
delt war, wurde er Gruppenleiter von Young Austria in Golders
Green, dem Londoner Bezirk mit den meisten österreichischen
EmigrantInnen. Die Brüder Eisenmayer sahen Sinn und Aufgabe
von Young Austria darin, jungen Menschen zwischen 14 und 20
Jahren, die noch nie im Ausland gewesen und deren Eltern in der
Heimat zurückgeblieben waren, in einer Selbsthilfegruppe konkrete
Unterstützung zu gewähren.
Von Mai 1940 bis zum Sommer 1941 wurde Ernst Eisenmayer
als „Enemy Alien“ interniert: in Prees Heath und später in Douglas
Central Camp, Onchan, auf der Isle of Man. Auch sein Bruder
Paul und andere Young Austria-Freunde wie Harry Sichrovsky und
Siegfried Gruber wurden dort interniert. Den Jugendlichen erging
es bis auf ihre Unfreiheit einigermaßen gut. Ernst hielt das Leben
in der Internierung in vielen Zeichnungen fest und sang in einem
kleinen Chor mit Young Austrians. Seine Zeichnung „Violinist
at Onchan“ wurde später als Motiv einer Briefmarke der Isle of
Man herausgegeben und zeigt Norbert Brainin. Weitere Werke
von Eisenmayer sind im Young Austria-Buch in den Artikeln über
Heinz Cleve, Hans Hindler, Gerti Russell, Georg Schwarz und
Siegfried Gruber zu schen.
England sollte trotz nochmaliger Lagererfahrungen seine zweite
Heimat werden. Nach der Freilassung arbeitete er als Werkzeug¬
macher in einer kriegswichtigen Fabrik und wohnte im großen
Emigrantenwohnhaus in der Brondesbury Road (Nähe Queens
Park) mit Siegfried „Schani“ Gruber, Judith und Günther Prager,
Erich Herzl und anderen Young Austrians zusammen. Einige
Tanzveranstaltungen bereicherte Ernst Eisenmayer musikalisch mit
seiner alten Ziehharmonika. Seine Zeichnungen schmückten so
manche Wände bei Young Austria-Veranstaltungen. Ernst konnte
lebenslange Freundschaften mit Künstlern wie Georg Eisler, Erich
Deutsch (Erich Doitch), Heinz Inländer und Otto Tausig knüpfen.
Erlernteauch Oskar Kokoschka kennen, der seinen künstlerischen
Werdegang förderte.
1944 konnte er erstmals ein Bild bei einer Gemeinschaftsaus¬
stellung von Kunst im Exil in den Räumen der Austrian Women's
Voluntary Workers zeigen. Frau Kahane entgegnete im Zeitspiegel
Nr. 33/1944 Jenö Kostmanns Kritik an einer Ausstellung öster¬
reichischer Künstler im Exil, an welcher Eisenmayer beteiligt
war. Kostmann wollte allzu viele Selbstporträts geschen haben.
Kahane dazu:
Vielmehr fielen mir die Bilder von Arbeitern und einmit Daumierscher
Wucht skizzierter „Totentanz“ auf. Vielerfreuliches Talent, wenn auch
noch in der Entwicklung begriffen. Auf Weltfremdheit unserer Jugend
lässt sich aus diesen Bildern nicht schließen, ganz im Gegenteil ... Es
ist erstaunlich, wie selbständig sich diese jungen Leute trotz der großen
Schwierigkeiten zeigten. Es handelt sich mit einer Ausnahme schon
um reife Jugend, die, wo es sich um Kunst handelt, wahrscheinlich
keine Knebelung verträgt ...
Dem war schon eine andere Kontroverse vorausgegangen. Im
Hinblick auf eine Kulturkonferenz der Jugendorganisation im
August 1942 war von den Verantwortlichen die Parole ausgegeben
worden: „Aufgabe der Österreicher in der Emigration“ sei es, das
„österreichische Kulturerbe zu erhalten, zu verteidigen und zu
propagieren“, was in Zeiten der „Fremdherrschaft“, in denen der
„Geist des Widerstandes“ aus dem „Schatz nationaler Kultur“
seine „Nahrung schöpft“, von „entscheidender Bedeutung“ sei. (].
Kostmann: Österreichische Kulturarbeit - eine Kampfaufgabe. In:
Zeitspiegel No. 22, 30.5.1942, S. 8). Damit aber war der Emigra¬
tion eine vor allem konservierende und tradierende Kulturaufgabe
vorgeschrieben, wogegen unter anderen Erich Frieds Freund, der
Maler Franz Pixner, in einem Leserbrief protestierte:
Die Erhaltung des österreichischen Kulturerbes kann nur ein Teil
unserer Aufgaben sein. Der lebendigste Ausdruck der geistigen Verfassung
eines Volkes liegt in der Schöpfung der lebendigen Generation, die das
angetretene Erbe im Sinne ihrer Zeit bereichern und weiterentwickeln
mufs, diese Weiterentwicklung ist in der Heimat unterbunden, während
sie in der Emigration — wenn auch in beschränktem Ausmaß — offen
steht. Zeitspiegel No. 29, 18.7.1942, 8).
Bei der Kulturkonferenz im August selbst kam es zu einem
kleinen „Krach“. Ernst Eisenmayer erinnert sich:
Während der straff organisierten Diskussion sagte ich, vielleicht zu
sehr aus dem Ärger heraus, daß man zur Kultur auch den Beitrag
lebender und junger Künstler brauche und man sie nicht davon
abhalten sollte, etwas zu sagen. Was einen Krach nach sich zog. (E.
Eisenmayer: Erinnerungen an Erich Fried, 1938 — 1988. In: MdZ
Nr. 1/1995, S. 19).