Über einem Hafen voll
schlafloser Häuser
mitten unter den herausragenden
Schornsteinen
auf einem Dach mit aufgereihten
Wäscheleinen
malt eine Frau Segel auf
den Wind
indem sie ihre morgendlichen
Leintücher
an Holzkluppen aufhängt
O liebliches Muttergestirn
ihre nahezu nackten Briiste
werfen ihren Schattenriß
als sie sich ausstreckt
um endlich die letzte ihrer
so weiß gewaschenen Sünden
aufzuhängen
aber das Tuch noch feucht verliebt
wickelt sich um sie
haftet an ihrer Haut
So mit erhobenen Armen
gefangen
wirft sie ihren Kopf
mit einem stummen Lachen zurück
und schüttelt dann in einer
unwillkürlichen Geste
ihr goldenes Haar
während in den unerreichbaren
Fernen des Meerblicks
die glänzenden Dampfer zum zukünftigen Reich
zwischen den wehenden Leichentüchern
sichtbar werden
Originaltitel: Away above a harborful of. Aus: San Francisco Poems,
2001.
In einer kleinen Seitengasse
beim Museumsplein eine Frau
die weinend am Telefon steht
und aus ihrem Fenster im
zweiten Stock starrt
sieht durch mich der ich
auf der Straße bin hindurch
Einen Häuserblock weiter
ein Mann der hinunterschaut
und raucht und in sein Telefon
lacht
sieht durch mich als für ihn
Unsichtbaren hindurch
Der Boden des Rijksmuseum¬
Parks ist von feuchten Blattern
bedeckt
meine Schritte werden auf ihnen
keine Abdriicke hinterlassen
Aber sie und die Leute haben
in mir ihre Fußspuren hinterlassen
ihre Emotionen die mir fern sind
fallen über mich wie in einer
magisch-tragischen Theaterauffihrung
Ich lache und ich weine nicht
mit ihnen ich bin nur ihr Dramaturg
oder ein 'Iheaterkritiker von auswärts
der gekommen ist um das Spektakel
ihrer kleinen Lebensläufe zu sehen
Diese Show wird niemals zusperren
wie auch immer die Kritiken sein mögen
Tragödien werden Tragödien sein
auch wenn sie lachen
die menschliche Komödie wird Komödie
bleiben auch wenn sie nicht zum Lachen ist
Die Show wird weitergehen
wenn es auch nicht Paradise Now des
Living Theatre ist
Originaltitel: The living theatre. Aus: European Poems and Transitions.
Over all the obscene boundaries (Über all die obszönen Grenzen), 1988.
Die Party-Tiger
die den Wein und Käse
hinunterschlingen
ohne auch nur einen Blick auf was
Kunst sein könnte zu werfen
auf all den Donnerstagabend-Vernissagen
in San Francisco-Galerien
und die Kritiker und Heuhüpfer
und die Singles die auf einen
Treffer aus sind
und die Vortragenden aus gesponserten
Lehrgängen
gehüllt in Seide und Christian Dior
langstielige Gläser in den Händen
während sich das Stimmengewirr erhebt
und der Maler auf der Seite
die ganze Aufregung wie von weit weg
betrachtet
und sich sagt Ist es das
wofür ich male?
Wen wundert es daß er
in dieser Gesellschaft
zuviel trinkt und sich auf dem Boden wälzt?
Originaltitel: The Artist. Aus: San Francisco Poems, 2001.