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BERICHTE

Am 15. Mai 2019 fand im Justizpalast in Wien
unter Beteiligung eines slowenischen Chors, der
stolzen Deklamation des „Österreichmonologs“
aus „König Ottokars Glück und Ende“ und dem
abschließenden Singen der Bundeshymne die
Eröffnung einer schr zeitgemäßen Ausstellung
statt: Demokratie- Menschenrechte — Rechtsstaat.
Der Präsident des Landesgerichts Wien, Fried¬
rich Forsthuber, zeichnete dafür und auch für
die anschließende Veranstaltungsreihe verant¬
wortlich. Ich konnte in der Ausstellung mein
demokratiepolitisches Basiswissen prüfen und
so manches dazulernen. Ich möchte sie allen
Menschen ab dem Volksschulalter wärmstens
empfehlen: Damit wir uns dem Erreichten ge¬
genüber nichtgleichgültig zeigen, sondern dafür
brennen, den Rechtsstaat zu erhalten und ihn
sogar noch ausbauen, zum Beispiel was gerechtere
Beteiligungsstrukturen in unserem Land betrifft.

Der Begriff „Rechtsstaat“ hatte sich erst im
Laufe des 19. Jahrhunderts als Gegenbegriff
zum Polizeistaat gebildet, seine Attribute sind
„demokratisch“, „sozial“, „liberal“, „modern“. Er
resultierte aus der Fiktion eines Gesamtwillens
aller politisch mündigen Staatsbürger - mündige
Staatsbürgerinnen gab es erst seit der Ausrufung
der Republik vor hundert Jahren, insofern Frauen
bis dahin keine unabhängigen Individuen, also
weder selbstbestimmungs- noch handlungsfähig
waren. „Rechtsstaaten sind solche, wo Vernunft
herrscht.“ Im NS-Staat war dies nicht der Fall,
er war kein Normenstaat sondern ein Maßnah¬
menstaat. Grundsätzliche Ziele eines Rechtsstaats
sind bis heute die Mäßigung der Staatsgewalt,
die Gewährung von Grund- und Menschen¬
rechten, die Selbstbestimmung und das Recht
des Bürgers, der Bürgerin, gerichtlichen Schutz
in Anspruch nehmen zu können: Jeder / jede
soll darauf vertrauen können, dass was Recht

ist, auch gilt. Es braucht also eine gelebte, nicht
nur eine theoretische Rechtsstaatlichkeit und
nur die gelebte garantiert Wohlfahrt in einem
Land. Ebenso braucht die Wirtschaft für ihre
Standorte rechtsstaatliche Garantien. Es gibt also
Kriterien dafür und diese stellen sich hier vor, in
Schaukästen und künstlerischen Installationen.

Leben wir nicht in Zeiten von zunehmen¬
dem Despotismus in Europa mit Tendenzen zu
Willkürherrschaft? Ist nicht genau deswegen im
vergangenen Mai die österreichische Regierung
gestürzt? Nun wollen wir wissen, wie wir dran sind
mit unserem Staat, und auch mit allen anderen
europäischen Staaten. Andererseits: Verbrechen
haben nicht nur Unwissende begangen - im Ge¬
genteil! Es ist aber auch gut sich zu vergewissern
wie lange es gedauert hat Rechtsstaatlichkeit zu
etablieren, wie mühsam sie erkämpft war, und
dass Rückschläge niemals auszuschließen sind:
„Rechtsstaatlichkeit ist eine kostbare Pflanze,
die gepflegt sein will“, so Präsident Forsthuber.
Sich anhand von amüsanten Spielen und Schau¬
objekten der demokratischen Grundrechte zu
vergegenwärtigen, daraus resultiert der aktuelle
Nutzen dieser Ausstellung. Ich wünsche mir,
dass vor allem Schulklassen hierherkommen,
denn Diskussionsstoff und Aha-Erlebnisse gibt
es genug, zum Beispiel

bei der Vitrine 2: Das österreichische Bun¬
des-Verfassungsgesetz von Hans Kelsen, dessen
„logische Schönheit“ in der schweren Regie¬
rungskrise in diesem Mai 2019 wiederentdeckt
wurde. Das Manifest „Charta 77“ der früheren
Czechoslowakei, das Bonner Grundgesetz 1949.
Daneben das Projekt „Giraffistan“ der Volksschule
Klosterneuburg, das kindgerecht erläutert, was
für einen demokratischen Staat wesentlich ist.

Vitrine 4: Die Symmetrie des Gerichtssaals
symbolisiert den Ausgleich durch das Recht,

Gemeinsam mit anderen Kinder- und Jugendver¬
bänden nahmen am 5. Mai die Pfadfinder und
Pfadfinderinnen Österreichs wieder am Jugend¬
gedenkmarsch und der Befreiungsfeier in der KZ
Gedenkstätte Mauthausen teil. Jugendliche und
junge Erwachsene aus Wien, Niederösterreich,
der Steiermark, Oberösterreich und Tirol waren
dabei. Dieses Jahr zum ersten Mal nahmen auch
Vertreterinnen und Vertreter der säkularen Ec¬
laireuses et Eclaireurs de France, der jüdischen
Eclaireuses et Eclaireurs israélites de France und
des Pfadfinderweltverbandes WOSM teil. „Der
schweigende Aufstieg gemeinsam mit hunderten
jungen Menschen iiber die Todesstiege hat mich
sehr beeindruckt“, so Rupert Schildböck vom
Pfadfinderweltbüro in Genf.

Anschließend an die Befreiungsfeier enthüllten

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Franzosen und Österreicheram Lern- und Gedenk¬
ort Schloss Hartheim gemeinsam eine Gedenktafel
für Pierre Dejean und Beaufils Fernand. Die beiden
französischen Pfadfinderleiter waren Mitglieder
der Resistance. 1944 wurden sie im Rahmen der
Aktion 14f13 in Schloss Hartheim ermordet. In
seiner Ansprache stellte Florian Schwanninger,
der Leiter des Lern- und Gedenkortes, heraus wie
wichtig es sei, den hier Ermordeten wieder ihren
Namen und ihre Geschichte zurückzugeben. An
der Feier in Hartheim nahmen neben dem fran¬
zösischen Botschafter, den Pfadfinderinnen und
Pfadfindern Vertreter des Comite International
de Mauthausen und von NS-Opferverbänden
aus Frankreich teil. Am Freitag und Samstag
bereiteten sich die Jugendlichen und jungen
Erwachsenen in verschiedenen Workshops sowie

die Pressetafeln an den Stühlen stehen für das
mediale und öffentliche Interesse an Strafurteilen.
Vitrine 5: Die Arbeitsgemeinschaft der NS¬
Opferverbände und WiderstandskämpferInnen
Österreichs gab sich das Logo „369 Wochen“,
denn so lange war Wien unter nationalsozia¬
listischer Herrschaft. Kunstinstallationen von
SchülerInnen, davon eine zum gefesselten Men¬
schen, verweisen auf das Fehlen fundamentaler
Rechte. Besonders einladend zu Interaktionen
sind didaktische Spiele. Das Würfelspiel stellt
drei verschiedene Aufgaben: zum demokratischen
Rechtsstaat, zur Europäischen Union und zur
österreichischen Justiz. Das Igelspiel hat über¬
schüssige Stacheln, es fragt nach den Rechten,
die die Europäische Menschenrechtskonvention
ausdrücklich garantiert.
Brigitte Menne

Die Ausstellung „Demokratie —- Menschen¬
rechte — Rechtsstaat“ ist zu sehen: bis 15. 7.
2019 im Justizpalast, Schmerlingplatz 10-11,
1010 Wien, vom 4. 9. 2019 bis 31.01. 2020
im Bezirksmuseum Josefstadt, Schmidgasse
18, 1080 Wien, von 12.2. bis 26.4. 2020 im
Bezirksmuseum Floridsdorf, Prager Str. 33,
1210 Wien, von Mai bis August 2020 im Lan¬
desverwaltungsgericht oo, Volksgartenstraße
14, 4021 Linz, von September bis Dezember
2020 im Oberlandesgericht Innsbruck, Ma¬
ximilianstr. 4, im Frühjahr bis Sommer 2021 im
Oberlandesgericht Graz, Marburger Kai 49.

Gegen Ende 2021 wird die Ausstellung hof¬
fentlich im Besucherzentrum des restaurierten
Parlaments eine dauerhafte Bleibe finden. Ein
sehr anschauliches Begleitheft zur Ausstellung
ist zu beziehen in den Ausstellungen sowie unter
www. justizgeschichte-rechtsstaat.at/

mit einem Besuch der KZ-Gedenkstätte Ebensee
auf die Gedenkfeiern am Sonntag vor.

Einer der Héhepunkte war am 4. Mai abends
eine Lesung von Bruno Schernhammer aus seinem
Buch „Und alle winkten. Im Schatten der Auto¬
bahn“. „Ich bin glücklich auch einmal vor einem
jungen Publikum zu lesen“, meinte der Autor.
Die Lesung stieß auf großes Interesse—nicht nur
bei Zuhörern aus der Region Vorchdorf, dem
Schauplatz der im Buch geschilderten Ereignisse.

„Gerne möchten wir 2020 wieder mit dabei
sein und Pfadfinderverbände aus weiteren euro¬
päischen Ländern einladen sich zu beteiligen“,
blickte Fabio Ursella, Internationaler Beauf¬
tragter der Eclaireuses et Eclaireurs de France
in die Zukunft.

Philipp Lehar