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Telefönica erscheint nun als Buch, achtzig Jahre nach seiner Entstehung und siebzig Jahre nach seinem ersten Erscheinen im Frühjahr 1949, als die Arbeiter-Zeitung den Roman in siebzig Folgen druckte. In ihm beschreibt Ilsa Barea-Kulcsar vier Tage der Belagerung von Madrid im Dezember 1936. Anhand der Liebesgeschichte zwischen dem Leiter der Verteidigung der Telefonzentrale und einer deutschen Journalistin erzählt sie die Ereignisse jener Zeit in geraffter Form nach, schildert die Emanzipationsbestrebungen mehrerer Frauen in der Männerwelt des Krieges, berichtet von der Arbeit in der Zensurstelle, von den internationalen Journalisten, von Politikern und Gewerkschaftern, von Frauen und Kindern, die in den Kellern des Gebäudes Schutz suchten, und breitet so ein vielgestaltiges Ensemble an Menschen aus, die in dem Gebäude zusammenkamen, um gegen den Faschismus zu kämpfen. Georg Pichler lehrt an der Universidad de Alcalä de Henares. Ilsa Barea-Kulcsar Madrid, Herbst 1936 Als ich am 1. November 1936 in Alicante landete, um von dort nach Madrid zu fliegen, war ich 34 Jahre alt und hatte fast 18 Jahre intensiver Tätigkeit in der österreichischen Arbeiterbewegung hinter mir. Den größten Teil dieser Zeit hatte ich als Funktionärin, Rednerin und Journalistin in sozialdemokratischen Organisationen gearbeitet; auch in der Illegalität von 1934 und der nachfolgenden Emigration in der Tschechoslowakei hatte meine sozialistische Gruppe und die Vierteljahrsschrift, die ich redigierte, zum sozialdemokratischen Sektor im weiteren Sinne gezählt. Anderseits hatte ich — was sich als folgenschwer fiir meine Position in Spanien herausstellen sollte — in der ,,alteren Steinzeit“ vor 1925 zusammen mit meinem ersten Mann zur österreichischen KP gehört und war von dort im Konflikt geschieden. Nach alledem hielt ich mich für gefestigt und gegen viele Illusionen immunisiert. Auch war ich zweimal in politischer Haft gewesen, in HorthyUngarn und unter dem „Austrofaschismus“ des Dollfuß, hatte also meine Nerven in recht schwierigen Situationen erprobt. Es schien mir, daß ich in den Bürgerkrieg nicht nur deshalb zu gehen hatte, weil dort der große Kampf zwischen Faschismus und Demokratie - Demokratie, die den Ansatz zu einer sozialistischen Zukunft enthielt — ausgetragen wurde, sondern auch, weil ich dank meiner Erfahrung in internationaler Publizistik und nach einem republikanischen Sieg vielleicht auch in der Arbeiterbildung etwas Positives zu geben hatte. An Teilnahme am Krieg in einer militärischen Formation dachte ich niemals; das wäre mir bei meiner totalen sachlichen Unkenntnis bestenfalls als eine romantische Geste erschienen. Wohl aber hatte ich begonnen, mit Hilfe des deutschen Emigranten Rolf Reventlow — der kurz vor mir nach Spanien ging — und mit Zuhilfenahme meines Lateins, Französisch und einiger Brocken Italienisch die spanische Presse zu entziffern. Im Herbst 1936 schickte ich dem führenden republikanischen Sozialisten Araquistäin, der nach Ausbruch des Bürgerkrieges Botschafter in Paris wurde, eine langes Memorandum über Mißgriffe und Möglichkeiten der republikanischen Propaganda im Auslande — es tadelte vor allem das Verschweigen von Übelständen und Niederlagen, die dann von der gegnerischen Presse verzerrt berichtet wurden, Er Tr. er yr Arturo Barea und Ilsa Barea-Kulcsar in Middle Lodge und war sicherlich in manchem naiv. Aber es trug mir eine Einladung ein, selbst nach Spanien zu kommen, und erleichterte mir die Vorbereitungen. Ich borgte rechts und links Geld fiir die Fahrt, verschaffte mir Korrespondenzauftrage — unbesoldet! — von drei sozialistischen Zeitungen und bewaffnete mich mit ein paar Einführungsschreiben, von denen mich eines, das von Otto Bauer, dem Führer der österreichischen sozialdemokratischen Emigration, fast den Kopf gekostet hätte. Bei meinen sonstigen dürftigen Vorbereitungen gab es manches, worüber ich später lächeln mußte: Ich suchte mir sorgfältig möglichst sackartige Kleider aus, solche, die, wie man heute sagen würde, nicht sexy waren, denn ich wollte keine derartigen Komplikationen, und ich kaufte mir in Prag ein paar Schuhe mit starken Sohlen und Nachen Absätzen, die zum Querfeldein-Marschieren taugen würden - ich rechnete mit der Möglichkeit, bei einer Einnahme von Madrid zu Fuß fliehen zu müssen. Und so war ich denn in Alicante, wo ich sofort ausging, um irgendein sozialistisches Komitee zu finden und zu interviewen. Jener verworrene erste Abend, an dem nur meine unbesiegliche Zutraulichkeit und Freundlichkeit das Mißtrauen gegen die Ausländerin entwaffnet haben mögen, steht mir als Auftakt in Erinnerung. Er gab mir einen Vorgeschmack von organisatorischem Chaos, von einander durchkreuzenden rebellischen Strömungen, die ich durch die Sprachschwierigkeiten hindurch spürte, aber auch von der gewaltigen spontanen Aufstandswelle, die damals noch im Anschwellen war und allein den langen, bitteren Bürgerkrieg möglich machte. Mein Flugzeug nach Madrid — das letzte, das die Fluggesellschaft starten ließ — ging am frühen Morgen ab, aber ich konnte mich nicht die Nacht über im winzigen, dumpfen Zimmer einsperren und blieb auf der Terrasse des Hotels Maria Cristina. Da hatte ich eine seltsame, stundenlange Unterredung mit dem Dichter André Malraux, der darauf wartete, von einem Jagdflieger der von ihm organisierten Einheit abgeholt zu werden. So wie man manchmal während einer Eisenbahnfahrt ein unerwartet persönliches November 2019 9