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Die Ephrussis in Wien Die Ausstellung „Die Ephrussis“ ist bis 13. April 2020 verlängert! Die Bedeutung der europäisch-jüdischen Familie Ephrussi ist seit dem Erscheinen des vielgerühmten Romans Der Hase mit den Bernsteinaugen von Edmund de Waal (2011) in das Bewusstsein der interessierten Öffentlichkeit gerückt. Die deutsche Ausgabe, die im Zsolnay Verlag in der Übersetzung von Brigitte Hilzensauer erschien, wurde im Wiener jüdischen Museum präsentiert. Edmund de Waal ist ein renommierter Keramikkünstler; sein Buch über Porzellan, Die weiße Straße, erschien 2016. Die Familie, die in Odessa mit Getreidehandel reich wurde, gründete 1857 in Wien ein Handelshaus. Ignaz Ephrussi wurde 1871 geadelt. Theophil Hansen errichtete das Palais der Familie am Schottenring 14. Das Deckengemälde im Tanzsaal zeigt die biblische Geschichte Esther. Charles Ephrussi ging 1871 nach Paris, wo er als Kunstmäzen und -sammler tätig wurde. Gemälde von Renoir und Manet aus seiner Sammlung sind in der Ausstellung des Jüdischen Museums Wien bis 20. März 2020 zu sehen. Er war ein Freund Marcel Proust, der ihn in seinem Romanzyklus Aufder Suche nach der verlorenen Zeit porträtierte. Elisabeth de Waal, die 1899 in Wien geborene Tochter Viktor Ephrussis und Edmund de Waals Großmutter, konvertierte zur Church of England und heiratete den Niederländer Hendrik de Waal. Ihr Wien-Roman The Exiles Return erschien posthum 2013, 2014 auch in der deutschen Übersetzung mit dem Titel Donnerstag bei Kanakis, ebenfalls übersetzt von Brigitte Hilzensauer, mit einem Vorwort von Edmund de Waal und einem Nachwort von Sigrid Löffler. Elisabeths Sohn Victor de Waal wurde anglikanischer Priester und Dean of Canterbury. Sein eindrucksvolles Porträt von der aus Wien gebürtigen Malerin Marie-Louise Motesiczky wird in der Ausstellung gezeigt. Als Victor de Waal das Porträt zum ersten Mal sagte er: „Obgleich das Bild eines christlichen Geistlichen, zeigte es doch auch meine jüdischen Wurzeln so deutlich, dass ich darin geradezu rabbinisch erschien.“ 2017 machte die Familie de Waal dem Wiener jüdischen Museum ihr Familienarchiv der Ephrussis zum Geschenk, was der Anlaß für die gegenwärtige Ausstellung war. Anläßlich ihrer Eröffnung im November 2019 kam es auch zu einem großen Familientreffen. Integriert in die Ausstellung sind 157 Netsukes, kleine japanische Figuren. 90 Netsukes wurden von der Familie verkauft, den Erlös spendete sie dem Refugee Council. Im Begleitbuch beschreibt Thomas de Waal die Geschichte der Ephrussis in Odessa, wo sie eine Schule stifteten, die bis heute existiert. Oliver Rathkolb suchte in österreichischen Archiven vergeblich nach dem Dienstmädchen Anna, die laut der Familienüberlieferung und dem Buch Edmund de Waals 1938 die Netsukes gerettet haben soll. Tom Juncker beschreibt den Am 5. Oktober 2018 veranstaltete die Michael Gaismair Gesellschaft Bozen in Zusammenarbeit mit der Associazion Nazionale Partigiani d'Italia (ANPI) Alto Adige/Siidtirol an der Universität Bozen die Tagung „Rechtsextremismus in Südtirol/Leestrema destra in Alto Adige“. Nun ist dankenswerterweise die zweisprachige Tagungsbroschiire, herausgegeben vom Politikwissenschafter Giinther Pallaver und vom Zeithistoriker Giorgio Mezzalira, erschienen. Der Titel des Buches ist einer Bezeichnung der Anthropologin Maddalena Gretel Cammedlli in ihrem 2015 erschienen Buch ,,Facisti del terzo millennio. Per un’antropologia di CasaPound“ entlehnt.! Gewidmet ist der Band den beiden Historikern Claus Gatterer (1924 — 1984) und Karl Stuhlpfarrer (1941 — 2009). Dem Südtiroler Historiker und Journalisten Claus Gatterer — der wichtigste JournalistInnenpreis in Österreich ist nach ihm benannt — verdanken wir auch einen bereits 1979 erschienen Artikel zu diesem komplexen Thema.” Dabei handelt es sich, so der Historiker Leopold Steurer, um die bisher einzige organische Analyse und Beschreibung des Themas samt Berücksichtigung sowohl der deutschen als auch der italienischen Sprachgruppe. Leopold Steurer — Flagschiff im Kampf gegen das Vergessen der NS-Verstrickungen in Südtirol —, dessen Aufsatz vielleicht besser als historische Einleitung an den Anfang des Buches plaziert gewesen wäre, beleuchtet sowohl externe als auch interne Akteure? des Rechtsextremismus innerhalb der deutschen Sprachgruppe seit den 1950-er Jahren. Ausgehend vom imaginierten Bedrohungsszenario des „völkischen Untergangs“ als eine der wichtigsten Antriebsfedern für Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, widmet sich Steurer vor allem der Geschichte des „Befreiungsausschusses Südtirol“ und dessen terroristischen als „Befreiungskampf“ bezeichneten Aktivitäten in den 1960-er Jahren, bei denen es auch mehrere Tote gab.‘ Steurer zeigt auch die Verbindungen mit der rechten Szene in der BRD auf, wie beispielsweise jene zum 1981-88 in Passau verliehenen „Andreas-HoferPreis“ oder der 1973 in Nürnberg gegründeten „Kameradschaft der ehemaligen Südtiroler Freiheitskämpfer“. Zu ihnen gehörten auch Peter Kiensberger und Erhard Hartung. Beide Männer waren auch in der Gründung des Raub und die Restitution der Sammlungen, der Bibliothek und des Palais der Familie. In den letzten Beiträgen des Buches beschreiben Tom Juncker und Gabriele Kohlbauer-Fritz das Leben der Familie im Exil in Spanien, Mexiko, Japan, den USA und Großbritannien. Eine kleine Ausstellung mit vielen Fotos und Plakaten erinnert an das Café Palmhof in der Mariahilferstraße gegenüber dem Westbahnhof. Die beiden Brüder Otto und Karl Pollak führten dort ein großes Konzertcafe, in dem Künstler wie Fritz Imhoff, Hans Moser, Franz Léhar und Fritz Lohner Beda verkehrten, auf das aber bereits vor 1938 antisemitische Anschlage stattfanden. Das Café wurde arisiert; Karl Pollak in Auschwitz ermordet. Otto Pollak kehrte als gebrochener Mann aus Theresienstadt zurück und eröffnete das Café nicht mehr. Der Begleitband enthält einige Beitrage zum historischen Hintergrund und ein Interview mit Ottos Tochter, der Zeitzeugin Helga Pollak-Kinsky, einer Überlebenden von Theresienstadt. EA. Die Ephrussis. Eine Zeitreise. The Ephrussis. Travel in Time. Hg. von Gabriele Kohlbauer-Fritz und Tom Juncker im Auftrag des Jüdischen Museums Wien. Wien: Zsolnay 2019. 211 S. € 30,60 Wir bitten zum Tanz! Lets Dance. Der Wiener Cafetier Otto Pollak. Hg. von Therese Eckstein und Janine Zettl. Wien: Eigenverlag des jüdischen Museums 2020. 107 5. € 18,„Buchdienst Südtirol“ aktiv, in der völkische und rechte Autoren Publikationsmöglichkeit fanden. Kontakte gab es auch zur „Sudetendeutschen Landsmannschaft“ und zum „Kulturwerk für Südtirol“. Die 1966 in Liechtenstein gegründete „Laurin-Stiftung“ und die 1977 in Düsseldorf gegründete „Hermann-Niermann-Stiftung“ standen unter starkem Einfluss von Norbert Burger und Otto Scrinzi. Ausführlich befasst sich der Autor mit Helmut Golowitsch, ebenfalls „Freiheitskämpfer“, Burschenschafter und rechter Historiker, der zum harten Kern der Nationaldemokratischen Partei (NPD) gehörte. Weitere Organisationen, die Steurer kritisch nach rechten Verbindungen durchleuchtet, sind der „Südtiroler Heimatbund‘“, der „Südtiroler Kriegsopfer- und Frontkämpferverband“ und der „Südtiroler Schützenbund‘“. Einen Sprung in die Gegenwart machen Johannes Kramer, Alexander Fontö, Lukas Tröger und Max Volgger in ihrem Beitrag: „Die ‚Südfront‘ im Kontext. Neonazistische Szene in Südtirol 1990-2015“. Darin stellen sie die Ergebnisse eines Dokumentationsprojekts vor, das von der Osterreichischen Hochschiilerschaft gefördert und mit viel ehrenamtlicher Arbeit März 2020 69