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durchgeführt wurde. Die digitale Dokumen¬
tation zu Neonazismus in Südtirol anhand von
Medienberichten enthält ca. 1.000 Einträge und
ist im DÖW einsehbar. Ausgangspunkt für das
digitale Projekt war die Datenbank der österrei¬
chischen Presseagentur (APA-DeFacto), in der
auch die größten deutschsprachigen Zeitungen
in Südtirol („Dolomiten“, „FF“ und „Südtiroler
Tageszeitung“) in Volltext abruf- und durch¬
suchbar sind. Weitere Quellen waren die größte
italienischsprachige Zeitung „Alto Adige“ so¬
wie eine hunderte Zeitungsartikel umfassende
Sammlung aus Leopold Steurers Privatarchiv.
In die Datenbank eingegeben wurde Berich¬
te zu strafrechtlich relevanten Aktivitäten von
„Skinheads“ in Südtirol.

Zwei Beiträge haben Österreich zum The¬
ma: Kathrin Glösel und Hanna Lichtenberger
skizzieren den aktuellen Rechtsextremismus in
Österreich. Anhand der von der Beratungsstelle
ZARA und dem „Forum für Antisemitismus“
dokumentierten Meldungen, werden Entwick¬
lung, Anzahl und Art von rechtsextremen De¬
likten in Österreich, seien es Gewalttaten, ras¬
sistische oder antisemitischen Wortmeldungen
in Politik und Medien, rassistischer Vandalismus
im 6ffentlichen Raum und Leugnungen oder
Relativierungen des Holocaust zur Sprache ge¬
bracht. Ein weiterer Schwerpunkt des Artikels
widmet sich rechtsextremen Akteuren in Oster¬
reich wie deutschnationalen Burschenschaften
und den der „Neuen Rechten“ zugeordneten
„Identitären Bewegung“ sowie deren Medien
und antifaschistischen Gegenprojekten in Ös¬
terreich.

Der zweite Österreich-Beitrag stammt von
Bernhard Weidinger. Er befasst sich mit der
Bedeutung Südtirols für Österreichische Bur¬
schenschaften nach 1945 und betont eine He¬
rangehensweise der Burschenschaften an den
„Südtirolkonflikt“, die vom Primat des „Völki¬
schen“ ausgeht. Deren im deutsch-völkischen
Sinn ethno-nationalistische Positionierung
wird dort besonders deutlich, wo es um eine
Politik gegen nicht-deutschsprachige Minder¬
heiten geht, wie beispielsweise bei den Kärntner
SlowenInnen. Während man im Slowenischun¬
terricht in Kärnten einen geradezu „staatsgefähr¬
denden Akt“ sah, betrachtete man umgekehrt
die deutschsprachige Minderheit in Südtirol
als von einer „systematischen Italianisierungs¬

politik“ bedroht.

Sehr zu bedauern ist es, dass ausgerechnet
jene Beiträge nicht in deutscher Übersetzung
vorliegen, die sich mit dem aktuellen Bild der
italienischen Rechten und Rechtsextremen, der
„Galassia Nera“°, der „Schwarzen Galaxis“, in
ihren vielfältigen Ausformungen wie CasaPound,
Forza Nuova, Fratelli d’Italia, Lega u.a. befassen.
Es handelt sich dabei um den Betrag von Guido
Margheri, dem Präsidenten der ANPI Alto Adi¬
ge/Südtirol: „Lestrema destra in Italia. Lo spazio
di senso e di commune della destra plurale“ (Die
extreme Rechte in Italien. Gemeinsamkeiten
der „destra plurale“). Diese „plurale Rechte“,

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die sich in den Jahren Berlusconis entwickelte,
hat, so der Autor, ihre Wurzeln im bereits 1946
gegründeten Movimento Sociale Italiano (MSI)
aus dem sich schon in den 1970-er Jahren neofa¬
schistische Organisationen wie „Ordine Nuovo“,
Lotta di Popolo“, „Avanguardia Nazionale“ u.a.,
sowie die Nachfolgepartei des MSI, die „Alleanza
Nazionale“ samt deren Abspaltungen in den
1990-er Jahren entwickelten.

Ebenfalls nicht in deutscher Übersetzung
lesbar ist Giorgio Mezzaliras Beitrag: „A Passo
di tartaruga. La nuova destra italiana in Alto
Adige“ (Im Schildkrötenschritt. Die italienische
„Neue Rechte“ in Südtirol). In Südtirol ist es die
CasaPound - ihr Kennzeichen ist die Schild¬
kröte —, die 2015 den Einzug in den Bozner
Gemeinderat schaffte, damals eine italienweite
Premiere.’ Der Hauptsitz der Bewegung ist üb¬
rigens ein im Jahr 2003 besetzter fünfstöckiger
Palazzo in Rom. Mary de Rachewiltz, die aus
Südtirol stammende und dort lebende Tochter
des amerikanischen Schriftstellers Ezra Pounds
(1885 — 1972), verlor vor einigen Jahren ei¬
nen Prozess, den sie gegen die Bewegung von
CasaPound wegen der Nutzung des Namens
ihres Vaters für die faschistische Partei anstreng¬
te.® Dieser war ein Bewunderer und Mitarbeiter
Mussolinis. Seine letzten Lebensjahre hatte er
auf der Brunnenburg in Meran verbracht, wo
heute auch seine NachfahrInnen leben.

Abschließend sei noch eine weitere Kritik an die¬
ser sehr verdienstvollen Publikation angebracht.
Leider fehlt darin jede Auseinandersetzung mit
der anderen Hälfte der Menschheit — nämlich
mit der Rolle von Frauen bzw. mit den Frauen¬
und Geschlechterbildern. Ein nicht geringer
Anziehungspunkt rechter und rechtsextremer
Bewegungen ist das Versprechen von Zugehörig¬
keit, wobei diese national definiert wird. Frauen
spielen dabei insbesondere als Mütter eine zent¬
rale Rolle, wird doch die Familie als „Keimzelle“
des als national homogen imaginierten Staates
betrachtet. Doch nutzen rechte Frauen und
Politikerinnen durchaus auch urspriinglich fe¬
ministische Argumente, um ihre eigene Position
zu stärken. Viele Frauen in rechten Bewegungen
sind, so die Wissenschafterin Naya Kamenou
in ihrer Studie zur rechtsextremen „Goldenen
Morgenröte“ in Griechenland, vor allem in de¬
ren „Social Solidarity-Aktionen“ für die „eigene
Bevökerung“ aktiv, während sich linke Feminis¬
tinnen um die Utopie einer ,,Global Sisterhood“
ohne Vereinnahmung und Machtassymetrien
bemühen.?

Weitere Themenfelder die von rechts besetzt
und umgedeutet werden, sind Gewalt gegen
Frauen, sexuelle Gewalt gegen Kinder, Öko¬
logie und Umweltschutz. In Deutschland gibt
es mittlerweile sog. „völkische Siedlungen“,
bekanntestes Bespiel dürfte das Dorf Jamel'®
in Mecklenburg sein. Feindbilder sind alle
jene, die diese „Geschlossenheit“ zu bedrohen
scheinen. Nicht eine Welt der Offenheit, der
Bewegungsfteiheit aller Menschen über Grenzen
hinweg, nicht das Interesse am „Fremden“ und

„Anderen“, nicht der Kampf um Gerechtigkeit
und ein würdevolles Leben für die Armen, egal
wo sie leben und woher sie kommen, auch nicht
die Liebe jenseits des Heteronormen oder die
Stärkung aller Frauen durch den Feminismus
werden als positive Utopien betrachtet, son¬
dern einzig die Fortpflanzung einer bestimmten
Gruppe, nämlich der „weißen Rasse“. Imaginiert
werden „Volkstod“ und „Überfremdung“:

Die Bilder des „wehrhaften Mannes“ und der
„deutschen Mutter“ prägen den Rechtsextremis¬
mus. Die biologistische Geschlechterideologie ist
ein zentrales Element der vorgestellten „Volksge¬
meinschaft“. Wenn Mädchen oder Jungen in die
rechte Szene einsteigen orientieren sie sich oft an
den traditionalisierten Geschlechterrollen. Da diese
bis weit in die sogenannte Mitte der Gesellschaft
vertreten werden, bleiben sie häufig unerkannt.

So ist es neben der Stützung rechter Män¬
ner durch ihre Frauen, Mütter, Schwestern
und Freundinnen gerade auch der Bereich der
Kindererziehung, in dem rechte Frauen ein oft
unterschätztes Tätigkeitsfeld finden und frem¬
denfeindliche Ideen, das Gefühl der Bedrohung
durch „Andere“ an die nächste Generation wei¬
tergeben werden. Dabei sollten gerade Jugend¬
arbeit und Pädagogik die Möglichkeit bieten,
die Welt in all ihrer Vielfalt sehen zu lernen
und Kindern diese propagierte Angst vor dem
„Fremden“ zu nehmen.

Elisabeth Malleier

Günther Pallaver, Giorgio Mezzalira, (H¢./a cura
di): Der identitäre Rausch. Rechtsextremismus in
Südtirol/Ubriacatura identitaria. Lestrema destra
in Alto Adige. Veröffentlicht von Gaismair Gesell¬
schaft, Circolo culturale ANPI. Bozen: Edition
Raetia 2019.

Weiterführende Links und Literatur zum Thema:
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/
lola/rechte-frauen-in-mv_internet.pdf
https://www.belltower.news/kindertagesbetreuung-in¬
zeiten-rechtspopulistischer-mobilisierung-49284/
http://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/
rechtsextreme-organisationen/info-direkt/inhalte

Ursula Birsl (Hg.): Rechtsextremismus und Gender.
Opladen 2011.

Renate Bitzan (Hg.): Rechte Frauen. Skingirls, Walküren
und feine Damen. Berlin 1997.

Dieselbe: Selbstbilder Rechter Frauen. Zwischen An¬
tisexismus und völkischem Denken. Tübingen 2000.
Lorenz Gallmetzer: Von Mussolini zu Salvini. Italien als
Vorreiter des modernen Nationalpopulismus. Wien 2019.
Lehnert, Esther: Angriff auf Gender Mainstreaming
und Homo-Lobby. Der moderate Rechtsextremismus
und seine nationalsozialistischen Bezüge am Beispiel
der Geschlechterordnung. In: Robert Claus, Esther Leh¬
nert, Yves Müller (Hg.): „Was ein rechter Mann ist ...“
Männlichkeit im Rechtsextremismus. Rosa Luxemburg
Stiftung Bd. 69. Berlin 2010.

Anmerkungen

1 Maddalena G. Cammelli: Fascisti del terzo millennio.
Per ur’antropologia di CasaPound. Ombre Corte, Verona
2015; https://www.ibs.it/fascisti-del-terzo-millennio-per¬
libro-maddalena-g-cammelli/e/9788869480188