Übrigens haben sowohl Theodor Kramer als
auch Wilhelm Szabo ausdrücklich auf die hohe
Qualität Weinhebers nach dessen Selbstmord
im Frühjahr 1945 hingewiesen!
Jörg Thunecke, Köln, 12. November 2019
Anmerkungen zum „Neunten Land“
Im Novemberheft der ZW (34. Jg., 3-4) wird
da und dort abfällig über die Verleihung des
Literatur-Nobelpreises an Peter Handke gespro¬
chen, es sei „eine Toleranzgrenze“ überschritten
worden (Claudia Erdheim, S. 89). Zwar wurde
Peter Handke schon von vielen bedeutenden
Autoren verteidigt (Elfriede Jelinek sagte, er
habe den Preis „zehnmal“ verdient), dennoch
möchte ich auf einen Aspekt der von einigen
vielgeschmähten Jugoslawien-Schwärmerei
Handkes hinweisen:
Jugoslawien hat am 27. März 1941 zum Wi¬
derstand gegen Nazi-Deutschland aufgerufen,
zum Jubel vieler unterdrückter Völker, wie der
slowenische Autor Ciril Kosma£ in seiner Er¬
zählung „Erweckung. Der 27. März 1941 in
Marseille“ berichtet. („Prebujenje. 27. marec
v Masseillu“, dt. Übersetzung online als PDF
unter: „Die Ästhetik der konstruktiven Disso¬
nanz“, „SreCko Kosovel: 100 Gedichte“). An
diesem Datum nimmt Handkes Erzählung vom
„Neunten Land“ ihren Ausgang. Der Zerfall
Jugoslawiens 1991 war auch das Ende einer
politischen Konstante, uzw. des vielgefeierten
Aufstands wider den europäischen Faschismus
deutscher, italienischer und französischer Pro¬
venienz.
Jugoslawien war ein utopischer Versuch, der
viele Fehler hatte, den aber sogar noch die von
ihm und in ihm verfolgten und denunzierten
Intellektuellen verteidigten (Cvetko Zagorski,
Edvard Kocbek, Ludvik Mrzel, Janko Messner).
Die Verselbständigung der jugoslawischen Re¬
publiken substantiell unterstützt von Deutsch¬
land, Österreich (wie Handke im „Abschied
des Iräumers vom Neunten Land“ schildert),
war somit ein Bruch mit der Geschichte. Der
europäische Konsens über die Ablehnung von
Nationalismus und Provinzialismus war zerstört.
Die Folgen sind bekannt. Hier liegt Handkes
Wunde, an der er leidet. Die hysterische pau¬
schale Verdammung Serbiens, die an den Ersten
Weltkrieg gemahnt („Serbien muss sterbien“),
hat den Dichter veranlasst, hier eine Gegen¬
position einzunehmen, die an den Schluss des
Büchnerschen „Danton“ erinnert, wenn Lucile
ausruft: „Vive le roi!“ Die Serbien-verächtliche
Rede so mancher Autoren vergisst, dass die Ser¬
ben zu den Kultur-Völkern Europas zählen und
dass nicht nur Ivo Andri¢ ihr Literaturaushan¬
geschild war, sondern etwa auch der jiidische
Autor Alexandar Tisma, dessen Bücher („Das
Buch Blam“/Knjiga o Blamu; „Die wir lieben“ /
Koju volimo; „Der Kapo“...) vom polemischen
Rezensenten Reich-Ranicki in den Himmel ge¬
lobt wurden.
Und weiters: Wer verteidigt heute in Europa
die Katalanen wider die Willkür der spanischen
Staatsgewalt? Ernest Hemingway, der dies tun
wiirde, lebt leider nicht mehr!
Jozej Strutz, Klagenfurt/Celovec, 17. November
2019
Vgl. dazu den Aufsatz „Die Diktatur in Jugo¬
slawien 1929-1941“ von Joze Pirjevec in ZW
Nr. 1-2/2010, S. 34-39. Die 1929 errichtete
Königsdiktatur Jugoslawien wurde am 26.127.
März 1941 gestürzt, nachdem die Regierung am
25. März in Wien einen Beitrittspakt zu den
Achsenmiichten unterzeichnet hatte. Daraufhin
überfiel Hitlerdeutschland im Verein mit Italien,
Ungarn und Bulgarien am 6. April Jugoslawien,
das am 18. April kapitulierte. — Ein wenig schief
scheint mir die Berufung auf Aleksandar Tisma,
der doch dem Treiben der Milosevic und Konsorten
einigermaßen skeptisch gegenüberstand, wie über¬
haupt auch bei Handke all jene SerbInnen, die
sich dem „Marsch ins Nichts“ entgegenstemmten,
keine Beachtung finden. — K.K.
Liebes Team, wie immer freue ich mich über
ZW. Als Mitglied des Vereins musica reanima¬
ta, Förderverein zur Wiederentdeckung NS¬
verfolgter Komponisten und ihrer Werke e.V.
bedeutet für mich jede Ausgabe ein ergänzendes
Kennenlernen mir bis dahin unbekannter Li¬
teratur. Für euere Arbeit und das Engagement
möchte ich euch danken.
Brigitte Raff, Berlin, 21. November 2019
Zu Bernhard Kuscheys Rezension von Karl Fallend
„Mimi & Els. Stationen einer Freundschaft. Marie
Langer — Else Pappenheim Späte Briefe“ in ZW
Nr. 3-4/2019, S. 21f
Der Religionslehrer der Schwarzwaldschule
war nicht, wie Fallend ausftihrlich an zwei Stel¬
len (S. 56f. und 287, das Buch hat leider keinen
Personenindex) schreibt, der Wiener Oberrab¬
biner Israel Taglicht. Der vielen Schiilerinnen
in bester Erinnerung gebliebene Religionslehrer
»Herd“ war Bernhard Taglicht, ein Neffe des
Oberrabbiners. Ihm gelang die Flucht nach New
York, wo er seinen Namen auf Toggit änderte
und 1949 die Wiener Buchhändlerin Johanna
Hansi (Joan) Bielitz heiratete.
Else Pappenheim berichtet in einem Brief an
Marie Langer 1986 (S. 266), dass „Stefll“ (Ste¬
phen Frishauf), ihr Ehemann, in Wien einen
Gymnasialkollegen traf, „voller, ungetaufter
Jude. Chirurg bei der Armee (nun in Ruhe¬
stand), der es mit seiner Mutter in Wien überlebt
hat, versteckt von Freunden“, sein Sohn wurde
Burgschauspieler.
Fallend konnte den Gymnasialkollegen nicht
identifizieren. Fs kann sich nur um Dr. Wilhelm
(Willy) Stern gehandelt haben. Sein Sohn war
der Schauspieler Oliver Stern (1959 — 2011).
Frischauf und Stern wurden 1920 in Wien ge¬
boren.
Evelyn Adunka, Wien, 13. Jänner 2020
Dazu erreicht uns eine Stellungnahme Karl Fal¬
lends:
Sehr geehrte Evelyn Adunka,
Konstantin Kaiser hat mir Ihren Leserbrief
übermittelt. Selbstredend war ich schockiert,
dass mir eine solche Verwechslung, ein solcher
Kurzschluss unterlaufen ist. Ich bin wohl mei¬
nem Entdeckungsdrang aufgesessen. Für meinen
Exkurs über besondere LehrerInnen bin ich von
Gabriele Anderl („Jahre des Glücks“), anderen
Interviews und Selbstzeugnissen ausgegangen
und es war immer nur von (Prof.; Herr; Leh¬
rer...) Taglicht die Rede (Ausnahme: Deborah
Holmes, die ich wohl zum falschen Zeitpunkt
gelesen und/oder diese einzelne Stelle überlesen
habe) und so war ich in Mexico City nach der
Einsicht der Heiratsurkunde (mit Unterschrift:
Oberrabbiner Dr. I. Taglicht; siehe Seite 120)
und der Zusatzinformation, dass Israel Taglicht
offenbar als Inspektor für den israelitischen Un¬
terricht an Mittelschulen fungierte, der festen
Ansicht, dass es sich um den richtigen Mann
handelt. Ein Irrtum, der mich sehr schmerzt.
Ich danke Ihnen für die Korrektur und auch
für die interessante Information über den
Schulfreund von Stephen Frishauf und dessen
Sohn, der selbst Spezialisten der Burgtheater¬
Geschichte unbekannt war.
Karl Fallend, Wien, 17. Jänner 2020
Briefe geschrieben hat Erika Poeschl
(Wien). Sie hatte bei einem Besuch im
Wiener Weltmuseum bemerkt, dass die
weitere Karriere des Nazi-Anthropologen
Oswald Menghin im „Exil“ in Argentinien
in dessen Kurzbiografie uerwähnt bleibt. Sie
erinnerte sich an Aufsätze von Marcelino
Fontan und Erich Hackl in ZW Nr.
4/2002, in denen die jahrzentelange
Indoktrination Studierender in Argentinien
mit den rassistischen Lehren Menghins
und ihm Gleichgesinnter, der sogenannten
» Wiener Schule“ (welch eine Schande!),
und Menghins Werdegang skizziert werden.
Poeschl schrieb daher am 20.1.2020 an den
Direktor des Museums:
... Ich war etwas erstaunt, als ich die
Kurzbiographie des Herrn Menghin las,
in der nur lapidar zu lesen ist, dass er sich
den Nationalsozialisten angeschlossen hat.
Seine Lehrtätigkeit in Argentinien wird
mit keinem Wort erwähnt. Er hat damit
jedoch, wie ich meine, der Wissenschaft
nachhaltig geschadet. Dies sollte im
Weltmuseum zumindest kurz erwähnt
werden.
Eine Reaktion kam am 23.1.2020 auf Umwe¬
gen von dem offenbar für die ständige Ausstellung
Verantwortlichen, Reinhard Blumauer, der am
27.1.2020 an eine gemeinsame Bekannte schrieb:
Ich bin natürlich sehr an zusätzlichen Informa¬
tionen zu Menghin interessiert. [...] Eine Ände¬
rung/Ergänzung des Ausstellungstextes werden
wir wohl dennoch nicht vornehmen können,
da dies doch einen erheblichen (finanziellen)
Aufwand bedeuten würde.
Das wars dann?