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wächst dort ganz von selbst, ohne künstliche Bewässerung und sorgfältige Pflege — eine ziemliche Veränderung zu Hay. Ich muss allerdings sagen, dass ich keine großen Vorbehalte gegen Hay hege und die Ortsansässigen zu dem seltsamen Haufen, der unerwartet an den Rand ihrer kleinen Stadt hingepflanzt wurde, sehr freundlich waren. ... Letztendlich gab es in der zweiten Hälfte des Jahres 1941 Hinweise, dass sich meine Internierung dem Ende zuneigte: Uns wurde gesagt, dass für diejenigen, die versehentlich verschickt worden waren, eine Rückkehr ins Vereinigte Königreich möglich war. Oberste Priorität erhielten jene, die sich freiwillig zur British Army meldeten. Der Mangel an Frachtraum war wahrscheinlich die Hauptursache für die Verzögerungen. Ich hatte mich gemeldet und da nun dieses bestimmte Kapitel vor seinem Abschluss stand, konnte ich es kaum noch erwarten und wurde viel ungeduldiger als zuvor, als nicht viel zu geschehen schien. Im Oktober war eine Gruppe von uns dann schlussendlich unterwegs. Wir reisten nach Sydney und verbrachten eine Nacht in einem Heerlager in einem Vorort, der Liverpool hieß. Am darauffolgenden Tag bestiegen wir die Stirling Castle, die früher als Postschiff der Royal Mail zwischen Southampton und Cape Town ihren Dienst versah. Jetzt fungierte sie als Truppentransportschiff, hatte aber auch tiefgekühlte Laderäume. Als wir abfuhren, traf ein anderes Linienschiff im Hafen von Sydney ein, das zur Gänze grau gestrichen war und erst als es schr nahe kam, konnte wir den Namen Queen Mary am Bug lesen. Die Passagiere an Bord setzten sich, abgesehen von unserer Gruppe, aus ein paar Zivilisten und einer Anzahl von Angehörigen der Royal Air Force aus Singapur, die ihre reguläre Dienstzeit dort versehen hatten und nun auf übliche Art und Weise versetzt worden waren, zusammen. Vermutlich hatte niemand im Luftfahrministerium eine Ahnung, dass Singapur schon bald bedroht wäre. (Wenn sie es jedoch ahnten, hatten sie vielleicht erkannt, dass sie nicht über genügend Fluggeräte und Ausrüstung verfügten, um sie weiterhin zu beschäftigen.) Wie üblich kannte wir den Bestimmungsort der Reise bei unserer Abfahrt aus Sydney nicht. Unser erster Halt war Auckland, wo wir Treibstoff, Wasser, eine große Ladung Butter und neuseeländisches Lammfleisch übernahmen. Elektriker kamen an Bord, um an der Entmagnetisierungsausrüstung des Schiffes (einem System, das vor Magnetminen schützen sollte) zu arbeiten und eine Partie frisch ausgebildeter neuseeländischer Piloten schloss sich den Männern der Royal Air Force an Bord an. Als wir in See stachen, zogen wir zunächst Achterschleifen um zwei Bojen im Hafen, zur Überprüfung ob die Entmagnetisierung funktionierte. Offensichtlich war dem so, da wir die Hafeneinfahrt ansteuerten und dabei auf spektakuläre Weise von zwei Flugzeugen, gelenkt von den Fluglehrern, zur Verabschiedung ihrer früheren Schüler, umschwirrt wurden. Nun begleitete uns, zu unserer Überraschung, vier Tage lang ein Handelsschiff. Es kursierten Gerüchte, dass ein deutsches Piratenschiff in dem Gebiet gesichtet worden war. Nach vier Tagen verließ uns unsere Begleitung und wir kreuzten den Pazifik mit 22 Knoten Reisegeschwindigkeit. Das Leben an Bord war im Vergleich mit den Bedingungen der achtzehn vorangegangenen Monaten luxuriös. Es gab eine Schwimmbad und einfach ungehindert an Deck umher zu schlendern war wunderbar. ... Wir befuhren den Pazifik bei herrlichem Wetter und erreichten den Panamakanal, wo wir uns zu einer Kolonne von Schiffen gesellten, die darauf warteten einzulaufen. ... Als wir an die 46 ZWISCHENWELT Reihe kamen, fuhren wir langsam durch gewundene Einschnitte hindurch und allmählich, nachdem wir drei gut voneinander abgetrennte Schleusen passiert hatten, waren wir auf die Höhe des zentralen Sees, des Gatünsees, gestiegen. Das Schiff glitt fast lautlos dahin und als wir an kleinen, dicht bewaldeten Inseln vorbeifuhren konnte man eine Vielzahl von Dschungelgeräuschen hören. Die Meisten von uns waren hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch zu schauen und zu lauschen und dem Gang nach unten anzutreten, um die erste Frischwasserdusche seit über zwei Wochen zu nehmen. Mir gelang beides. Die Ankunft am atlantischen Ende des Kanals erzeugte einen sehr außergewöhnlichen Eindruck: Dort gab es drei durchgehende Schleusen, die wie riesige Stufen wirkten und die See erstreckte sich sowohl darüber als auch darunter. Man hatte das Gefühl, das Schiff könnte außer Kontrolle geraten und hinabrutschen und ich erinnere mich, dass ich das Geländer fest umklammert hielt, nur für den Fall der Fälle... Nachdem wir den Kanal passiert hatten, begannen die üblichen Gerüchte um sich zu greifen. Das wahrscheinlichste Szenario bestand darin, dass wir weiter nördlich nach Halifax fuhren und uns einem Konvoi in Vereinigte Königreich anschlossen. Wir fuhren bei anbrechender Dunkelheit los und zogen an Haiti vorüber. Danach nahmen wir den vorgeschriebenen Zickzackkurs auf, um nicht in die Falle lauernder U-Boote zu tappen, ein beruhigender Verbündeter einer Atlantiküberquerung im November würde jedoch gewiss die raue Witterung sein. Letzten Endes war allerdings nicht eine Welle auszumachen, die See war vollkommen glatt und sogar ölig. Nach den ersten paar Tagen wurde ein Befehl ausgegeben, dass von nun an für den Rest der Überfahrt jeder stets vollständig bekleidet sein und jederzeit einen Rettungsring bei sich tragen musste. Das Wetter hatte sich leicht gedreht, es war nebelig geworden und wir sahen weder Schiff noch Flugzeug, weder Freund noch Feind, bis wir die Westküste Schottlands sichteten und am folgenden Tag an der Canadian Pacific Anlegestelle in Liverpool ankamen, an eben jenem Punkt, von dem ich England achtzehn Monate zuvor verlassen hatte. So endete meine erste Weltreise. Verglichen mit all den anderen, die ich seither unternommen habe, war es die längste, die am wenigsten luxuriöse, aber die mit Abstand billigste! Aus dem Englischen von Bernd Zeller. Die Überlebenden der Fahrt der Dunera haben sich zu einem Verein zusammengeschlossen, der Dunera Association, der die damaligen Geschehnisse nicht in Vergessenheit geraten lassen will und hierfür eine eigene Website (https://www.duneraassociation.com/) betreibt.