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halb des von den Kommunisten im Lager organisierten „Free Austrian Movement“. Dabei erklärten 110 Österreicher’ in mehreren Petitionen, dass sie „mit der Waffe in der Hand als selbständige österreichische Einheit gegen die Deutschen“ kämpfen wollen. Einen Absprung mit dem Fallschirm über Österreich lehnten sie allerdings ab. Letztlich waren all diese Pläne durch das rasche Kriegsende bald obsolet. Einige österreichische 999er haben allerdings bis Kriegsende weitergekämpft — jedoch nicht mehr in Griechenland. Dabei handelt es sich um jene, die nach dem Rückzug aus Saloniki und anderen nordgriechischen Städten sich nach Jugoslawien bzw. nach Albanien begeben hatten. So schlug sich etwa der aus Leoben stammende Franz Prevorcic — nachdem er im Oktober 1944 in Nordgriechenland zur ELAS übergelaufen war — nach Makedonien durch. In Prilep, beim Hauptstab der 5. Brigade der jugoslawisch-makedonischen Partisanen, wurde ich dann von einem deutschsprechenden weiblichen Partisanen im Offiziersrang einvernommen. So konnte sie sich über meine bisherige Tätigkeit ein Bild machen. Ich wurde dann als Funkhelfer und einige Tage später auch bei der kämpfenden Abteilung eingesetzt. Wir standen damals im erbitterten Kampf gegen die albanischen Ballisten, einer faschistischen Formation. |... ] Die Kämpfe spielten sich bei der Stadt Bitola und um den Ohridsee ab. [...] Wir kamen bis Tirana, der albanischen Hauptstadt.“ Im Jänner 1945 wurden schließlich alle deutschsprechenden Partisanen in Albanien zusammengezogen und sie marschierten gemeinsam nach Skopje und weiter nach Ni8. Andere wiederum — wie die Gruppe um den ebenfalls aus Leoben stammenden Karl Fladerer — schlugen sich auf direktem Weg nach Ni8 durch, von wo sie in nach Beograd gingen und wo Fladerer oder der Wiener Kommunist Leopold Spitaler — auch er war in Griechenland als „Wehrunwürdiger“ zur ELAS desertiert — den Auf bau von „Österreichischen Bataillonen“ in Angriff nahmen und in den jugoslawischen Kriegsgefangenenlagern nach Kämpfern für das „Österreichische Bataillon“ suchten und in zahlreichen chemaligen Kampfern bei der ELAS, wie etwa Franz Prevorcic, auch fanden.?° Sie marschierten bereits im Mai 1945 im Rahmen des II. und IV. Österreichischen Bataillons nach Wien, wo sie am 17. Juni gemeinsam mit anderen am „Tag der Volkssolidarität“ über den Ring zogen. Jene österreichischen 999er, die in britische bzw. sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten waren, kehrten teilweise erst zwei Jahre später nach Österreich zurück. Anmerkungen 1 Sammlung August Pirker: Kopien verschiedener Dokumente der ELAS. 2 Allgemein zu den 999er: Hans-Peter Klausch: Die 999er. Von der Brigade „Z“ zur Afrika-Division 999: Die Bewährungsbataillone und ihr Anteil am antifaschistischen Widerstand, Frankfurt/Main 1986; Heinz Kühnrich: 999er zwischen Adria und Ägäis. In: Stefan Doernberg (Hg.): Im Bunde mit dem Feind. Deutsche auf alliierter Seite. Berlin 1995, S. 189-232; Hans Burkhard/Giinter Erxleben/Kurt Nettball: Die mit dem blauen Schein: Uber den antifaschistischen Widerstand in den 999er Formationen der faschistischen deutschen Wehrmacht (1942 bis 1945). 2. Aufl. Berlin 1986. 3 Ein erster Beitrag zu einem der 999er, die zu den griechischen Partisanen übergelaufen sind, stammt vom Autor: Heimo Halbrainer, August Pirker: Widerstand in Österreich und Griechenland. In: Mitteilungen der Alfred-Klahr-Gesellschaft 24 (2017), H. 3, S. 14-18. Die folgenden Ausführungen stützen sich auf die Erinnerungen Pirkers. August Pirker: Als Österreicher bei den griechischen ELAS-Partisanen!, Manuskript 1968 (DÖW 5889); Gespräch mit August Pirker, 16.3.1988; Klausch: 68 _ZWISCHENWELT Die 999er, S. 232-253. 4 Klausch: Die 999er, S. 13f. 5 Das gesamte Deutsche Wehrrecht. Ergänzbare Sammlung aller wehrrechtlichen Vorschriften, bearb. u. hg. v. Kurt Wagner und Hans Fritz Röder. Band 1, Berlin 1936, S. 19. 6 Hans-Peter Klausch: „Wehrunwürdige“, die Bewährungsbataillone 999 und das Problem der Desertion als eine Form des antifaschistischen Widerstandes. In: Fietje Ausländer (Hg.): Verräter oder Vorbilder? Deserteure und ungehorsame Soldaten im Nationalsozialismus, Bremen 1990, S. 157-179, hier S. 160. 7 Schreiben des OKW vom 14.4.1943 zitiert nach Klausch: „Wehrunwürdige“, S. 161. 8 Klausch: Die 999er, S. 60f 9 Pirker: Als Österreicher bei den griechischen ELAS-Partisanen. 10 Pirker: Als Österreicher bei den griechischen ELAS-Partisanen. 11 Brief von Adalbert Eibl, 13.2.1969 (DÖW 5437). 12 Das Verhältnis der Bevölkerung von Deutschland zu Österreich vor 1938 ist 1:10. Bei insgesamt rund 28.000 Männern in den Einheiten der 999er, von denen ein kleiner Teil an der Ost- und Westfront eingesetzt wurde, ergibt diese Einschätzung. 13 Siehe dazu unter anderen die Gedächtnisprotokolle von Wolfgang Neugebauer mit den ehemaligen 999ern. Protokoll mit Johann Schlagl vom 14.2.1970 (DÖW 6202); Protokoll mit Hans Just vom 28.11.1969 (DÖW 6027). 14 Burkhard/Erxleben/Nettball: Die mit dem blauen Schein, S. 164f 15 Brief von Ernst Hansch an August Pirker, 18.2.1969 mit Kopie eines Briefes an Herbert Steiner mit Informationen iiber den Widerstand auf Limnos. (Kopie im Besitz des Autors) 16 Pirker: Als Osterreicher bei den griechischen ELAS-Partisanen. 17 Wolfgang Abendroth: Alles was wir tun können. In: informationen. Wissenschaftliche Zeitschrift des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933-1945, Nr. 2/1979 (Wiederveröffentlicht im Neuen Deutschland, 9.4.2015). 18 Klausch: Die 999er, S. 134f. 19 Protokoll mit Erwin Kritek vom 17.5.1969 (DÖW 5562). 20 Ludwig Gehm zit. nach Klausch: Die 999er, S. 251. 21 Das Flugblatt ist abgedruckt in: Klausch: Die 999er, S. 252. 22 Klausch: Die 999er, S. 333. 23 Karl Fladerer: Heuberg am kalten Arsch. In: Max Muchitsch: Die Rote Stafette. Vom Triglav zum Hochschwab, Wien 1985, S. 203-208, hier S. 206. Siehe dazu auch: Erwin Bartz, Soldat auf Bewährung, Berlin 1956, S. 85f. 24 Adalbert Eibl zitiert nach Klausch: Die 999er, $. 268. Siehe dazu den Brief von Eibl, 13.2.1969 (DÖW 5437). 25 Klausch: Die 999er, S. 288. 26 Protokoll mit Johann Schlagl vom 14.2.1970 (DÖW 6202). 27 Abendroth: Alles was wir tun können. 28 Protokoll mit Wilhelm Wehofer vom 2.5.1969 (DÖW 5569). 29 Pirker: Als Österreicher bei den griechischen ELAS-Partisanen, S. 15. 30 Pirker: Als Österreicher bei den griechischen ELAS-Partisanen, S. 20. 31 Pirker: Als Österreicher bei den griechischen ELAS-Partisanen, $. 25. 32 Gespräch mit August Pirker, 16.3.1988. Allgemein siehe auch: Heinz Kühnrich: Enttäusche Erwartungen im bulgarischen Lager. In: Stefan Doernberg (Hg.): Im Bunde mit dem Feind. Deutsche auf alliierter Seite. Berlin 1995, S. 369-375. 33 Protokoll mit Dr. Fritz Hanacik vom 10.6.1969 (DOW 5583). 34 Diese Zahl nennt Wehofer (DÖW 5569). 35 Franz Prevorcic: Von den 999ern zum V. Bataillon. In: Max Muchitsch: Die Rote Stafette. Vom Triglav zum Hochschwab, Wien 1985, S. 255-261, hier S. 259f. 36 Siehe dazu die Berichte von Fladerer und Prevorcic.