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Wie hebt sich frei und leicht die Brust von neu erwachter Lebenslust! Ein Herz von Stein wird wieder weich, gedenkt es dein, mein Österreich. Und nun entsteigt dem Wüstensand ein Wunder seltner Art: Der Alpensee, der Donaustrand zu einem Bild gepaart. O Alpensee, o Bergnatur in eurer schlichten Pracht und Wiener Wesen, Wiens Kultur, seid stets zugleich gedacht. Zu neuem Ziel geht Hand in Hand, geliebte Stadt, geliebtes Land! Ein Herz von Stein wird wieder weich, gedenkt es dein, mein Osterreich. Nach seiner Rückkehr nahm Just seine Arbeit bei der Städtischen Versicherung wie auch sein Studium wieder auf. Zudem konnte er wieder literarisch aktiv werden. Erste Veröffentlichung erschienen in Anthologien und Zeitungen, er beteiligte sich an Dichterlesungen, und der Rundfunk brachte seine Gedichte, die einerseits seine Verzweiflung und Verbitterung und andererseits seine Sehnsucht nach Freiheit und die Liebe zu seiner Frau dokumentieren. Just blieb aber zeit seines Lebens als Folge seiner Jahre bei den 999ern und im Lager krank und invalid und starb am 12. Juli 1970 im 63. Lebensjahr in Wien. Nach seinem Tod gab seine Frau 1971 den Band „Geständnis für alle“ heraus, in dem sie auf das Vorsatzblatt handschriftlich eine Kurzbiografie ihres Mannes schrieb. Anmerkungen 1 Volksstimme, 16.11.1948. 2 Die biografische Skizze fußt auf dem Beitrag von Maria Kramer: „Ich fühl’ in mir den Drang zu großen Taten ...“ Zum Gedenken an Hans Just. In: MdZ 13 (1996), H. 4, S. 14-16. Zudem befragte Wolfgang Neugebauer Just kurz vor seinem Tod: Gedächtnisprotokoll der Befragung von Herrn Prokuristen Hans Just vom 28.11.1969 (DÖW 6027). 3 Die Flugblätter sind in der Anklageschrift des Oberreichsanwalts beim Volksgerichtshof gegen Eduard Jaroslavsky u.a. beschrieben. Siehe Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.): Widerstand und Verfolgung in Wien 1934-45. Eine Dokumentation. Bd. 2. Wien 1984, S. 243-246, hier. S. 245f 4 6 J 124/40g: Urteil des Volksgerichtshofs gegen Eduard Jaroslavsky u.a. vom 11.6.1941. 5 Allgemein wie auch über diese Verlagerung der 999er von Griechenland an die Ostfront siche: Hans-Peter Klausch: Die 999er. Von der Brigade „2“ zur Afrika-Division 999: Die Bewährungsbataillone und ihr Anteil am antifaschistischen Widerstand, Frankfurt/Main 1986, S. 177-185. 6 Über die Ereignisse in Volos siehe u.a. Klausch: Die 999er, S. 241-253. 7 Gedächtnisprotokoll der Befragung von Johann Schagl vom 14.2.1970 (DÖW 6202). 8 Gedächtnisprotokoll der Befragung von Johann Schagl vom 14.2.1970 (DÖW 6202). 9 Beide sind abgedruckt in: Hans Just: Geständnis für alle. Gedichte, Wien 1971, S. 85-87. Rezensionen Carl Laszlo Ferien am Waldsee „Die Aktualität der hier mitgeteilten Erlebnisse scheint mir außer jedem Zweifel zu sein“, so Carl Laszlo 1955 im Vorwort seines „Überlebensberichts“, den er gegen die Verdrängung, gegen das Unaufgeklärte, gegen das Unterdrückte für eine Vergegenwärtigung schreibt und nicht nur an die Lesenden, sondern auch an den Schreiber selbst richtet. Der Psychoanalytiker, der der Galerist und Kunstsammler Laszlo wohl nur temporär aktiv war, erzählt im Sinne Sigmund Freuds von der Bedeutung des Erinnerns, Wiederholens und Durcharbeitens. Vielleicht ist dahingehend bezeichnend, dass „Ferien am Waldsee“ erstmals 1955 im Eigenverlag erschien und dann 1981 und 1989 ebenfalls auf Betreiben und finanziert durch Carl Laszlo noch zweimal aufgelegt wurde — dass Laszlo also immer wieder auf diese Erinnerung zurückkam — lange bevor Alexander von Schönburg und Albert C. Eibl diese im Verlag „Das vergessene Buch“ publizieren sollten. „Wie kann ich Euch vom Ausatmen abhalten?“ fragt Ruth Klüger in „weiter leben“ (weiter leben. Eine Jugend. Göttingen 1992, S.176) ihre Leserschaft. Ein Appell, der mahnt, sich nicht der „escape story“ hinzugeben, sich nicht in dem Zeugnis der „großen Ausweglosigkeit“ über den glimpflichen Ausgang zu erleichtern. „Die Waagschale mit den Toten hebt sich nur sehr unbeträchtlich durch das geringe Gewicht solcher wie ich, die hoch oben in der anderen Schale sitzen.“ (ebenda, S.177) Carl Laszlo lässt Aliego für sich sprechen, sein ambivalenter Freund, der immer wieder auftritt, dem er einen Teil von sich übertragen hat. Da wo der Ich-Erzähler schweigt, wird Aliego umso gesprächiger, dem Laszlo die Ironie ins Lächeln schreibt. Wirst Du stumm zwischen ihnen herumgehen, den anderen, dann werden sie Dich vielleicht in Ruhe lassen, und Du wirst ihnen nicht zu lästig werden; aber Dein Mund wird Dir weh tun, und eines Tages wirst Du anfangen zu sprechen, und niemand wird verstehen, was Du eigentlich willst. Alles, was Du ihnen sagen wirst, werden sie missverstehen, je mehr Du ihnen über die Konzentrationslager erklären wirst, umso weniger werden sie davon begreifen, und es wird ihnen auf die Nerven gehen, dieses nicht in ihren Kram Passende. Sie werden Dich als gefährlich oder als krank betrachten, sie werden Dich blutig nennen, weil Du mit Deinem eigenen Blute Deine Aussagen unterschreiben wirst. (S.68, 69) Es ist diese Schwierigkeit, die Laszlo in seinem Vorwort adressiert, wenn er die Frage der Leser_innen vorwegnimmt, warum diese Niederschrift denn nötig sei. Aliego wird weiters sagen: „Nein, mein Lieber, wir haben in dieser Welt nichts mehr zu suchen; zwischen uns und den anderen hat sich eine undurchdringbare Wand aufgerichtet und trennt uns von allen denen, die nicht hier waren.“ (S. 85) Laszlos Erinnerungen sind eine Einladung diese Wand abzutragen, an der Brücke zu bauen, die es „gar nicht gibt, von meinen Erinnerungen zu euren“ (weiter leben, S. 138, 139). Widerwillen dieser Einladung Folge zu leisten, versteckt sich schnell, wenn man sich am Felllini-esquen Stil, den Laszlo im Erzählen der Episoden entwickelt, anhält. Hier lässt sich für den Lesenden Zuflucht finden, da wo man nichts zu suchen hat. Die Distanz, die Laszlo durch sein Alter-Ego Aliego zu seinen Erinnerungen einbringt, hat etwas Ermächtigendes. „Dass das Leben ein ständiges Rollenspiel ist, hat mir meine Mutter beigebracht“, September 2021 7/1