Da ist in einem Menschen alles drin
da ist in einem Menschen alles drin
ein Herz
und alles das vibriert
und denkt
und fühlt
und sieht dich an
und spricht
und in Dir ist das alles auch
nur anders
fühlt es
denkt es
vibriert es
und dazwischen die Luft schwingt
oder schwingt nicht
die Augen schauen
und sehen
oder nicht
die Münder sprechen oder schweigen
und irgendwann ist es aus
mit einem oder beiden
der eine geht
der andere bleibt
mit seinem Hirn zurück
das Hirn denkt weiter
die Luft schwingt weiter
und das Herz vibriert vielleicht
An Arbeit war
nicht zu denken
zum Glück hatte
man die anderen
Internierten die
genauso suspekt
waren wie man
selber
man half sich
(und den anderen)
wie man konnte
es war schwer
sich in einem
Gesamtzusammenhang
zu bewegen
von dem man nicht
wußte worauf
er hinsteuern würde
Furcht beherrschte
wieso schreibst du nicht, dass
wieso schreibst du nicht
dass an diesem Ort
dass damals
dass vorher
dass nachher
dass deine Eltern
dein Bruder
deine Schwester
du
dass an diesem Ort
dass an jenem Ort
Du hörst immer auf vor
Du schreibst immer nur bis
Es ist nie zu spät
alles zu erfinden
was gewesen ist
Livia Getreider, geb. 1955, lebt in Wien, schreibt Gedichte, Prosa,
Veröffentlichungen in Anthologien, Literaturzeitschriften.
Literaturpreise: Literaturpreis „Argumentative Dichtung“ für
den Text „Nichts, Alles, Philosophie, Gefährliche Ideen‘; 2. Platz
beim Literaturwettbewerb „6. Günter Bruno Fuchs-Literaturpreis
2012“, ausgeschrieben vom Berliner Buchhändlerkeller.
alles und alle
man war beseelt
von der vagen
Hoffnung daß man
unbeschadet aus dem
Lager hervorgehen
könnte aber da war
das unsichere Morgen
das das schon unsichere
Heute überschattete
Einige verzweifelten
einige gaben auf
einige hielten sich strikt
an die tägliche Routine
viele waren erst nach
ihrer Befreiung so weit
daß sie ihren Kampf
aufgaben