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aber blutbespritzt jetzt und beschissen und G’schwind-g’schwind dann nur dünn übermalt. [...] Ein wiederkehrendes Moment in ihren Gedichten ist ein dialogischer Charakter, der manchmal ein Frage-Antwort-Spiel, manchmal aber auch mehr Selbstgesprach oder Echo sein kann. So auch im Gedicht „Anruf und Echo“ von dem ich die erste von drei Strophen zur Veranschaulichung zitieren möchte: Herz, hast Du mich verlassen ? — Dich lassen ? in kalter Nacht verweint ? - vereint — Ins Leere nur zu fassen ? - umfassen — Mein Schatten nur zu sein ? nur SEIN !” Dialogisch sind ihre Gedichte aber nicht nur innerhalb eines abgeschlossenen Gedichtes, sondern auch über die Grenzen der einzelnen Gedichte hinweg. Beim Lesen entsteht dadurch der Eindruck, als reichte ein Gedicht dem nächsten die Hand, als wären ihre Gedichte sehr offen und gesprächsbereit, als hörten sie einander zu. Zum einen schreibt Melitta Urbancic aus ihrem eigenen Leben heraus und verarbeitet ihr Schicksal und Leben in Gedichten. Sei das nun ihre Fxilerfahrung in Island, die Natur oder die Trauer um den frühen Tod ihres Mannes. In Deinem Arbeitszimmer liegt noch der Schatten Deiner Hand auf allen Dingen — Wie Du zur Wiederkehr — gleichwie zum Abschied — wohlgeordnet sie bereitgelegt hast immer — Ich wage nicht, sie zu berühren — Da schon vom Schmetterling der Farbenschmelz dahingeht unterm Finger, fürchte ich, den Blick, mit dem Du Abschied nahmst von allem — — gleichwie zur Wiederkehr — hinwegzulöschen — — unversehens noch — fir immer —"8 Zum anderen verbindet sie in ihrem Schreiben Philosophisches mit Religiösem, was zu einer ungewöhnlichen Mischung und Spannung führen kann, wie in ihrem Manuskript „KAIROS“, in welchem sie den Gott der griechischen Mythologie als Idee des entscheidenden Moments mit Episoden aus dem Alten und Neuen Testament verknüpft. I m Wandern kommt er auch an ihre Tiire, unschlüssig noch, in welcher Erdgestalt sein Weg ihn in die niedre Stube führe: Da weitet sich von selbst der dunkle Spalt und sie - ein Leuchten über ihrem Haar hebt ihren Blick in seinen, strahlend, weil sie einen Engel sieht. Und also war er ihr der Engel, der sie griifset:,, Heil —“” Ihr Verständnis von Kairos versucht sie in „KAIROS - Ein Dialog“, einem Interview, das sie mit sich selbst als Selbstgespräch führt, zu vermitteln: In der griechischen Mythologie ist KAIROS der Gott des günstigen Augenblicks, und „günstig“ ist auch im Deutschen ein vielgründiges Wort. Es kommt von gönnen, gewähren und ist sprachlich sowie inhaltlich eng verwandt mit dem ali-nordischen „unna“ für lieben, ersehnen, erringen, bis zu unserem heutigen „gewinnen“. Nicht die Vergänglichkeit des Augenblicks — seine Dauer ist durch KAIROS zu gewinnen.” Die von Jaspers geforderte „lebenslange Treue zu sich selbst“?! manifestiert sich auch in ihrem Schreiben, da sie Begriffe wie „Kairos“, „Einiges Dasein“, oder auch „Ferne Nähe“, die als Titel zu Manuskripten fungieren, ihr Leben lang beschäftigen und von ihr immer wieder neu gedacht und variiert werden. Als Symbol, welches sie oft anstatt ihres Namens unter Gedichte setzte und mit dem sie auch ihre Skulpturen signierte, wählte sie sich einen Stern, der aus sieben auf eine leere Mitte zulaufenden Strichen gebildet wird. Dieser wurde von Kurt Zier, der ebenfalls als Exilant nach Island kam, gezeichnet. Als Stern verweist er einerseits auf ihre jüdische Herkunft, so thematisiert sie in ihrem „STERNTRÄGER“ betitelten Gedicht auch explizit den sechszackigen Judenstern: Jetzt haben sie den Stern an eure Brust, das Zeichen unverdienter Schmach, geheftet, das jedes Menschenrecht für euch entkräftet, euch preisgibt jeder niedern Pöbellust. [...P? Andererseits wählt sie aber eben dezidiert nicht den Judenstern als Zeichen für sich, sondern eine andere Sternform, da sie ja auch ganz bewusst und aus Überzeugung zum katholischen Glauben konvertiert ist. Nicht nur als Symbol mit dem sie signierte, sondern auch inhaltlich sind Sterne wiederkehrende Motive in ihrer Dichtung. Unter Sternen Wie danken einander die Sterne, wenn nicht mit noch tieferm Geleucht ? Zu Nähe wird ringsum die Ferne im Glanz, der den Nebel verscheucht. In Fernen verdämmern die Schemen von Wolken und Welten zu Nichts — Die ewigen Räume vernehmen das Schweigen des einigen Lichts.” Die Tochter Sibyl Urbancic sagte einmal über ihre Mutter: „Sie konnte nicht ohne zu dichten sein, sie konnte nicht ohne Sprache, August 2022 25