während des Postwegs oder bei Hausdurchsuchungen mitgelesen
bzw. konfisziert wurden), mit den häufigen Razzien in Frankreich
und der Möglichkeit, in Spanien an der Front eine technisch-ad¬
ministrative Ausbildung zu erhalten. Einmal angekommen wurde
der Student an verschiedenen Orten eingesetzt, zuletzt auf den
Höhen vor Romanillos bei Brunete. Von seinem Freund Schnei¬
berg erfuhr er keinen Aufenthalt und wusste auch nicht, dass die¬
ser bereits Ende Februar 1937 bei den Kämpfen am Jarama als
Kommandant des Bataillons „6. Februar“ gestorben war. Hin¬
gegen tauchten in der rumänischen Boulevardpresse Meldungen
auf, Leibovici sei ebenfalls gefallen. In Briefen über Paris an seine
Eltern bemühte sich Leibovici, diese Falschmeldungen zu korri¬
gieren. Auch Schneibergs Bruder Juju, der in Paris vom Tod seines
Bruder erfuhr, schrieb an Leibovicis Eltern, dass er wisse, dass ihr
Sohn lebe.” Dieser konnte noch im Juli 1937 begeistert von einem
Erholungsaufenthalt in einer großen Villa bei Madrid berichten.
Im gleichen Monat trifft Leibovici als Angehöriger des Bataillons
„Ischapaev“ (XIH. Brigade) bei den Kämpfen um das Castel Ro¬
manillos im Rahmen der dreiwöchigen zweiten Offensive von
Brunete nicht nur auf Kantorowicz, sondern auch auf den frisch
von der Uni lati approbierten UCTisten und Arzt David Iancu,
der seit April in Spanien aktiv war.” Leibovici hatte in den Kämp¬
fen um Romanillos eine von den feindlichen Truppen geschlagene
Bresche ausgefüllt und war dabei verletzt worden. Nach Iancus
Angaben verweigerte er eine Behandlung und kam erst einen Tag
später in ein Spital in Madrid, wo er sich eine Blutvergiftung hol¬
te und nicht mehr gerettet werden konnte.”® Burcea erwähnt in
seinem Aufsatz, dass die diesmal zutreffende Todesnachricht erst
im November in der rumänischen Moldau anlangte. Vorher hatte
die Siguranta in einer Hausdurchsuchung bei der Familie Leibo¬
vici wie bei der benachbarten Familie Schneiberg in Targu Neamt
Briefe, Fotos und andere Materialien beschlagnahmt, die zur Ver¬
folgung und Aufhebung der Staatsbürgerschaft der Freiwilligen
wegen Militärdienst in einer ausländischen Macht dienen sollten
und später ins Archiv wanderten. Dort haben sich einige Fotos
erhalten, die Leibovici in Spanien zeigen.”
In dem zweiteiligen Aufsatz Recuperarea interbrigadittilor” ver¬
folgt Burcea die Teilnahme des kommunistischen Freiwilligen Ion
Cälin aus einem Dorf bei Bukarest im Spanischen Bürgerkrieg
und darüber hinaus auch in den französischen Lagern und der
Resistance. Denn mit dem Ende der Teilnahme der internatio¬
nalen Brigaden im Herbst 1938 begann auch für viele rumäni¬
sche TeilnehmerInnen der Exodus in die improvisierten Lager in
Südfrankreich: Argeles-sur-Mer, St. Cyprien, Vernet, Gurs. Hier
bildeten sie in den nach Nationen aufgeteilten Abteilungen eine
zeitweise 170 Mann starke rumänische Gruppe. Das Schicksal
dieser Interbrigadisten war nach Ende der Volksfrontregierung
und Antritt der Regierung Daladier prekär: Die Lager waren
schlecht organisiert, anfangs bestanden sie nur aus einem Stachel¬
drahtzaun auf einem freien Gelande, erst später waren Unterkünf¬
te verfügbar. In den „ilots“ (Inseln) der einzelnen Nationen ver¬
suchten die Parteikader den Ablauf zu strukturieren, boten Kurse
an, leiteten Kulturveranstaltungen, bemühten sich um Kontakte
nach außen. Allerdings machte sich in dieser gegenüber der Front¬
disziplin freieren Situation auch in der rumänischen Gruppe die
Dissidenz gegen den Vormachtanspruch der KP bemerkbar: Der
Arzt Dr. ttefan Sindulescu und einige andere galten als „trotzkis¬
tische Provokateure“.?' Der Abschluss des Hitler-Stalin-Pakts am
23. August 1939 erhöhte die politische Ratlosigkeit der von der
Niederlage der Republik in Spanien geprägten InterbrigadistIn¬
nen. Die Veränderung der politischen Lage in Rumänien wirkte
sich ebenfalls prekär aus: Der Innenminister der 1938 installierten
Königsdiktatur von Carol I]. verweigerte den Interbrigadisten jede
konsularische Hilfe und entzog ihnen wegen der Militäraktivitäten
in einem fremden Staat die Staatsbürgerschaft. Einige der rumäni¬
schen Kommunisten konnten ihre Entlassung in die Sowjetunion
erreichen.” Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs engagierten sich
nicht wenige in der Résistance, andere wurden in die Fremden¬
legion gezwungen oder Zwangsarbeiter in Hitler-Deutschland.*
Zugleich wurden die Lager nach Ausbruch des Krieges mit inter¬
nierten deutschen und 6sterreichischen Exilanten gefiillt. Oft wur¬
de ihre Geschichte als Lager für Interbrigadisten und Flüchtlinge
nach dem spanischen Bürgerkrieg dann nicht mehr thematisiert.
Von den in der Resistance aktiven früheren Freiwilligen der In¬
terbrigaden wären zu erwähnen Olga Bancic, Ion Cälin, Francisc
Wolff-Boczkor u.a., die von den Nazis in Frankreich oder nach der
Verschleppung in KZs und Gefängnisse in Deutschland ermordet
wurden. terban Bazil flüchtete aus dem Lager Gurs und übernahm
in Marseille die Funktion eines militärischen Leiters der Unter¬
grundorganisation F.T.P.-M.O.l, der frühere Jura-Student Leon
Herscovici (Petre Mihäileanu) aus Vaslui wird nach der Flucht aus
dem Lager Castres 1943 zum Kommandanten der F.T.P. West¬
frankreich in Nancy, Mihail Florescu engagiert sich in den F.F.I.%
Valter Roman kam in die SU und kehrte wie einige andere (Ghe¬
orghe Stoica, Borilä, Constantin Doncea, Manole H. Manole,
Florescu) dann mit der Roten Armee nach Rumänien zurück,
als das Land am 23. August 1944 die Seiten wechselte. An den
Machtkämpfen an der Spitze der Partei und des Staates” nach
der vollständigen Übernahme der Macht 1947 hatten die frü¬
heren Freiwilligen keinen signifikanten Anteil. Ihre militärische
Vergangenheit in Spanien ließ ihnen vor allem Positionen in der
Armee (Valter Roman [später in der Verlagsarbeit], Stan Minea,
Mihai Burcä), in der Securitate (Mihail Patriciu” [Grünsperger
Mihäly], Dumitru Maxim, Coloman Ambrut), aber auch in der
ideologischen Arbeit (Valter Roman, Leonte Tismäneanu, Petre
Mihäileanu) zukommen. In der Regel kamen die dem Stalinschen
Terror der Jahre 1936-40 entgangenen Spanienkämpfer als „Inter¬
nationale“ nicht im Machtkampf an der Spitze zum Zuge, sondern
fanden im etablierten kommunistischen Regime zT. in repressiven
Kontroll- und Überwachungsorganen ihre Positionen.
1 Alfred Kantorowicz: Spanisches Kriegstagebuch. Mit einem neuen
Vorwort des Verfassers und einem Anhang bisher unveröffentlichter Do¬
kumente und Briefe. Frankfurt/Main 1982 (Bibliothek der verbrannten
Büchern), S. 431. Diese Taschenbuchvariante ist die „ungekürzte Ausgabe“
des im Konkret Litaturverlag Hamburg 1979 erschienenen Buches, für
das Kantorowicz Änderungen gegenüber der Originalausgabe von 1966
machte; s. Anm. 2.
2 Alfred Kantorowicz: Spanisches Kriegstagebuch. Köln 1966, S. 363. In
der Taschenbuchausgabe (Anm. 1) ersetzt der Anhang ein längeres Nach¬
wort, das in der Ausgabe 1966 insbesondere der SED-Nomenklatura den
heuchlerischen Umgang mit den Spanienkämpfern und den BRD-Äm¬
tern die Bevorzugung der Legion Condor-Angehörigen gegenüber den
Spanienkämpfern vorwirft. In einem Text „Anstelle eines Vorworts“
wehrt sich Kantorowicz dagegen, dass die erste Stufe des „Spanischen
Kriegstagebuchs“, 1948 im Aufbau Verlag erschienen (in mehrere Spra¬
chen übersetzt, eine zweite Auflage wurde 1951 in der DDR nicht mehr
genehmigt), nicht in die eine weite Verbreitung garantierende Reihe Bi¬
bliothek Fortschrittlicher Deutscher Schriftsteller aufgenommen wurde.