oder Verwandte haben, deren “Befreiung”
von der Sprache durch russischen Zwangs¬
unterricht und Verbot des Ukrainischen
selbst in den Schulpausen, Streichung der
Sommerferien für Kinder in den besetzten
Gebieten durch erzwungenen Russisch¬
Unterricht
das Verbrennen ukrainischer Bücher, der
Zwang in den besetzten Gebieten, russi¬
sche Lehrbücher zu verwenden.
Elena Volochina berichtet von den 2021 in
der Russischen Föderation neu herausge¬
gebenen Schulbüchern für die 10. Klasse,
die nun auch in den besetzten Gebieten
eingesetzt werden: Der Hitler-Stalin-Pakt
sei notwendig gewesen, um einem Hit¬
ler-England-Pakt zuvorzukommen, Stalin
habe keine Wahl gehabt. FAKE News:
Russländischer Geschichtsunterricht
2022.
Ende März 2022: Der österreichische
Schriftsteller Franzobel publiziert sein
“Lob der Feigheit”: Leichten Herzens
streut er das männliche Hormon Testos¬
teron gleichermaßen über Angreifer und
Verteidiger. Ich lese seinen Artikel im
Standard und finde keine Sprache. Mar¬
tin Pollack findet Worte. Wie dankbar ich
ihm bin! (Siehe den Nachdruck seiner Ant¬
wort auf Franzobels Aufruf zur Feigheit in
dieser ZW). Einige Wochen später wird
Franzobel in einem TV-Duell auf Susan¬
ne Scholl treffen und seinen Aufruf durch
eine Exotisierung der Russen verstärken.
(“die” seien “anders”, hätten eine “ganz an¬
dere” Weltsicht, die “vielleicht auch” rich¬
tig sei.) Susanne Scholl behält die Fassung.
Sie erinnert an die russische Journalistin
und Aufdeckerin russländischer Kriegs¬
verbrechen in Tschetschenien, Anna Po¬
litkowskaja, ihre an Putins Geburtstag er¬
mordete Kollegin und Freundin. Wie viel
Zärtlichkeit, Freude an einem Menschen
und Trauer Susanne Scholl in diesen einen
Namen legt: “Anna”!
Stand August sind 26 000 Kriegsverbre¬
chen dokumentiert. Die USA hat den be¬
rühmten “Nazi-Jäger” Eli Rosenbaum zur
Mitwirkung an den Untersuchungen her¬
angezogen.
Roman Avramenko, Direktor von Truth
Hounds, der 2014 in der Ukraine gegrün¬
deten Organisation zur Dokumentation
russländischer Kriegsverbrechen seit der
Annexion der Krim und dem Krieg im
Donbas, sagt zur “verbrecherischen Lo¬
gik” der russländischen Armee: „Was die
Morde angeht, so sind die Ukrainer in den
Augen der Russen durch jahrelange Pro¬
paganda so entmenschlicht worden, dass
man sie ohne Gewissensbisse töten kann,
so wie man eine Fliege erschlägt.“ (Frank¬
furter Allgemeine, 8.8.2022)
Über 600 000 Tonnen Getreide sind aus
der Ukraine gestohlen worden
Der Historiker Antoine Arjakovsky sagt:
Menschen brauchen Gerechtigkeit. Man
solle endlich seinen Russozentrismus ab¬
legen. (France 24).
In News erscheint ein antisemitisches
Porträt des ukrainischen Präsidenten, was
Christian Ortner von mena-watch auf¬
deckt, wofür er von News verklagt wird.
Die Psychotherapeutin und Schriftstelle¬
rin, Mitglied der Grazer AutorInnenver¬
sammlung, Monika Wogrolly, hatte in
ihrer Fern-Analyse Selenskyj so beschrie¬
ben: “Triebfeder kann hier (...) das psycho¬
logische Trauma seiner jüdischen Vorfahren
und die Sehnsucht nach dem Einssein und
Geliebtwerden mit und von einem schein¬
bar allmächtigen Vater sein.” (Die Presse,
29.7.2022)
Der Historiker Timothy Snyder schreibt
in “Der Weg in die Unfreiheit. Russland.
Europa. Amerika”: Putin sei es gelungen,
die extreme Linke und die extreme Rechte
zu vereinen.
Wie sollen wir uns Europa vorstellen,
wenn Putin — nach Tschetschenien, nach
Georgien, nach Syrien, nach 2014 — wieder
das Beutemachen gelingt?
Reden wir in den Schulen weiter von “To¬
leranz” und “Zivilcourage” und schauen
weg, wenn uns ukrainische Kinder anse¬
hen, polnische, slowakische, tschechische,
kroatische, bosnische, albanische?
“Mit welchem Recht?”, fragte die slowa¬
kische Präsidentin, Bürgerrechtlerin und
Umweltschutzaktivistin, Zuzana Caputo¬
va im ukrainischen Parlament und erin¬
nerte an die Niederschlagung des Prager
Frühlings und das Schweigen des Westens.
Vaclav Havel nannte das: die “Anatomie
der Zurückhaltung” der westlichen Lin¬
Schon die Niederschlagung der Befrei¬
ungsbewegung in Ungarn 1956 der Bevöl¬
kerung so erklärt: Kampf dem Faschismus!
“Im Radio und in den Zeitungen wurde
wochenlang über die Ereignisse in Ungarn
berichtet, und in der Schule wurde jeden
Tag darüber gesprochen. Dann hörten
wir die Meldung, dass die Volksmacht
den faschistischen Angriff abgewehrt und
die Ruhe wiederhergestellt habe”, schreibt
Christoph Hein in “Von allem Anfang an”,
Aufbau Taschenbuch Verlag 2000, S. 194.
So funktionierte die Propaganda: Mar¬
tin Pollack im Gespräch mit Timothy
Snyder, Institut der Wissenschaften vom
Menschen, Wien. Pollack erzählt aus sei¬
ner Studienzeit in Polen in den 70ern. Im
jüdischen historischen Institut in War¬
schau hing ein riesiges Bild gleich im Fo¬
yer, Warschauer Ghetto-Aufstand 1943.
Im Vordergrund des Bildes ein russisches
Kampfllugzeug, das runterstößt auf das
Ghetto und eine Gruppe von Deutschen
beschießt, die in Panik weglaufen. Ghetto¬
kämpfer werfen ihre Mützen jubelnd dem
sowjetischen Kampflugzeug zu. „Eine
schöne Welt“ — nur wusste jeder, dass „das
völliger Blödsinn war“. Es hat nie einen
Einsatz sowjetischer Flugzeuge gegeben,
es hat nie Hilfe von sowjetischer Seite für
das Warschauer Ghetto gegeben, genau so
wenig wie für den Warschauer Aufstand
— „da waren die Russen aber schon etwas
näher“. Das Warschauer Ghetto wurde
von den Deutschen vernichtet. Dass das
Bild völlig gelogen war, wussten „auch
die Russen, und trotzdem haben sie sie
gezwungen“, dieses Bild im jüdischen his¬
torischen Institut in Warschau „jeden Tag
anzusehen“. (IWM, 29.9.2018, „Die Welt¬
geschichte vor Augen“, Martin Pollack und
Timothy Snyder über die Umwälzungen
in Osteuropa als Motor der gegenwärtigen
Die Aufrufe zur Menschenlebensscho¬
nung, die Mahnung, der Widerstand sei
doch völlig sinnlos, die Zusicherung, man
werde gut behandelt, gut versorgt werden,
es werde einem an nichts fehlen, unter¬
legt mit netten Fotos: Schon Propaganda¬
schlacht der Nationalsozialisten! Unzähli¬
ge solche Flugblätter in der Sowjetunion
unter die Leute gebracht. (Georg Tidl:
Propagandabomben und Flugblattgrana¬
ten über Kiew: Nationalsozialistische Pro¬
pagandawaffen im Kampf gegen die Rote
Armee. Wien: Löcker Verlag 2010).
Wir können nichts machen, uns sind die
Hände gebunden, es tut uns sehr leid.
“Seit 2014 hat die Ukraine dreimal ver¬
sucht, Konsultationen mit den Garantie¬
staaten des Budapester Memorandums
einzuberufen. Dreimal wurde sie abgewie¬