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chen? Oder unterstützten gewisse Öster¬
reicher im Gegensatz zu anderen rein gra¬
tis die fortlaufende Eroberungspolitik der
russischen Regierung? Einfach aus Vorlie¬
be für extrem reiche, starke Männer mit
Macht über Leben und Tod? Um nicht
zu schreiben: Aus Vorliebe für bzw. Liebe
zu Tätern? Wie viele kleine Rechtsextre¬
misten auch? Die sich gerne schleunigst
gegen alle möglichen,Opfer“ stellen und
lieber auf der Siegerseite stehen, windig

und findig.

Gefährliche Geldannahme

„Seit über einem Jahrzehnt finanziert und
fördert Putin nationalautoritäre Parteien
in ganz Europa, vernetzt sie untereinan¬
der und betreibt ein gewaltiges Propa¬
ganda- und Desinformationsnetzwerk,
um sie medial in ihren ‚Vaterländern“ zu
unterstützen“, steht in dem Buch gleich in
der Einleitung. „Putin und seine rechts¬
radikalen Freunde eint eine gemeinsame
Vision: eine weiße, christliche, ‚reinrassi¬
ge‘ Heimat, in der sich die Nationen nicht

Elisabeth Malleier

Die Demokratie und die
Europäische Union sind demnach sozusa¬

mischen...“

gen „die natürlichen Feinde“ Putins und
seiner Freunde.

Schon 2014 wurde ein Papier eines ein¬
flussreichen Moskauer Think Tanks be¬
kannt, in dem beschrieben wurde, wie
die „Alternative für Deutschland“ vom
Kreml unterstützt werden könnte, Gold
anzukaufen — auf diese Weise die Partei¬
kassen zu füllen und schließlich abhängig
zu werden. Ein anonymer Gönner ließ der
AFD 2016 eine signifikante Wahlkampf¬
spende zukommen. Außer an Orbän und
Le Pen sind russische Geldflüsse aber
bisher nicht nachzuweisen, doch es wird
bestimmt noch ausführliche Recherchen
geben. Gerade jetzt angesichts des Ukrai¬
ne-Krieges.

Es scheint aber auch gefährlich, Putins
Geld anzunehmen. „Ich will Sie nicht
beunruhigen, aber diejenigen, die Putins
Geld angenommen haben, werden sehr
hart arbeiten, um es zuriickzugeben. Ich
kann Ihnen sagen, dass es kein gutes Ende
nehmen wird“, hieß es in einer investiga¬
tiven Video-Dokumentation von Canal+,

Gerta, ein Madchen aus einer deutsch¬
tschechischen Briinner Familie, steht im
Mittelpunkt des von Katerina Tuckova
verfassten Romans mit zeithistorischem
Hintergrund. Die 1980 in Brno gebo¬
rene Kunsthistorikerin und erfolgreiche
Schriftstellerin gehört zu jenen jüngeren
tschechischen AutorInnen, die sich in kri¬
tischer und zugleich spannender und gut
lesbarer Form mit der Geschichte ausein¬
andersetzen.

Der Roman umspannt einen zeitlichen
Bogen von mehreren Jahrzehnten, begin¬
nend mit der Zeit vor der deutschen Ok¬
kupation bis nach dem Fall des Eisernen
Vorhanges. Gerta ist die Tochter einer
tschechischen Mutter und eines deutsch¬
sprachigen Vaters, eines überzeugten Na¬
tionalsozialisten, der auch seinen Sohn,
Gertas Bruder, auf seine Seite zieht. Die
nazistische Ideologie reicht bis in die Fa¬
milie, in der zunehmend alles Tschechi¬
sche entwertet wird und auf Befehl des Va¬
ters nur noch deutsch gesprochen werden
darf. Zugleich ist Gertas beste Freundin
ein tschechisches Mädchen. Trotz Ger¬
tas Widerstand kommt es während des

Krieges zur Entfremdung zwischen den
Freundinnen. Sie wird vom Vater beim
BDM angemeldet und schämt sich, als sie
mit einer überzeugten Nazi auf der Stra¬
ße Geld für die Winterhilfe sammeln soll.
Das Kind, mit dem Gerta sich am Abend
der Vertreibung der Deutschen aus Brünn
im Mai 1945 am Mendelplatz einfindet,
entstammt einer Vergewaltigung durch
den Vater nach dem Tod der Mutter.

Im Zentrum des Romans steht die Ver¬
treibung der Deutschen aus Brünn. Tu¬
ckovä verwendet dabei auch historische
Texte, so etwa Benes’ Rede in Brünn am
12. Mai oder die Bekanntmachung vom
30. Mai 1945, wonach alle Deutschen, die
im Stadtgebiet Brünn lebten, aufgefordert
wurden, sich an bestimmten Sammel¬
punkten einzufinden. Viele der Betroffe¬
nen dachten damals, dass es sich um eine
vorübergehende Maßnahme handle und
dass sie in einigen Wochen wieder nach
Hause zurückkehren würden. Da die
arbeitsfähigen Männer bereits inhaftiert
oder zu Arbeitseinsätzen abkommandiert
worden waren, bestand die Ansammlung
jener, die an diesem Abend aus der Stadt

über die im Buch berichtet wird.

Seit der Veröffentlichung des Buches ist
viel geschehen und man fragt sich, ob die
beiden Autoren eine Fortsetzung planen,
bzw. wer jemals diese Zusammenhän¬
ge aufklären wird. Fünf Jahre, in denen
rechtsextreme Strömungen ihren Einfluss
in den sozialen Medien nonstop ausbau¬
ten und obsessiv bestimmen wollen, wer
Nazi sei und wer nicht.

Inwieweit österreichische Medien russi¬
sche Gelder erhalten oder erhalten haben,
wäre doch wirklich spannend zu wissen.
Manche Geldgeber der Onlinenachrich¬
tenseite Exxpress zum Beispiel verstecken
sich hinter Stiftungen in Liechtenstein,
recherchierte vor kurzem ein Journalist.
Die Seite attackiert regelmäßig die Kor¬
ruptionsstaatsanwaltschaft und die grüne
Justizministerin.

Kerstin Kellermann

Michel Reimon, Eva Zelechnowski: Putins
rechte Freunde. Wie Europas Populisten
ihre Nationen verkaufen. Wien: Falter Ver¬
lag 2017. 128 S.

getrieben wurden, hauptsachlich Frauen,
Kindern und alten Menschen, insgesamt
über 17.000 Personen zu denen später
noch Vertriebene aus anderen Ortschaf¬
ten Südmährens hinzukamen. An die
10.000 Personen hatten die Grenze zu
Österreich bereits überschritten als der
Zug am Abend des 1. Juni gestoppt wurde
und die Leute auf tschechischer Seite in
verschiedenen Dörfern und Lagern unter¬
gebracht wurden.

In Brünn, dessen Bevölkerung vor dem
Krieg noch zu über 20 % aus Deutschen
bestanden hatte — über 52.000 Personen
laut Volkszählung von 1930 - lebten nach
1945 nur noch an die 1.500 in der Stadt.
Gerta und ihre Tochter gehört zu jenen,
die nicht über die Grenze vertrieben, son¬
dern die zum Arbeitseinsatz in der Land¬
wirtschaft eingesetzt werden. Dabei hat
sie Glück und kommt in eine Bauernfami¬
lie, die die Arbeiterinnen gut behandelt.
Doch bis sie dort ankommt, erlebt Gerta
alle Schrecken der Vertreibung mit Er¬
schießungen und Vergewaltigungen, mit
der sich nun jene rächten, die zuvor unter
der nationalsozialistischen Herrschaft ge¬

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