Nahid Bagheri-Goldschmied
Wunden
In diesen Tagen ist meine Heimat
eine schwangere Mutter,
welche in der Wüste der hemmungslosen Unterdrückung
von Unmenschen getreten wird,
die tiefe Wunden beißen
in ihren Kopf, ihren Rücken, ihre Arme.
In diesen Tagen ist meine Heimat
eine Mutter, die im Schock jeden Morgen
eine Fehlgeburt erleidet
Ihr Bett überströmt vom Nachtgeruch
blutbesudelt ihr Rock und ihre Hände.
In diesen Tagen bindet meine Heimat
ihre Träume an die Beine jener Vögel,
deren Flugziel
die Galaxie der Freiheit ist.
Richard Schuberth
Unnobles Schweigen
Tötet ihn nicht!
Er ist kein Terrorist
Er ist kein Separatist
Das schmerzvolle Belutschistan ist
das blutende Herz des Iran
Das unterdrückte Kurdistan
ist Auge und Licht des Iran
Stoppt das Töten!
Stoppt das Töten!
Die Freiheit ist
mit der Morgendämmerung schon unterwegs
Die beherzten Proteste im Iran erleben in der westlichen Öffent¬
lichkeit bestenfalls verhaltenes Wohlwollen, abwartende Solida¬
rität, formelhafte Lippenbekenntnisse. Zwar begrüßt man den
Widerstand gegen die Mullah-Diktatur, dies aber mit gedämpfter
Stimme. Das erste Mal seit Jahren, dass die Linke zum Beispiel
in Österreich wirklich auffiel, war durch ihr Fehlen bei den Iran¬
Demonstrationen. Und so sehr die Spaltung der Gesellschaft
beklagt wird — wenn's um den Iran geht, scheinen viele ihrer
Fraktionen in unnobler Zurückhaltung vereint, wenngleich aus
unterschiedlichen Motiven. Eine kleine Typologie der verkappten
Solidaritätsverweigerung.
Die verlässlichsten Partner der klerikalfaschistischen Diktatur
waren und sind die europäischen Regierungen. Anders als Russ¬
land, das für seine Allianzen keiner ethischen Rechtfertigungen
bedarf und aus seinen geostrategischen und ökonomischen
Interessen kein Hehl zu machen braucht, vollführen die dip¬
lomatischen Vertretungen des Westens bei ihrer Iran-Politik
wahre Eiertänze des mahnenden Katzbuckelns, gilt es doch,
die Mullahs zugleich zu maßregeln und als Geschäftspartner
nicht zu vergraulen. Man gibt Massenmördern bei UN-Voll¬
versammlungen ein Forum, verhängt in stereotyper Abfolge
mal Sanktionen, wenn Hardliner wie Ebrahim Raisi an die
Macht kommen, und schickt flugs Wirtschaftsdelegationen
nach Teheran, sobald mit sogenannten Reformern wieder einmal
einer dieser Teheraner Frühlinge sprießt, in dessen Hochblüte
etwa unter dem moderaten Präsidenten Hassan Rohani mehr
Oppositionelle gehenkt wurden als von seinem Amtsvorgänger
Mahmoud Ahmadinejad.
Im sogenannten Atomstreit weiß die iranische Führung mit
ihrem konsequent revidierten Zugeständnis, Atomenergie nur für