De facto befinden sich die EU, einige Mitgliedstaaten der NATO
und die USA im Kriegszustand mit der Russischen Föderation
und Weißrussland. Sie sind Verbündete der um ihr Überleben, um
Sprache, Eigenstaatlichkeit und Selbstbestimmung kämpfenden
ukrainischen Nation.
Aus russischer Sicht sind sie Feindstaaten, gegen die auf den
verschiedensten Ebenen, propagandistisch, durch direkte Ein¬
Hussnahmen des Auslandsgeheimdienstes, strategische Positio¬
nierung von Abteilungen der Wagner Gruppe in verschiedenen
Ländern, auf dem Gebiet der Bündnispolitik mit China und
anderen sogenannten Schwellenländern agiert wird. Die Bedro¬
hung mit dem Einsatz von Atomwaffen und die Demonstration
neuer Superwaffen gehören auch zur Kriegsführung, greifen in
den Kriegsverlauf ein, selbst wenn sie nicht eingesetzt oder gar
noch nicht einsetzbar sind.
Die atomare Erpressung dient vor allem dazu, jene Asymme¬
trie der Kriegsführung zu zementieren, die darin besteht, dass
die Russische Föderation von ihrem und vom weißrussischen
Territorium aus die Ukraine beschießen, bombardieren und an¬
greifen kann, ohne mit einem Gegenschlag rechnen zu müssen.
Die russischen Truppen können sich hinter die Grenzen ihres
Landes zum Zweck der Auffrischung ihrer Kräfte zurückziehen,
um zu einem späteren, möglicherweise günstigeren Zeitpunkt,
ihre Angriffe fortzusetzen.
Bei dem Versuch, den „Westen“ in der Versorgung mit Erdöl
und Erdgas und die ganze Welt mit einem Getreidemangel zu
erpressen und unter Druck zu setzen, stieß die Russische Födera¬
tion an die Grenzen ihrer von ihr selbst überschätzten Bedeutung
für die Weltwirtschaft.
Aber immer noch hat sich der ,, Westen“ nicht dazu aufgerafft,
gegen die neokolonialen Unternehmungen der Russischen Fö¬
deration in Syrien, Mali, Libyen und anderen Ländern und die
dort stationierten Einheiten der Wagner-Gruppe entschiedene
Schläge zu führen. In all diesen Fällen unterstützt die Russische
Föderation die jeweils an die Macht gelangten Despoten, die sich
ihrerseits nur mit der russischen Unterstützung an der Macht
halten können.
Im Grunde geht es jetzt und in naher Zukunft weiter darum, dass
der Hegemonialstaat in dem ein herrschendes Volk über andere
Völker, ob groß oder klein, gebietet, in seiner wirtschaftlichen
Existenzberechtigung infrage gestellt ist. Er bröckelt, weil die
Globalisierung, die internationale Arbeitsteilung und Liberali¬
sierung des Weltmarktes jene geschlossenen Wirtschaftsräume
und von ihnen kultivierten «Zivilisationen» obsolet erscheinen
lässt, die zu bewahren die hegemonialen Mächte als den Sinn
ihrer Existenz behaupteten.
Wie man am Beispiel des Iran sieht, ist die Reaktion der na¬
tionalen Despoten umso heftiger, je schwächer ihre Position in
Wirklichkeit ist. Die geopolitische Besorgtheit des Kreml läuft am
Ende darauf hinaus, dass man den RussInnen nach endgültigem
Verlust der Ukraine schwerlich weiter weismachen kann, dass sie
ein Herrenvolk seien, das den vielen Völkern eines Imperiums
den Weg in eine gemeinsame Zukunft weisen könne und müsse.
Auch das sich in eine Despotie wandelnde China ist den Risiken
einer abbröckelnden Hegemonialmacht ausgesetzt. Selbst die