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Trude Krakauer Meine Sprache. So will ich wieder Wort zu Worte fügen, Mein Denken ganz in ihren Klang verweben, Wenn sie einander, wenn sie mir genügen, So leb ich mit ihr wohlgeformtes Leben. Wie blüht die Liebe auf, die tiefgeheime, Wenn eine Silbe die verwandte traf? Wie sie sich finden und vermähln im Reime — Dies Glück den Seinen gibt's der Herr im Schlaf. Wenn alte Worte ständig sich erneuen Und neuer Sinn in ihnen aufersteht — Wie sollte mich dies Wunder nicht erfreuen, Heut, da mein Leben schon zur Neige geht? War dieses Lebens Liebesmüh verloren An sie, die heut die Sprache der Barbaren? — Sie ward in mir, ich ward in ihr geboren, Spricht Hitler deutsch — die Sprache muss es leiden. Ich nähme seinen Wortschatz nicht geschenkt, Doch kann mich nichts von meiner Sprache scheiden, Die in mir lebt und dichtet, träumt und denkt. Bogotd, 1943 Abgewiesene Klänge Reimgeklingel, das ich ließ, spielt um mich im Winde: Botschaft aus dem Paradies, das ich nimmer finde. Klingelt fort und immerfort wo ich geh und stehe, fast als wär das rechte Wort schon in nächster Nähe. Kleine Perlen schimmern hell, braucht’ mich nur zu bücken — geh ich meines Weges schnell, kichert’s mir im Rücken. Weiter schreit ich unbeirrt, plötzlich will mir scheinen, daß das Kichern sich verliert in ein leises Weinen .... Dezember 1967 50 ZWISCHENWELT Heine-Renaissance in Deutschland „Leise zieht durch mein Gemüt Liebliches Geläute “ Klingt das kleine Frühlingslied Mir im Ohr noch heute? Ach, es klang so süß und bang, Rein und silberhelle Seit die Welt in Stücke sprang, Blechern tönt die Schelle! Als es galt, wie bliebt ihr kalt, Harte, taube Steine! Heute, da sein Lied verhallt, Findet ihr zu Heine. Laßt ihn nun in Frieden ruhn, Könnt ihn nicht erwecken. Soll dies späte Freundlichtun Deutschlands Schande decken? Illusion Wieder und wieder füll ich mir morgens Salz in die Taschen. “Gestern“, der schillernde Trauerfalter ist unvergessen. Doch rühr ihn nicht an: Flügelstaub klebt an den Fingern. “Morgen“, der krächzende Krähenvogel frißt meine Augen. Streu deine Handvoll Salz dem Spatzen “Heute“ rasch auf den Schwanz! Schon flattert er auf. Leerhimmel lächelt und wieder und wieder füll ich mir Salz in die Taschen.