für den Sender Rot-Weiß-Rot, und zwar die erfolgreiche Serie
„XY weiß alles“.
Damit beginnt der Aufstieg Trollers zum Medienpionier in
Rundfunk und Fernsehen. Er macht über 2000 Rundfunk¬
reportagen für alle deutschen Sender. Er erfindet für den WDR
mit dem „Pariser Journal“ das Fernsehfeuilleton, das regelmäßig
über 50% Einschaltquote hat; 50 Folgen davon fertigt er an von
1962 bis 1971. Dann hat er es satt und will sich intensiver mit
Menschen auseinandersetzen, mit Menschen aus der ganzen
Welt, auf die er neugierig ist. Und so entsteht für das ZDF die
Sendereihe „Personenbeschreibung“, 75 Folgen in den Jahren
1972 bis 1994. Neben vielen unbekannten Personen sucht er sich
auch bekannte Künstler aus, zum Beispiel Peter Handke, Liv
Ullmann, Charles Bukowski, Melina Mercouri, Leonard
Cohen.
Der eingestandene Hauptzweck dieser Sendungen ist es, mir
selbst Freude zu bereiten. Man hat sie „positiv“ genannt, was
wahrscheinlich daher kommt, dass ich ziemlich negativ einge¬
stellt bin. Man hat auf ihre „Lebenshilfe“ hingewiesen, und die
scheint mir darauf zu beruhen, dass sie meine private Lebens¬
hilfe darstellen. Regelmäßig porträtieren sie Leute, die sich am
eigenen Schopf aus der Misere ziehen. Menschen, die Min¬
derheiten angehören oder sonst wie benachteiligt sind, Be¬
hinderte oder Geschaffte. Wie machen die das, nicht nur zu über¬
dauern, sondern zu überwinden? Das stelle ich in den Raum.
Ich stelle es auch als Frage an meine Interviewpartner. Ich fra¬
ge die Dinge ab, die ich selber wissen muss. Was in der Regel
in den Sendungen aufscheint ist, dass es die innere Haltung und
die persönlichen Vorstellungen der Menschen sind, die über ihr
Glücklichsein oder ihr Elend entscheiden. Ihr Schicksal liegt
in ihrer Hand, trotz allem. Essenz kommt vor Existenz, auch wo
die Lebensbedingungen eine erdrückende Rolle spielen. Du
kannst ein viel reicheres Leben führen, als die Umstände dir zu
gestatten scheinen, als du dir zutraust oder du für erlaubt hältst.
Du hast keine Chance, nutze sie. Du bist frei.
Dass Troller dann letztlich doch auch noch für das österreichische
Fernsehen arbeitet, hat mit Axel Corti zu tun, dem bedeutend¬
sten Fernsehregisseur, den Österreich bislang aufzuweisen hat.
Troller schreibt für Corti die zwei Drehbücher „Ein junger Mann
aus dem Innviertel — Adolf Hitler“ sowie „Der junge Freud“,
vor allem aber die große Trilogie „An uns glaubt Gott nicht
mehr“, „Santa Fe“ und „Welcome in Vienna“. Die Grundlage
dieser drei Filme ist die große und großartige Autobiografie von
Georg Stefan Troller, „Selbstbeschreibung‘“ betitelt. Alle Zita¬
te, die ich in dieser Laudatio verwendet habe, stammen aus die¬
sem Werk, das, vor allen anderen Büchern Trollers, wohl der
Anlass ist für die Verleihung des Theodor Kramer-Preises.
Dass ich kaum mit eigenen Worten den Preisträger lobe, hat ei¬
nen ganz einfachen Grund: Was er selber sagt, ist viel bedeu¬
tender als alles, was ich von mir geben könnte, es spricht ganz
von selbst für diesen Mann, der, auch wenn er das nicht hören
mag, ein Weiser ist, ein Lehrer, ein Rabbi.
Über die Zeit der Emigration schreibt Troller:
Wer waren wir also? Exilanten? ... Nie habe ich mich als
Exilant gesehen. Eine viel zu hochgestochene Vokabel für un¬
seren würdelosen Rausschmiss. ... Wir empfanden zum über¬
wiegenden Teil unsere Vertreibung als etwas Endgültiges und
Unwiderrufliches, ohne dass uns das bei der Identitätsfindung
weiter gebracht hätte. Was waren wir? Nach unserem intimsten
Gefühl: deutsche Diaspora. Ein Begriff, den es aber bis heute
nicht gibt. ... „Das weiße Rössl am Central Park“ in der
Originalbesetzung. ... Das ist nicht mehr jüdischer Galgen¬
humor, hier tanzen sie schon am Strick. Während in Wien ge¬
rade die letzten Juden liquidiert werden, singen wir tränense¬
lig „Wien, Wien, nur du allein.“ ... Dies war meine New Yorker
Krankheit: eine Lähmung, eine graue Passivität, eine zähe
Tatenlosigkeit. Ich lebte nicht mehr, ich wurde gelebt. Eine
Schattenexistenz.
Das alles hat Georg Stefan Troller überwunden, hinter sich ge¬
lassen. Gewiss nicht ohne Wunden, ohne Narben, die bleiben
immer, wie könnte es anders sein, nach all dem Schrecken, nach
all den Verlusten, nach all dem, was ihm und seiner Familie an¬
getan wurde. Aber sein Hunger nach Leben war größer. Auch
sein Hunger nach Liebe war größer. Und da er Liebe gab, von
Mensch zu Mensch, von Mann zu Frau, in all seinen Werken,
kam sie auch zu ihm zurück.
Herzliche Gratulation, George.
Felix Mitterer, geb. 1948 in Achenkirch (Tirol); nach der Geburt
zur Adoption an das Landarbeiterehepaar Mitterer freigegeben.
Aufgewachsen in Kitzbühel und Kirchberg; 1962-66 Lehrer¬
bildungsanstalt in Innsbruck; danach zehn Jahre beim Zollamt
in Innsbruck. Ab 1970 erste Veröffentlichungen, ab 1977 frei¬
er Schriftsteller. Hauptrolle in seinem ersten Theaterstück „Kein
Platz für Idioten“. Lebt seit 1995 in Irland. Erzähler, Stücke¬
schreiber, Drehbuch- und Hörspielautor, Schauspieler, Librettist,
Übersetzer.