OCR Output

= FR EI
PET

ADA

Ir
ul

\\

foe ttt) TT EY
UES teh

Straßenansicht in Castelnuovo di Garfagnana, Tuschzeichnung von
Walter Franke. Foto: Sammlung Oscar Guidi, Castelnuovo

auf dem Gesuch noch später seine Anschrift mitgeteilt hat. Daher
einlegen!“ (Hier existiert eine Unklarheit, denn ein Schreiben,
mit dem Franke den Erhalt seiner Dokumente bestätigt, ist mit
6. April 1938 datiert.)

Am 24. Oktober 1939 befand er sich bereits mit seiner Frau
in Italien. Als Datum der Einreise nach Italien wird der 3. Juli
1939 genannt. Leider ist auf italienischer Seite kein weiteres
Aktenmaterial zu der frühen Phase seines Aufenthaltes in Italien
vorhanden, die betreffende Personalakte im Archivio Centrale
dello Stato in Rom ist verschwunden." Sicher nachweisbar ist,
daß Franke im April 1941 in Tortoreto (Provinz Teramo) in¬
terniert war.'' Wahrscheinlich wurde er im Juli 1940 dorthin über¬
stellt. Im Lauf des Oktober 1941 kamen er und seine Frau
Elisabeth zusammen mit 13 anderen Familien nach Castelnuovo
di Garfagnana.

Dieser Ort mit ungefähr 5.000 Einwohnern lag in einer ar¬
men Region, deren ökonomische Grundlage die Landwirtschaft
und der Abbau von apuanischem Marmor war. Seit Ende des
19. Jahrhunderts hatte eine starke Abwanderung in andere Teile
Italiens und ins Ausland stattgefunden, doch Castelnuovo selbst
hatte sich zu einem florierenden Zentrum entwickelt. Neben
Geschäften aller Art gab es Büros der öffentlichen Stellen,
Banken, Textilindustrie und zwei Kinos, ein Theater und eini¬
ge Trattorien.

Ende 1941 befanden sich insgesamt 23 Familien bzw. ca. 69
jüdische Internierte in Castelnuovo, wobei die örtlichen
Behörden mit größeren organisatorischen Schwierigkeiten kon¬
frontiert waren. Es galt, die Internierten, die meist nur über ge¬
ringe finanzielle Mittel verfügten, zu verpflegen sowie Unter¬

62

kunft und Kleider für sie bereitzustellen und auch eine medi¬
zinische Grundversorgung zu gewährleisten. Aus den
Zeitzeugenberichten ist zu entnehmen, daß die Versorgung der
einheimischen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln prekär war.
Die Internierten waren davon in noch größerem Ausmaß be¬
troffen.

Es wird von der Hilfsbereitschaft der Bevölkerung berich¬
tet, welche den Juden mit Lebensmitteln zu helfen versuchte,
und es werden auch einige Internierte erwähnt, die sich — ge¬
gen die geltenden Bestimmungen — durch verschiedene Arbei¬
ten und Handlangerdienste Nahrungsmittel verschafften. Dies
ist insofern interessant, als dadurch der Grad der Integration in
die lokale Gesellschaft nachvollzogen werden kann.

Walter Franke war einer dieser Internierten, die sich den all¬
gemeinen Bestimmungen widersetzten, indem er eine Reihe von
Veduten der kleinen Stadt anfertigte. Den Zeitzeugen ist ernoch
in Erinnerung, wie er an verschiedenen Straßenecken sitzend
gezeichnet hat.

In der Apotheke Gaddi in der Via Vittorio Emanuele hängt
heute noch eine Zeichnung, welche die Apotheke vor dem
Hintergrund der Festung und der Piazza Umberto zeigt, und in
deren nächster Umgebung auch eine der von Frankes Unter¬
künften, die Pensione Capitani, lag. Neben der zeichnerischen
Betätigung, die wohl zum Gelderwerb diente, gab es eine wei¬
tere Beschäftigung, an der sich viele der internierten Erwach¬
senen beteiligten: Es gelang, Ende 1941 einen Schulbetrieb für
die Kinder zu organisieren, die vom Öffentlichen, regulären
Schulbesuch ausgeschlossen waren.

Eine Überlebende, die sich ebenfalls als Lehrerin engagier¬
te, hat in ihren Erinnerungen festgehalten, daß die Erwachsenen
mit großem Eifer darum bemüht waren, den Kindern einen so
weit wie möglich normalen Unterricht angedeihen zu lassen.
Der größte Erfolg für alle, vor allem die Erwachsenen, war es,
daß die Kinder zu Ende des Jahres eine Externistenprüfung in
der Ortsschule bestanden. Walter Franke war Direktor des Schul¬
betriebs.

Es scheint, daß der Aufenthalt in Castelnuovo für die
Internierten trotz aller Schwierigkeiten eine relativ angenehme
Periode darstellte, nicht zuletzt auch aufgrund der Hilfs¬
bereitschaft der Bevölkerung.

Als die Regierung Badoglio am 8. September 1943 den
Waffenstillstand mit den Alliierten bekanntgab, kam es zur deut¬
schen Besetzung Italiens, und die deutschen Behörden began¬
nen, Erkundigungen einzuholen. Am 4. Dezember bekamen die
Internierten den Befehl, sich am folgenden Tag um 8 Uhr in der
Früh zusammenzufinden, um gemeinsam an einen anderen Ort
überführt zu werden. Es war das Konzentrationslager Bagni di
Lucca. Trotz Warnungen von Seiten italienischer Einwohner gab
es nur wenige Internierte, die sich dem Befehl widersetzten und
flüchteten. Wohl waren einige Juden besorgt, konnten sich aber
das Ausmaß der bevorstehenden Ereignisse nicht vorstellen.
Andere wieder zeigten sich bestürzt und scheinen das
Schlimmste erwartet zu haben. So wahrscheinlich auch Walter
Franke. Wie einige andere Internierte ließ er in Castelnuovo
Gegenstände wie Bekleidung und Haushaltsgeräte zurück und
sogar einen kleinen Geldbetrag.

Unbekannt ist, wie und von wem (italienische Polizei oder
Miliz) die Internierten nach Bagni di Lucca gebracht wurden.
Sicher ist, daß sie am 6. Dezember im Konzentrationslager ein¬
trafen. Es wurde am 25. Jänner aufgelöst. Zwei Tage zuvor hat¬
ten die deutschen Behörden die Internierten nach Florenz ge¬
bracht. Von Walter Franke und seiner Frau ist danach nur mehr