kam er wieder nach Wien, ans Burgtheater.
Dort gründete er auch eine amnesty interna¬
tional Gruppe, die für Verfolgte im Iran, der
CSSR und anderen Ländern vieles erreichen
konnte. Seine Arbeit für die tschechische Op¬
position half, die kommunistischen Dogmen
zu überwinden. Aber untätig wurde er deswe¬
gen nicht, er schlug sich nicht nur weiter an der
Kulturfront, er blieb auch auf eine bestechen¬
de Weise praktisch. So versuchte er in den
1980er Jahren die österreichischen Panzer¬
exporte in Länder mit autoritären Regimen zu
verhindern, indem er sein Auto auf dem An¬
schlussgleis der Fabrik in Simmering parkte.
Otto Tausig, der sein Überleben England ver¬
dankt, das ihn in einem Kindertransport auf¬
nahm, vergaß nicht. Er suchte nach Mög¬
lichkeiten, wie er sich heute bedanken könn¬
te. Mit der klaren Logik eines politischen
Menschen mit Herz fand er seinen Weg. Das
Elend in der 3. Welt ließ ihn nicht unberührt,
und es wundert nicht, dass er sich dem Wohl
der Kinder im Süden annehmen wollte. Er
fand die Organisation, die unspektakulär, aber
effektiv, an Ort und Stelle hilft: den Entwick¬
lungshilfeklub.
Der Burgtheaterpensionist, der die Konflikte
mit Claus Peymann satt hatte und ging, spen¬
det seit Jahren alle Tantiemen für diese
Projekte und schnorrt auch gewaltig für sie —
man muß Otto Tausig einmal beim Schnorren
von der Bühne herab und nach der Vorstellung
mit der Sammelbüchse im Foyer erlebt haben.
Er schaffte es, die Creditanstalt davon zu über¬
zeugen, die Gelder, die seiner von den Nazis
ermordeten Großmutter gehört hatten, freizu¬
geben, um mit dieser Startfinanzierung ein
Flüchtlingsheim in Hirtenberg aufzubauen.
Für mich ist Otto Tausigs Lebensgeschichte
und die gebende Reife seines Alters ein schö¬
nes Beispiel für ein gelungenes Leben. Er
konnte in finsteren Zeiten ein schwieriges,
aber gutes Leben führen - es ist wichtig nicht
zu vergessen, dass das in dunklen Zeiten auch
möglich ist — und hatte den Anstand, im Reich¬
tum nicht zu vergessen und für Schwächere
tätig zu bleiben. Der Erlös seines Buches
kommt „natürlich“ wieder Not leidenden
Kindern in der Dritten Welt zugute. Kaufen
Sie, kaufen Sie, nicht in erster Linie aus die¬
sem, aber auch aus diesem Grund!
Friedensrose für
Otto Tausig
Am 15. Mai 2005 ehrte das Friedenskomitee
Waldhausen im Strudengau (Oberösterreich)
Otto Tausig für seine Zusammenarbeit mit
dem Entwicklungshilfeclub, die engagierte
Ärztin Eva-Maria Hobinger und die salzbur¬
ger Organisation „Bauern für Bauern“, die
Bauern im ehemaligen Jugoslawien unter¬
stützt, mit je einer metallenen Rose.
Der vorliegende Bericht des Historikers
Klaus Voigt über die Kinder der Villa Emma
in Nonantola beeindruckt neben seinem
grundlegenden Forschungsansatz durch die
ausführliche Schilderung der individuellen,
familiären und politischen Lebens- und
Fluchtbedingungen und ihre anschauliche
Darstellung, die sich auf eine unvermutete
Fülle schriftlicher Quellen und mündlicher
Stellungnahmen stützen kann.
Die Villa Emma diente 73 jüdischen Kindern,
die zwischen November 1940 und März 1941
aus Deutschland, Österreich, Jugoslawien und
in einem Fall aus Polen flüchteten, und ihren
18 Betreuern für ungefähr ein Jahr als vor¬
übergehende Bleibe auf ihrer fast fünfjährigen
Wanderung, die vornehmlich durch jüdische
Selbsthilfe organisiert und finanziert wurde.
Hervorragende Persönlichkeiten dabei waren
u.a. Recha Freyer aus Berlin, Josef Schleich
aus Graz und Josef Indig aus Osijek/Slavo¬
nien vom Hashomer Hazair, der im wesentli¬
chen die langjährige Betreuung und Er¬
ziehung der Jugendlichen übernahm. Dazu
gehörte die Koordination von Flucht und
Aufenthalt in Zagreb/Kroatien, Lesno Brdo/
Slowenien, Nonantola/ltalien und Bex in der
Schweiz, was je nach Entwicklung der
Kriegsvorgänge bewältigt werden musste.
Marco Schoky stand ihnen dabei als Organi¬
sationstalent zur Seite. Die Delasem (De¬
legazione Assistenza Emigranti Ebrei) und
ihre Vertreter übernahmen in Nonantola die
Leitung. Die Kinder blieben trotz aller Be¬
mühungen meistens im Ungewissen über das
Schicksal ihrer Mütter, Väter und Ge¬
schwister.
Der erste längere Verbleib bot sich nach der
deutschen Besetzung Jugoslawiens am 6.
April 1941 nach Zagreb in Lesno Brdo nahe
Lubljana, wo mit viel Mühe und Einsatz ein
altes Jagdschloss für die Gruppe bewohnbar
gemacht wurde. Etwa ein Jahr lang konnte es
genutzt werden. In dieser Zeit gelang einigen
Müttern und Vätern der Kinder die Flucht
nach Lubljana. Auch weitere Betreuer und
Erzieher aus jüdischen Organisationen schlos¬
sen sich der Gruppe an. Die Selbstversor¬
gergemeinschaft war kollegial organisiert,
wobei Josef Indig wegen seines Engage¬
ments, seiner guten Beziehungen zu jüdischen
Organisationen und Geldgebern (z.B. der
Delasem) und seiner zionistischen Erzie¬
hungsgrundsätze als eigentlicher Leiter aner¬
kannt wurde. Die Kinder wurden zu Eigen¬
verantwortung und solidarischem Verhalten
im Rahmen demokratischer Regeln angehal¬
ten, um eine feste Gemeinschaft, die „che¬
wra“, nach zionistischen und sozialistischen,
nicht aber religiösen Ideen zu bilden. Dies än¬
derte sich in den nächsten Jahren. Das
Kriegsgeschehen und auch der Partisanen¬
krieg rückten näher; man mußte weiter.
Die wichtigste Station wurde die aus jüdi¬
schem Familienbesitz stammende Villa
Emma in Nonantola, wo die Kinder am 17.
Juli 1942 ankamen, freundlich aufgenommen
wurden und mehr als ein Jahr bleiben konn¬
ten.
In Nonantola übernahm die Delasem die
Organisation, was wesentliche Einschränkun¬
gen in der Selbstbestimmung der Gruppe mit
sich brachte. Eine strenge Hausordnung, eine
Hierarchie der Betreuer und die Verpflichtung
zu religiösen Aktivitäten wurden eingeführt
und überwacht, ebenso wie strenge Verhal¬
tensregeln untereinander und zu der Be¬
völkerung. Über pädagogische und soziale
Fragen kam es ebenso zu Auseinander¬
setzungen wie über kulturelle Fragen, die nur
durch die Einsicht ausgeglichen werden
konnten, dass man auf Zusammenarbeit an¬
gewiesen war. So kamen dann Unterricht und
Ausbildung der Kinder, immer im Hinblick
auf eine praktische Lebensbewältigung in
Palästina, langsam in Gang. Die Diskussio¬
nen über ihre Durchführung endeten aber
nicht.
Nach dem anfänglichen Jubel über den Sturz
Mussolinis stellte sich bald Ernüchterung ein.
Nach dem Bekanntwerden des italienischen
Waffenstillstands mit den Alliierten, zogen
deutsche Truppen in Nonantola ein. Die
Kinder mussten versteckt werden. Einzigartig
war dabei die Bereitschaft der Bevölkerung,
den Kindern und ihren Betreuern Zuflucht zu
gewähren. Ihr Mut ist nicht hoch genug ein¬
zuschätzen. Im katholischen Priesterseminar
wurden 30 bis 35 Mädchen und Jungen mit ei¬
nigen Betreuern aufgenommen, die restlichen
30 Kinder und die Betreuer fanden bei
Familien im Ort und in der Umgebung
Unterschlupf. Die Mädchen wurden aus reli¬
giösen Gründen so bald wie möglich zu den
Nonnen der Hospitaliterinnen übersiedelt.
Unter großen Schwierigkeiten wurde die
Flucht in die Schweiz geplant und Anfang
Oktober 1943 unter abenteuerlichen Bedin¬
gungen durchgeführt. Nachdem die Jewish
Agency den Schweizer Behörden für Un¬
terhalt und Weiterreise garantiert hatte, waren
die Kinder, die in drei Gruppen geflohen wa¬
ren, Mitte Oktober vorläufig in Sicherheit.
Die Mehrzahl der Gruppe fand Schutz im
Jugendaliyah-Heim Ville des Bains in Bex.
Bis zur Abreise nach Palästina wurden sie hier
betreut und versorgt.
Klaus Voigt: Villa Emma. Jüdische Kinder auf
der Flucht 1940-1945. Berlin: Metropol
2002. 384 S. Euro 19,- (Solidarität und Hilfe.
Rettungsversuche für Juden vor der Verfol¬
gung und Vernichtung unter nationalsozialis¬
fischer Herrschaft. Hg. im Auftrag des
Zentrums für Antisemitismusforschung von
Wolfgang Benz. Bd. 6).