Alle diese Bezeichnungen sind schon gefallen,
wenn von diesem Jahr die Rede war. 4,7 Mill.
Euro gibt allein die Stadt Wien aus, um das
Jubeljahr zu feiern. Ein Vielfaches davon der
Bund.
Österreich soll feiern. Es stieg nach 1945
durch viele Jahre des Elends wie ein Phönix
aus der Asche und wurde eines der reichsten
Länder Europas und der Welt.
Es hat lange gedauert, bis die Vertreter der
österreichischen Politik Worte der Entschuldi¬
gung und des Bekennens gefunden haben für
eine Mitschuld am größten Verbrechen der
Menschheitsgeschichte: dem Holocaust bzw.
der Shoa.
Eine Projektgruppe war damit beschäftigt, das
Kriegsende und die unmittelbare Zeit nach
1945 wieder lebendig werden zu lassen — was
im wohlmeinendsten Fall rührend genannt
werden kann, wenn es um Gemüsebeete am
Heldenplatz geht und transportable Balkons
und weitere Lächerlichkeiten. Diese Gruppe
brachte es gerade noch fertig, der Gefallenen
und der Zivilbevölkerung zu gedenken, aber
aus Eigenem gedachte sie schon nicht mehr
der vielen Menschen, die das nationalsoziali¬
stische Regime aus den niedrigsten Motiven
ermordet und vertrieben hat.
Zugegeben: dieses Gedenken ist für ein Jubel¬
Jahr sicher nicht eventfähig darzustellen. Vie¬
les ist noch nicht aufgearbeitet, noch warten
viele Opfer vergeblich auf Anerkennung und
Rehabilitierung. Und schon hören wir von
Politikern dieser Republik wieder die dümm¬
sten und ignorantesten Äußerungen zu Wider¬
standskämpfern und Gaskammern in den
Konzentrationslagern.
Noch fehlt das Bekenntnis der Politik zur Er¬
forschung von Wissenschaft und Kultur er¬
mordeter und vertriebener Wissenschaf¬
terInnen und KünstlerInnen. Die Politi¬
kerInnen verweigern einfach die nötigen fi¬
nanziellen Mittel. Es interessiert sie nicht. Und
damit zwingen sie uns Lücken in unserer
Kulturgeschichte und Wissenschaft auf.
Wie sieht das Gedenken in Österreich aus:
Österreich bzw. Wien haben sich bis jetzt nur
Gedanken und ein Mahnmal zu diesem Thema
sich abgerungen. Ein Museum des Holocaust,
wie es Budapest, Berlin als jüdisches Museum
und jetzt unter dem Denkmal errichtet haben
oder wie es in Italien geplant ist, ist in Wien
kein Thema. Hie und da schwirren ein paar
Sager in dieser Richtung durch die Medien,
und dann fällt wieder jeder Gedanke daran in
sich zusammen.
Warum: Hier geht es darum, sich schwarz auf
weiß in Schrift und Bild zu seiner Geschichte
zu bekennen. Und das für viele Menschen
nicht nur in den Archiven zu dokumentieren,
sondern einsehbar und lebendig, öffentliches
Bekenntnis werden zu lassen.
Auch die HistorikerInnen trauen sich hier
nicht darüber, die einen aus Angst, es könnte
ein Heimatmuseum werden, die anderen, es
könnte ihr eigenes Geschichtsbild ins Wanken
bringen.
Ich war vor kurzem in New York im Museum
of Jewish Heritage und habe mit tiefem
Respekt festgestellt, dass in diesem Museum
auch die Versäumnisse der USA und der
Alliierten offen bekannt wurden, als es um das
Wissen und die Rettung oder eben Nichtret¬
tung der Konzentrationslager und der Ver¬
folgten ging. Dort sind die Versäumnisse der
damaligen Politik der USA und der Alliierten
nachzulesen und anschaulich dargestellt zu er¬
fahren.
Ich wünsche mir, dass endlich ernsthafte Über¬
legungen zu einem festgeschriebenen, öffent¬
lichen Bekenntnis zur Geschichte Österreichs
angestellt werden, zu dem wir als Mitschul¬
dige an den Verbrechen der Nazis verpflichtet
sind. Ein Vorbeischwindeln an Tatsachen ist
nicht möglich, denn viele noch lebendige
Betroffene und die Welt werden darauf schau¬
en. Nicht nur ein in Stein gehauenes Gedenken
— das wir hinstellen und damit meinen, wir ha¬
ben unsere Schuldigkeit getan — ist unsere
Pflicht, sondern ein Zeichen wahrer Größe ei¬
nes Volkes, auch wenn das pathetisch klingen
mag, ist es, eine lebendige öffentliche Aufar¬
beitung in Schrift und Bild zu seinem Anliegen
zu machen.
Gedanken zum Gedenkjahr sind mir zu flüch¬
tig und ziehen vorüber. Ein Zurückkehren in
den Alltag des Verdrängens und Vergessens
und Verdrehens von Tatsachen soll keine
Chance mehr haben. Möge sich die Politik
endlich zu einer nachhaltigen öffentlichen
Aufarbeitung der Geschichte bekennen.
mit freude habe ich mir die seiten von und über
otto binder in ZW Nr. 3-4/2005 gelesen. [...]
es war vor etwa einem jahr, dass ich von otto
mit seiner arbeit über rudolf neumayer befasst
wurde und ihm einige quellenhinweise geben
durfte. mit mail vom 7. april 2004 schrieb ich
ihm zu seinem manuskript unter anderem:
„noch eine kurze bemerkung zu deiner ein¬
schätzung, dass es neumayer nicht so sehr um
eine anhebung seiner pension, sondern um ge¬
spräche mit euch und um die möglichkeit ei¬
ner rehabilitierung gegangen ist: welch unter¬
schied zwischen ihm, dem kollaborateur (den
du im letzten absatz des ersten teils so treffend
darstellst), und dir, dem sozialisten mit grund¬
sätzen und mit selbstachtung, zwischen ihm,
dem akademiker, dem produkt einer bürger¬
lich-konservativen bildung, die blind machte
für gesellschaftliche strukturen und vorgänge,
und dir, dem sohn aus kleingewerblich-prole¬
tarischem milieu, der aus erwerbsnotwendig¬
keiten die mittelschule verlassen musste und
sich seine bildung, eingebettet in die arbei¬
ter/innenbewegung, selbst erarbeitet und dabei
wesentlich klarere durchblicke durch die ge¬
sellschaftlichen wirrnisse gewonnen hat [...]“
mit mail vom 8. april 2004 quittierte er mei¬
ne ausführungen ... mit der bemerkung:
„c’est la vie! mir erschien der konservativis¬
mus dieses kleinbürgerlichen milieus immer
als geistiges-seelisches gefängnis.“
als seinerzeit für die branchen- und unterneh¬
mensgeschichtliche grundlagenarbeit verant¬
wortlicher, möchte ich darauf hinweisen:
zum haus tuchlauben 8: das war ... das haus,
von dem die städtische in der ersten republik
ihren ersten großen aufstieg nahm. der stamm¬
sitz (wo das 1898 gegründete unternehmen
seine geschäftstätigkeit aufnahm) waren an¬
gemietete räume im mitteltrakt des hauses auf
der heutigen liegenschaft schottenring 30, wo
seinerzeit das sogenannte bürgerspitalfonds¬
haus stand (in dem übrigens theodor herzl ge¬
wohnt hat) und heute der ringturm steht. von
dort übersiedelte die alte städtische ... 1904 in
das von ihr errichtete gebäude auf der tuch¬
lauben 10 (in dem sich heute noch das cafe
korb befindet), und erst im oktober 1910
wechselte sie dann auf die tuchlauben 8 [...]
die städtische ist auch unter literarischen ge¬
sichtspunkten interessant. ich glaube, es war
bald nach der rückkehr norbert liebermanns,
dass der schriftsteller rudolf felmayer in der
tuchlauben vor den angestellten eine lesung
hielt. unter den angestellten der städtischen be¬
fanden (befinden?) sich einige literarisch täti¬
ge kolleginnen und kollegen, wie der schon
verstorbene fritz kurz (der eine reihe antifa¬
schistischer gedichte zurückließ, die er nur im
eigenverlag veröffentlichte und von denen ei¬
nes in der gewerkschaftsgeschichte „solidarität
und sicherheit“ wiedergegeben wurde) und der
schon verstorbene widerstandskämpfer hans
just, peter matejka, camillo schäfer und eleo¬
nore zuzak, die erst vor kurzem den literatur¬
band „kaleidoskop“ mit texten von mitglie¬
dern des österreichischen schriftstellerver¬
bandes herausgab. [...]
Peter Ulrich Lehner, Wien, Mai 2005
Zu Mariana Hausleitners ,,Leo Katz und die
Bukowina im Zweiten Weltkrieg“ in ZW Nr.
2/2004, S. 73-75, übermittelt uns M. Haus¬
leitner die Stellungnahme:
Es ist ein guter Bericht über Katz. Sein Holo¬
caustroman über Sereth ist vollkommen
falsch. Es gab während des Rußlandfeldzuges
keine Juden mehr in Sereth, auch keine
Zwangsarbeiter. Wir wurden am 20. Juni 1941
nach Craiova deportiert. 14 alte gebrechliche
Juden blieben zurück. Sie wurden am 22. Juni
von rumänischen Gendarmen aus den Häusern
geholt und sofort erschossen, auch ihre Be¬
treuer. Wir anderen kamen nach Craiova und
Calafat. Zwei Monate später sollten wir zu¬
rück nach Sereth fahren, aber Sereth war noch