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3. Jahrgang Nr. 4 Preis: 6S 10,— Bekanntlich hat die Theodor Kramer Gesellschaft schon bei ihrer Griindung geplant, spater ein Jahrbuch herauszugeben. Es sollte nicht ausschlieBlich ein KramerJahrbuch sein,. sondern ebenso Beiträge über „Weggefährten“ Kramers — in Wien und im englischen Exil — beinhalten. Auf das Jahr 1987 fällt der 90. Geburtstag Kramers. Ein solches Jubiläum kann kaum das Motiv einer Publikation, wohl aber ein geeigneter Anlaß zu ihr sein. Die Theodor Kramer Gesellschaft (in der Folge TKG abgekürzt) ist neben der Friedrich Torberg-Gesellschaft wohl die einzige aktive literarische Gesellschaft in Österreich, die sich der Pflege des Werks eines in den Jahren 1934—1945 exilierten Schriftstellers verschrieben hat. Von vielen Exilierten jedoch, bedeutenden und weniger "bedeutenden, sind bis heute nicht einmal ihre Schicksale bekannt geworden, ganz zu schweigen von ihrem Werk. Das öffentliche Interesse hat sich stets aufeinige Autoren von Weltgeltung konzentriert wie Hermann Broch, Elias Canetti und Robert Musil (auch ihre Anerkennung ließ in Österreich lange Zeit auf sich warten). Bis vor kurzem waren die Literaturwissenschaftler, die sich in Österreich mit Exilliteratur befaßten, an den Fingern abzuzählen. Ist es — einmal die inhaltliche und verlegerische Schwierigkeit beseitegesetzt, Jahr für Jahr ein Theodor KramerJahrbuch herzustellen — in einer derartigen Situation nicht zielführender, wenn die TKG die Initiative zu einem „Jahrbuch für antifaschistische Literatur und Kunst“ ergriffe? Ich muß vielleicht zuerst erläutern, was das Eigenschaftssitzend, mit Brille: Erich Fried, wort „antifaschistisch“ in Verbindung mit Literatur und Kunst meint. Nicht gemeint ist damit die Beschränkung auf jene Literatur, die direkt gegen die Protagonisten und Erscheinungsformen von Nationalsozialismus und Faschismus Stellung nimmt, wie z. B. eine Satire auf den „Gröfaz“. Man muß vielmehr davon ausgehen, daß die Erfahrung von Faschismus und Exil, die Versuche, das Unheil zu überleben, und das Unternehmen, ihm zu widerstehen, sich ausgewirkt haben auf die scheinbar entferntesten Probleme der künstlerischen Gestaltung. Aus dem Inhalt Erich Fried und Konstantin Kaiser berichten über Joseph Kalmer, Hilde Spiel über Theodor Kramer. Eine neue Rubrik, in der auf interessante Initiativen und Publikationen hingewiesen wird, heißt „Verstreutes“. Das Programm der Theodor Kramer Tage 1986 liegt in Form eines Plakates als Seite 6 und 7 bei. Wir bitten alle, die eine Möglichkeit dazu haben, den kleinen Anschlag auch auszuhängen. Informationen über Referenten und über das Exil in England ergänzen die Programmankündigung. Die Vorstellung einer Literatur, die ganz ihren eigenen Gesetzen gehorcht, und für die Kriege und rassistische Exzesse nur vorübergehende Betriebsstörungen sind, entspringt einem Wunschdenken. Im allgemeinen wird in den letzten Jahren, vor allem in Fortsetzung auf Seite 2